Berlin-Einen Tag nach seiner denkwürdigen Pressekonferenz bleibt der CDU-Vorsitzende Armin Laschet erst mal in Deckung. Mit der Presse spricht er nur kurz vor der Sitzung der nordrhein-westfälischen Landesgruppe der CDU-Fraktion. „Warten Sie ab“, sagt er der Deutschen Presseagentur. Es geht dabei um den Posten des Fraktionsvorsitzenden. Aber eigentlich wartet das politische Berlin auf etwas ganz anderes. Wann gibt Armin Laschet auf?
Nach der erwähnten Pressekonferenz und der CDU-Bundesvorstandssitzung am Wochenbeginn mehren sich die Rücktrittsforderungen. Sie kommen allerdings – noch – aus der zweiten Reihe. Im Fernsehstudio eines Privatsenders sitzt Ellen Demuth. Sie ist Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz und hat mit einem Tweet die erste Protestwelle der CDU gegen ihren Vorsitzenden ins Rollen gebracht. Darin hatte sie sich direkt an Laschet gewandt: „Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht“, schrieb sie am Montagnachmittag. „Wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab und treten Sie zurück.“ Laschet hat aber noch keine Einsicht gehabt. Deshalb gibt Ellen Demuth am Dienstagvormittag dieses Interview.
Sie habe die Pressekonferenz von Laschet im Zug gesehen und „sehr irritierend“ gefunden. Koalitionsverhandlungen stünden nur den Erstplatzierten zu. Die Union aber habe eine „Niederlage mit Ansage eingefahren“. Der Tweet sei spontan entstanden, sagt die junge Abgeordnete. Er passt aber trotzdem ganz prima zum Vorstoß des CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Röttgen, der sich ebenfalls am Montag für eine umfassende Erneuerung der CDU ausspricht. Dass Demuth und Röttgen einer Meinung sind, ist nicht verwunderlich. Die 39-jährige Landespolitikerin war als Generalsekretärin vorgesehen, falls Röttgen die Wahl zum CDU-Vorsitzenden gewonnen hätte. Vielleicht kommt die Chance jetzt noch mal.
Es gibt jedenfalls viele Abgeordnete, die nicht nur Laschet bereits abgeschrieben haben, sondern auch den gesamten Parteivorstand. Öffentlich kundtun will das am Dienstag noch keiner. Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann sagt, man dürfe es sich nicht zu einfach machen und behaupten, dass die Wahlniederlage nur an einer Person gehangen habe. Es müssten sich auch „Grandseigneurs und Kandidatenmacher“ fragen, ob sie in den vergangenen Monaten alles zum Wohl der Partei unternommen hätten. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass Parteivorstand und Präsidium Laschets Pläne für Jamaika-Sondierungen am Montag angesichts der eindeutigen Wahlniederlage „einhellig“ unterstützten, wie dieser versicherte. Stürzt er, stürzen sie alle vermutlich mit ihm.
Für Markus Söder gilt diese Rücksichtnahme nicht. Er ist am Dienstag in die Hauptstadt gekommen, weil sich am Nachmittag auch die CSU-Landesgruppe der Bundestagsfraktion zur konstituierenden Sitzung zusammenfindet. Söder gehört ihr nicht an, aber ohne den CSU-Chef geht ja bekanntlich gar nichts mehr. Und so steht er kurz nach 15 Uhr in der Bayerischen Landesvertretung in Mitte und gratuliert zunächst einmal Olaf Scholz zum Wahlsieg. Er tut dies ausdrücklich als CSU-Chef, weil es bisher noch nicht ausreichend erfolgt sei. Das ist ein klarer Seitenhieb gegen Laschet, der am Vortag die SPD nur erwähnt hatte, um klarzumachen, dass beim Wahlergebnis ihr Abstand nur ein ganz minimaler sei. Eine Gratulation an Scholz hatte Laschet sich gespart.
Auf die Frage, warum er nicht gleich den Rücktritt des CDU-Vorsitzenden fordere, reagiert Söder empört. Betont empört. Es sei schließlich eine reine Stilfrage, dass man dem Wahlgewinner gratuliere, echauffiert er sich. Er könne ja gar nichts mehr sagen, ohne dass es missinterpretiert werde. „Das sind Albernheiten in dieser ernsten Situation, in der sich unser Land befindet“, erklärte er. Die Botschaft ist überdeutlich: Die CSU ist in der Union der Garant für Ordnung und Besonnenheit. Und sie ist im Fraktionsgefüge mächtiger geworden. 45 der 46 Direktmandate hat die CSU in Bayern gewonnen, sie zieht wieder in nahezu alter Stärke in den Bundestag ein, während bei der CDU 50 Mandate wegfielen.
Aus dem Wahlergebnis lasse sich ein Auftrag zur Regierungsbildung nicht legitimieren, sagt Söder am Dienstagnachmittag . Aber es gebe natürlich weiterhin die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. „Wir müssen Haltung zeigen“, mahnt der bayerische Ministerpräsident staatsmännisch. „Wir glauben nicht, dass die Ampel beste Chancen für Deutschland bietet. Aber es ist verständlich, dass das zunächst verhandelt wird.“ Sollte sie dennoch scheitern, könnte man über Jamaika verhandeln, allerdings nicht bis zur Selbstaufgabe. Die CSU habe schon mal „eine Matrix erarbeitet für Gespräche, wenn sie denn überhaupt stattfinden“.
Söder übernimmt also die Sondierung, wenn es doch noch darum gehen sollte, dass eine Regierungskoalition unter Unionsführung gebildet wird. Ob er in so einem Fall als Kanzler nach Berlin wechseln würde, wird er prompt gefragt. Die Antwort ist alles, nur kein Dementi. „Ich lese so vieles“, antwortet er. Ob einem das schmeichele, sei doch irrelevant. Das Wahlergebnis sei nun mal so. Man müsse sehen, wie man daraus seine eigene Energie ziehe. Da ist er wieder, der Söder, der in der Krise auflebt. Corona geht, aber jetzt braucht ihn die strauchelnde Union.
Söder vor der Fraktionssitzung: "Das wird noch ein interessanter Tag"
Die muss zunächst aber erst mal den aktuellen Tag überstehen. Die Union trifft sich am Abend zu ihrer konstituierenden Fraktionssitzung. „Das wird noch ein interessanter Tag“, sagt Söder grinsend und zu den Journalisten gewandt: „Sie werden sicher gleich mit dabei sein?“ Die Sitzung ist natürlich nicht öffentlich, doch immer wieder informieren Teilnehmer daraus quasi in Liveschalten nahestehende Medienvertreter, die ihre Informationen bereitwillig auf Twitter teilen.
Am Abend diskutiert die Unionsfraktion etwa zwei Stunden. Es gibt Kritik an Laschet, aber von einer richtigen Abrechnung kann man nicht sprechen. Die meisten bleiben in Deckung, vorerst. Gitta Connemann allerdings lässt sich nicht abschrecken und fragt nach, wer denn nun die Verantwortung übernehme.
Brinkhaus: Laschet wird nicht Fraktionsvorsitzender werden
Eine Antwort darauf ist vermutlich der Kompromiss, den man bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden schließt. Am Vortag hatte Laschet vorgeschlagen, sie zu verschieben. Brinkhaus solle zunächst kommissarisch im Amt bleiben. Das wurde so verstanden, dass sich Laschet die Option offenhalte wolle, selbst anzutreten, falls es mit Jamaika nichts wird. Brinkhaus hatte allerdings angekündigt, sich am Dienstag auf jeden Fall zur Wahl zu stellen. Doch die Kampfkandidatur fällt aus. Stattdessen gibt es den Beschluss, die Funktion für ein halbes Jahr statt für ein ganzes zu besetzen. Dann wird Ralph Brinkhaus wiedergewählt. Er tritt nach der Sitzung gemeinsam mit Alexander Dobrindt, dem Chef der CSU-Landesgruppe, vor die Presse. Weder Söder noch Laschet lassen sich blicken. Die seien schon zu weiteren Gesprächen unterwegs, sagen die beiden Fraktionschefs, die ansonsten ihre Gemeinsamkeiten betonen.
Man wolle jetzt ein Gesprächsangebot machen, sagt Brinkhaus und meint die gewünschten Sondierungen zum Jamaika-Bündnis. Die Union scheint sich daran zu klammern wie an einen Strohhalm. Bis die Hoffnung endgültig zerbirst, wird es offenbar auch für Armin Laschet weitergehen. Es ist auch seine einzige Option. Laschet werde mit Sicherheit nicht als Oppositionsführer kandidieren, sagte Brinkhaus am Abend in den Tagesthemen.
Es sei klar, dass man die CDU erneuern müsse, sagt der Berliner Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann nach der Sitzung zur Berliner Zeitung. Doch die CDU habe gezeigt, dass die sie einigungsfähig sei. Seine Partei vergleicht er mit einem Haus, das sanierungsbedürftig ist. „Aber während man renoviert, muss man drin wohnen bleiben können", so Heilmann.



