Stichwahl in Thüringen

AfD-Sieg in Sonneberg: So bewertet die Presse weltweit das Ergebnis

Der Sieg der AfD in einem kleinen Wahlkreis in Thüringen schlägt nicht nur in Deutschland hohe Wellen. Für einige steht nun Sonneberg für den Aufstieg der extremen Rechten.

Robert Sesselmann bei der AfD-Wahlparty am Sonntag
Robert Sesselmann bei der AfD-Wahlparty am SonntagMartin Schutt/dpa

Es ist zwar ein kleiner Landkreis in der ostdeutschen Provinz, die Stichwahl in Sonneberg hat es jedoch in die internationalen Schlagzeilen geschafft – wie blicken die Medien in Europa und weltweit auf den Wahlsieg des AfD-Mannes Robert Sesselmann am Sonntag

Viele Berichte und Analysen stimmen in einem Punkt überein: Es handele sich um eine politische Zäsur für die Bundesrepublik. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern war keine rechtspopulistische Partei bisher so weit von der politischen Macht entfernt wie die AfD in Deutschland.

In der Analyse des Wahlergebnisses werden in internationalen Berichten verschiedene Aspekte hervorgehoben. Einerseits versuchen sie zu nachzuzeichnen, wie der Aufstieg der AfD überhaupt möglich war, andererseits wird die Frage aufgeworfen, ob Sesselmanns Wahlsieg eine Art politischen Dammbruch bedeutet.

Sonneberg, die ostdeutsche Stadt, die für den Aufstieg der extremen Rechten steht“, schreibt etwa die spanische Tageszeitung El Pais und führt „Politikverdrossenheit, Misstrauen gegenüber der Zuwanderung und Angst vor der Wirtschaftskrise“ als Hauptgründe für den Wahlsieg der Rechten an.

Ähnlich argumentiert die italienische La Repubblica. Hier betont die Deutschland-Korrespondentin Tonia Mastrobuoni das Scheitern der gesamten Opposition, die gegen Sesselmann mobilisiert hatte: „Von der CDU bis zur Linken hatten alle Parteien die Wähler aufgefordert, wählen zu gehen, auch weil die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang niedrig war. Doch die Mobilisierung der ‚Demokraten gegen Nicht-Demokraten‘, wie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil es nannte, hatte den gegenteiligen Effekt. Die höhere Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang kam vor allem dem Kandidaten der extremen Rechten zugute“, schreibt sie.

Amerikanische Medien, wie etwa die New York Times, richten den Fokus auf den allgemeinen politischen und ökonomischen Kontext, der den Aufstieg der Rechten möglich gemacht hat: „Nach Jahrzehnten des Nachkriegswohlstands kämpft Deutschland darum, sein industrielles Exportmodell aus dem 20. Jahrhundert in eine digitalisierte Wirtschaft umzuwandeln, die dem Klimawandel und der Konkurrenz von Mächten wie China standhalten kann“, schrieb die Korrespondentin Erika Solomon bereits vor der Stichwahl in Sonneberg und betonte, wie Zukunftsängste zum Erfolg der AfD beigetragen hätten: „Die AfD, eine Partei, die vor allem durch Kritik an der Zuwanderung Unterstützung fand, hat neue Anziehungskraft als Verteidigerin der wirtschaftlich prekären Klasse in Deutschland gefunden.“

Die AfD setzt auf Stimmen aus der ehemaligen DDR

„Der Damm ist gebrochen.“ Der Korrespondent der französischen Tageszeitung Le Monde greift die Worte auf, mit denen der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster auf den Wahlsieg der AfD am Sonntag in Sonneberg reagierte. „Der Anstieg der Wahlbeteiligung von 49,1 % auf 59,6 % zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang kam dem AfD-Kandidaten zugute“, schreibt Thomas Wieder in Bezug auf Robert Sesselmann. „Der 50-jährige Jurist, der bereits Mitglied der Thüringer Landtagsfraktion war, hatte mit der Bevorzugung nationaler Themen zulasten lokaler Belange Wahlkampf gemacht, mit Plakaten, auf denen vor allem zu lesen war: ‚Grenzen schützen‘, ‚Schluss mit der Euro‘, ‚Senken Sie die Mehrwertsteuer‘, ‚Diesel ist toll‘ oder auch: ‚Für Friedensverhandlungen und gegen die Sanktionspolitik [gegen Russland]‘.“

„In drei Bundesländern der ehemaligen DDR, in Thüringen, aber auch in Sachsen und Brandenburg, der Region um Berlin, finden im nächsten Jahr Landtagswahlen statt. Auf diese Stimmen setzt die AfD, um ihren Durchbruch zu schaffen“, schreibt der staatliche französische Fernsehsender France 24 auf seiner Website. Außerdem nennt er den AfD-Wahlsieg ein „Novum, das den Umfrage-Schub der Partei ein Jahr vor den Landtagswahlen in mehreren Bundesländern bestätigt“.

Israelische Medien besonders besorgt über Aufstieg der AfD in Deutschland

In Israel teilt man die Sorge vieler deutschen Kommentatoren über das Wahlergebnis in Sonneberg: „Die Möglichkeit, dass die AfD den Sprung in die Regierung schaffen könnte, hat viele Kritiker alarmiert, die die Partei als fremdenfeindlich und antidemokratisch ansehen“, schreibt die Zeitung Haaretz.

Die Seite Israel News erinnert in diesem Zusammenhang an die Worte des damaligen AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, der 2018 den Nationalsozialismus als „‚nur ein Vogelschiss‘ in 1000 Jahren deutscher Geschichte“ bezeichnet hatte.

Auch die österreichische Kronen-Zeitung spricht von einem Sieg mit hoher Symbolwirkung, besonders für eine Partei, „die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Politikwissenschaftler sind sich auch größtenteils einig, dass die Ausgrenzungsstrategie der anderen Parteien nicht fruchtet.“

„Aufgrund der Nazi-Vergangenheit des Landes besonders heikel“

„Es ist der jüngste Erfolg der Partei, die auf einer Welle der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der schwierigen Koalition des sozialdemokratischen Kanzlers Olaf Scholz mit den Grünen und Freien Demokraten (FDP) reitet, die von internen Machtkämpfen über Politik und Haushalt geprägt ist“, berichtet die internationale Nachrichtenagentur Reuters in einer ersten Auswertung des Wahlergebnisses, die von vielen Medien weltweit übernommen wurde. „Während rechtsextreme Parteien in ganz Europa an Boden gewonnen haben, ist die Stärke der AfD in Deutschland aufgrund der Nazi-Vergangenheit des Landes besonders heikel.“

„Sonneberg hat mit 56.800 Einwohnern eine relativ kleine Bevölkerung, aber der Sieg ist ein symbolischer Meilenstein für die Alternative für Deutschland“, schreibt die Agentur Associated Press. „Obwohl sie von den Mainstream-Parteien weitgehend gemieden wird, hat sie sich als dauerhafte Kraft etabliert, insbesondere im ehemals kommunistischen und weniger wohlhabenden Osten.“

Die Korrespondentin des niederländischen Nationalsenders NOS berichtet, dass Landratswahlen nicht unbedingt die Chancen der Partei auf nationaler Ebene widerspiegeln. Allerdings: Die anderen Parteien „hadern schon seit längerem mit der Frage, wie sie mit der AfD umgehen sollen: Eine ‚Brandmauer‘ errichten, um sie auszuschließen, oder mehr Anschluss suchen, weil die Partei offenbar bei immer mehr Menschen Anklang findet?“