Politik

AfD-Sieg in Sonneberg: Bodo Ramelow kann den Frust nicht verbergen

Tabubruch? Weltuntergang? Auf den Wahlsieg des AfD-Kandidaten im thüringischen Sonneberg reagieren viele Politiker betont gelassen. Dort, wo Wahlen bevorstehen, wächst die Nervosität.

Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen, gibt am Rande seiner Sommertour ein Pressestatement zum Ausgang der Landratswahl in Sonneberg ab. 
Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen, gibt am Rande seiner Sommertour ein Pressestatement zum Ausgang der Landratswahl in Sonneberg ab. Bodo Schackow/dpa

Man kann dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow an diesem Montag ansehen, wie angefressen er ist angesichts der Tatsache, dass sein Bundesland mal wieder im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht – wegen des AfD-Erfolgs im Landkreis Sonneberg. Ramelow ist im Rahmen seiner Sommertour nach Neustadt/Orla gekommen. Doch die angereiste Presse interessiert sich ausschließlich für die Geschehnisse etwa 100 Kilometer weiter, in Sonneberg.

Dort hatte der Kandidat der rechtsextremen Partei am Sonntag die Stichwahl für den Posten des Landrates gegen den Amtsinhaber von der CDU gewonnen. Es ist bundesweit das erste Mal, dass die AfD einen Landrat stellt; deshalb ist der Montag der Tag der Erklärungen.

Ramelow, der einzige Linke-Ministerpräsident, der eine Minderheitsregierung führt, im Landtag die Höcke-AfD gegen und im nächsten Jahr eine Wahl vor sich hat, versucht es mit einer gewissen Dialektik. Er freue sich über die Wahlbeteiligung, sagte er am Montagnachmittag. Der neue Landrat sei demokratisch legitimiert, doch dürfe man nicht vergessen, dass es sich hier um ein reines Verwaltungsmandat handle.

„Er kann nicht frei agieren und die AfD hat im Kreistag auch keine Mehrheit“, so Ramelow über die Gestaltungsmacht des neuen Landrates. Dennoch sei die Wahl ein „Tabubruch“. Er müsse Anlass sein, den Geist der deutschen Einheit neu zu definieren, wiederholt er seine Forderung vom Vortag. Die Wahl sei das Ergebnis eines Entfremdungsprozesses. Die Angleichung der Rentenpunkte in Deutschland-Ost und -West täusche nicht darüber hinweg, dass viele Brüche eben noch nicht repariert worden seien.

Montags tagen die Spitzengremien der Bundesparteien, und natürlich kommt keine am Thema Sonneberg vorbei. Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, wertet das Wahlergebnis als Dammbruch, ihre Amtskollegin bei den Grünen, Ricarda Lang, spricht von einer Warnung an alle demokratischen Kräfte, der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan von einem „Alarmsignal für die Demokratie“. Gleichzeitig beschwichtigen alle, betonen, dass es sich hier um ein lokales Ereignis handelt.

So hält es auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Morgen in der Bundespressekonferenz. Die Regierung kommentiere keine Landratswahlen, sagt er auf Fragen der Journalisten und wiederholt dann noch mal schnell, was er zuvor in einem ganz anderen Zusammenhang anlässlich der Special Olmpics gesagt hat: Deutschland ist ein starkes Land und eine starke Demokratie, in der Dinge im Diskurs ausgehandelt werden und Vielfalt als Stärke wahrgenommen wird. Alles ist in Ordnung.

Der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte schon am Vortag den Tweet des FDP-Abgeordneten Reinhard Houben geteilt, in dem dieser darauf hinweist, dass Regierungsverantwortung für die AfD dazu führen könnte, dass Fachkräfte womöglich bald einen großen Bogen um Deutschland machten.

In der Union ist das Bild uneinheitlich. Auf Twitter gratulierte die Junge Union Sonneberg dem AfD-Landrat und forderte eine „sachorientierte Politik für unseren Landkreis“. Der Tweet sorgte für einen kleineren Empörungssturm im Netz, löste aber keine Reaktion in der Bundespartei aus. Dort verlegte man sich darauf, die Schuld für den AfD-Erfolg bei der Ampel zu suchen. CDU-Generalsekretär Mario Czaja wies darauf hin, dass der Wahlkampf im Landkreis von bundespolitischen Themen überlagert wurde und der Wahlsieg der AfD mithin die Schuld der Ampelkoalition sei.

Nächstes Jahr gibt es Landtags- und Kommunalwahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Dort sieht man mit Unbehagen, dass die AfD vor einigen spektakulären Erfolgen stehen könnte. Die Brandenburger SPD kündigte daher mit Blick auf die Landtagswahl in 15 Monaten schon mal eine enge Kommunikation mit den Wählerinnen und Wählern an. „Es wird unsere Aufgabe für die Landtagswahl sein, den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, um welche Fragen es dabei geht“, sagte Brandenburgs SPD-Generalsekretär David Kolesnyk. Sie würden über die weitere Entwicklung des Landes entscheiden. „Die Wahl in Sonneberg zeigt, dass die Sorgen vieler Leute aktuell im demokratischen Lager nicht ausreichend Widerhall finden. Das ist Mahnung für Regierung wie demokratische Opposition.“