Landespolitik

Berliner AfD: „Sonneberg ist ein weiterer Schritt zur Normalisierung“

Am Tag nach der Landratswahl in Thüringen will die Berliner AfD daraus einen Sieg auch für sich machen. Kann das Erfolg haben?

Kristin Brinker, Partei- und Fraktionschefin der Berliner AfD
Kristin Brinker, Partei- und Fraktionschefin der Berliner AfDMarkus Wächter/Berliner Zeitung

Die AfD feiert ihren Erfolg bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg, die Berliner AfD feiert mit. „Ich freue mich natürlich“, sagt die Berliner Partei- und Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker am Montag im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Das Ergebnis von Sonneberg ist ein weiterer Schritt der Normalisierung unserer politischen Arbeit.“ 

Im thüringischen Sonneberg hatte Robert Sesselmann am Sonntag die Landratswahl mit knapp 53 Prozent gewonnen – als Erster überhaupt für die AfD. Der amtierende Landrat von der CDU, Jürgen Köpper, kam nur auf 47,2 Prozent, obwohl er von einer Parteienallianz unterstützt wurde. Sesselmann war wegen seines hohen Ergebnisses im ersten Durchgang als Favorit in das Rennen gegangen.

Anschließend sagte Sesselmann, er wolle als künftiger Landrat auch mit dem politischen Gegner sprechen. Dabei solle man ideologische Betrachtungen außen vor lassen. Nach seiner Ansicht sind es „die Systemmedien“ gewesen, die ihm einen ideologischen Wahlkampf eingebrockt hätten.

Die AfD sieht Sesselmann im Übrigen „auf dem Weg zur Volkspartei“. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sagte er: „Wir können nächstes Jahr, 2024, Geschichte schreiben.“

Doch kann das auch für Berlin gelten? Ist die AfD auch hier auf dem Vormarsch? Womöglich bei den Abgeordnetenhauswahlen 2026?

Nun wird der Thüringer AfD-Landesverband mit seinem völkisch-nationalistisch irrlichternden Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Nicht nur das zeigt, dass die AfD in Thüringen anders tickt als die in Berlin.

Und selbst Berlin-Chefin Brinker sagt, man habe „natürlich engere Kontakte nach Brandenburg als nach Thüringen“. Sie selbst möchte das aber eher regional als politisch verstanden wissen. So habe sie selbst bei Besuchen in Thüringen den Eindruck gewonnen, dass gesellschaftspolitische Kampfbegriffe der dortigen Parteiführung im Alltag so gar keine Rolle spielten. „Die AfD in Thüringen will pragmatische Politik machen, so wie wir in Berlin auch“, sagte Brinker.

Kristin Brinker mit Oliver Kirchner aus Sachsen-Anhalt (l.), Björn Höcke aus Thüringen und Gastgeber Hans-Christoph Berndt Ende März in Potsdam
Kristin Brinker mit Oliver Kirchner aus Sachsen-Anhalt (l.), Björn Höcke aus Thüringen und Gastgeber Hans-Christoph Berndt Ende März in PotsdamAfD

Nicht zuletzt diese Erkenntnis habe sie aus einem Treffen der Ost-Fraktionschefs Ende März in Potsdam gewonnen. Bei der Gelegenheit entstand auch eines der raren öffentlichen Fotos, die Brinker mit Höcke zeigen. „Ich wollte die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausloten“, sagt Brinker. Am Ende reichte es für die Unterzeichnung einer „Potsdamer Erklärung gegen Masseneinwanderung“.

Und tatsächlich ist Kristin Brinker – geboren 1972 in Bernburg in Sachsen-Anhalt – den Parteifreunden in Thüringen sicher näher als so mancher eher bürgerlich und westlich sozialisierte Mitstreiter in der Berliner AfD. So wurde sie auf dem Parteitag vor zwei Jahren bei ihrem knappen Sieg gegen Beatrix von Storch auch von Vertretern des offiziell aufgelösten rechtsextremen „Flügels“ unterstützt. 

In Berlin will niemand mit der AfD zusammenarbeiten

Dennoch sind die Unterschiede zwischen der AfD in Thüringen und der in Berlin fundamental. Und das liegt nicht nur daran, dass sich die Rechten der Hauptstadt als bürgerliche Alternative präsentieren wollen. Sie versuchen sich als Bündnispartner der CDU anzudienen, stoßen dabei jedoch stets auf kalte Schultern. Gemeinsam mit den Thüringern haben die Berliner AfDler also zumindest die Gewissheit, sehr allein dazustehen.

Kristin Brinker will sich davon auf dem Weg in die Mitte der Stadtgesellschaft nicht beirren lassen, wie sie sagt. Im Gegenteil bedeute der Erfolg von Thüringen doch „für die Berliner AfD, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, wie sie der Berliner Zeitung sagt. „Sonneberg beweist, dass wir tatsächlich eine Regierungsoption haben.“

Ob das stimmt, wird sich so bald freilich weder beweisen noch widerlegen lassen. Durch die Bildung der schwarz-roten Koalition nach der Wiederholungswahl befindet sich die Berliner CDU nicht mehr auf der verzweifelten Suche nach einem Partner, einer Machtoption. Dass sich das in den dreieinhalb Jahren bis zur nächsten regulären Abgeordnetenhauswahl grundlegend ändert, ist wenig wahrscheinlich. Je nach Zustand der großen Koalition – und abhängig vom Wahlergebnis – wird die CDU eher noch ernsthafter als zuletzt ein Bündnis mit den Grünen ausloten wollen. Daran wird auch die Behauptung der AfD, man habe bei der Bürgermeisterwahl im Parlament Kai Wegner erst ins Amt geholfen, nichts ändern.

Ohnehin wird sich die Berliner AfD darüber ärgern, dass die Wiederholungswahl für sie zu früh kam. Im Februar war die Stimmung noch nicht reif für größere Zuwächse. Zwar gab es leichte Zugewinne, die 9,1 Prozent waren jedoch das bei Weitem schwächste AfD-Ergebnis in allen Ost-Bundesländern.

Auch in Berlin ist die AfD im Osten erfolgreicher als im Westen

Und auch innerhalb Berlins bleiben die Unterschiede groß. Während die AfD in weiten Teilen des Berliner Ostens sicher zweistellig ins Ziel kam, blieb sie in den meisten West-Wahlkreisen einstellig. „Ich glaube, im Osten ist die grundsätzliche Skepsis gegenüber Regierungshandeln größer als im Westen“, sagt Brinker. Das gelte dort auch für bürgerliche Schichten.

Sie selbst landete in ihrem bürgerlichen Steglitzer Wahlkreis sogar hinter einer unbekannten Kandidatin der Linken und benötigte die Landesliste, um erneut ins Abgeordnetenhaus einziehen zu können.