Wird Donald Trump der Präsidentschaftskandidat der republikanischen Partei und erneut gegen den Demokraten und derzeitigen Präsidenten Joe Biden antreten? Oder haben die Skandale, der Sturm auf das Kapitol, die Anklage des Generalstaatsanwalts in New York wegen vermeintlich illegaler Schmiergeldzahlungen in Trumps Wahlkampf dazu geführt, dass sich die republikanische Partei am Ende für einen anderen Kandidaten entscheidet?
Die New York Times folgt dieser Frage laufend mit einer luziden Berichterstattung. Eine besonders aufschlussreiche Analyse hat Astead W. Herndon im New-York-Times-Podcast The Daily vorgestellt. Der Journalist war im Januar 2023 beim Republican National Committee Meeting in Kalifornien im Waldorf Astoria Monarch Beach Hotel und hat dort viele Republikaner nach ihren Präferenzen und Einstellungen hinsichtlich Donald Trump gefragt. Die Einsichten sind extrem erhellend, auch für deutsche Beobachter.
Trumps Impfkampagne habe ihm zum Teil geschadet
Die erste Überraschung in der Analyse ist die Tatsache, dass Donald Trump durchaus ernst zu nehmende Kritiker in den republikanischen Reihen hat. Nach vier Jahren Präsidentschaft soll es laut New York Times Wähler innerhalb der republikanischen Basis geben, die genervt sind von der ewigen Konzentration auf die Person Donald Trump. Vielen sei das „America First“-Prinzip wichtiger und sie suchten nach einem Anführer, der dieses Prinzip umsetzen könne.
Auch in der Vergangenheit waren entscheidende Fraktionen bei den Republikanern genervt davon, dass sich Trump als Person in den Mittelpunkt rückte und ständig auf die vermeintlich manipulierten Präsidentschaftswahlen von 2020 verwies. Viele Wähler hätten den Anspruch, nach vorne zu schauen, und wollten vor allem über die Verbesserung der ökomischen Lage in den USA und ideologische Fragen diskutieren. Dann gäbe es noch einen Anteil an Republikanern, die Trump nach vier Jahren Präsidentschaft als Repräsentanten der Elite wahrnehmen würden. Das Interessante: Trumps positive Einstellung gegenüber der Covid-19-Impfung habe ihm in dieser Wählergruppe geschadet.
30 bis 35 Prozent der Republikaner stehen hinter Donald Trump
Die Wahlen während der Republican Party Presidential Primaries werden darüber entscheiden, welcher Kandidat am Ende bei der Republican National Convention vom 15. bis 18. Juli 2024 in Milwaukee, Wisconsin, zum Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei gewählt und ernannt wird. Die aussichtsreichsten Kandidaten sind momentan Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, und eben Ex-Präsident Donald Trump.
Astead W. Herndon verweist in seiner Analyse darauf, dass die republikanische Partei vor der Herausforderung stehe, dass etwa 30 bis 35 Prozent der republikanischen Wähler hinter Donald Trump stehen. Egal wer Präsidentschaftskandidat der republikanischen Partei werde, er werde diese 30 bis 35 Prozent positiv ansprechen müssen, um gewählt zu werden. Gleichzeitig schreckt Donald Trump sogenannte Wechselwähler ab, die eigentlich republikanisch wählen würden, wenn nicht Trump der Kandidat wäre. Die Midterm-Wahlen im Jahr 2022, die für die Republikaner ungünstig ausgegangen sind, seien ein Indiz für diese Hypothese, so die New York Times.
„Donald Trump ist Teil der Lösung“
Der Republikaner Henry Barbour fasst die Konsequenzen aus der Niederlage folgendermaßen zusammen: „Wenn man sich den 2022er-Wahlzyklus ansieht, kann man meiner Meinung nach daraus eine Lehre für den 2024er-Wahlzyklus ziehen: Unsere republikanischen Kandidaten, die sich auf die Zukunft konzentrierten, die sich auf die innere Politik konzentrierten, schnitten im 2022er-Wahlzyklus viel, viel besser ab als die Kandidaten, die in der Vergangenheit versackt sind, und insbesondere diejenigen, die nur über die Wahlen von 2020 sprachen.“
Der Republikaner Barbour spricht aus, was viele Republikaner denken: Die Partei wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie beides tut: Wenn sie sich hinter Donald Trump stellt, egal ob er nun der Präsidentschaftskandidat werden wird oder nicht, und sich zugleich auf den „America First“-Aspekt besinnt, auf die Themen der Zukunft und vor allem auf die ökonomische Lage des Landes. Nur so werde man Joe Biden schlagen können. „Donald Trump ist Teil der Lösung“, sagt Henry Barbour im Podcast der New York Times.
Donald Trump: „Ich bin eure Vergeltung!“
Was muss also Donald Trump tun? Astead W. Herndon hat mit Trump-Unterstützern der republikanischen Basis gesprochen und sie waren in ihren Aussagen sehr eindeutig: Trump müsste endlich die Vergangenheit hinter sich lassen, seinen Schmerz hinsichtlich der Wahlniederlage von 2020 verarbeiten und sich auf die Probleme der Zukunft konzentrieren. Genannt wurden die Stichpunkte „unkontrollierte Migration“ und „Wirtschaft“. Das „America First“-Prinzip also. Darauf müsste sich Trump konzentrieren, um bei den Primaries und am Ende die Wahlen gewinnen zu können.
Das Erstaunliche sei, so die New York Times, dass Donald Trump anscheinend diese Lehre umzusetzen beginne. Als Wendepunkt im Kampf um die Nominierung sei seine Rede bei der Conservative Political Action Conference im März 2023 zu bezeichnen. Dort habe sich Trump auf jene Punkte konzentriert, die seine alten Unterstützer wieder motivieren würden.
Er sprach dort über die zu teure Unterstützung für die Ukraine, die fatale Migrationspolitik der Biden-Administration, die zu hohen Steuern, die laxe China-Politik der Demokraten. Er erinnerte daran, dass er als einer der wenigen Präsidenten in der Geschichte der USA keine neuen Kriege entfacht und alte Kriege befriedet hätte. Er hat alle Punkte, die auf die Zukunft gerichtet sind, angesprochen und eine gute Rede gehalten, zumindest aus Sicht der Basis. Es fielen Sätze wie: „Im Jahr 2016 habe ich erklärt: ‚Ich bin eure Stimme.‘ Heute füge ich hinzu: ‚Ich bin euer Kämpfer, ich bin eure Gerechtigkeit.‘ Und für diejenigen, denen Unrecht geschehen ist und die betrogen wurden: ‚Ich bin eure Vergeltung.‘“
62 Prozent Unterstützung für Donald Trump
Michael Barbaro von der New York Times bewertet diese Passage als Schlüsselmoment, als Augenblick, in dem Donald Trump der republikanischen Basis erklärt habe, dass er deren aktuelle Sorgen und Nöte verstehe und darauf reagieren wolle. Dass er sich nicht länger auf die Vergangenheit konzentrieren möchte, sondern auf die Zukunft – und er wieder jene Stimme sein wolle, die den Bedürfnissen der republikanischen Wähler gerecht werde.
Das Ende der Konferenz bestätigt die Hypothese, dass die Republikaner dies mit Unterstützung goutieren. Eine Umfrage wurde unter den Teilnehmern der CPAC-Konferenz durchgeführt, die ein guter Spiegel der Stimmungslage bei den Republikanern sei. Die Teilnehmer wurden gefragt, wen sie sich als Nominierten für die Präsidentschaftswahlen von 2024 wünschen würden: 62 Prozent haben sich für Donald Trump ausgesprochen. In der CPAC-Konferenz von 2022 waren es noch 59 Prozent. Man sehe also, dass Donald Trumps Strategie zu wirken beginne. Nur 20 Prozent haben für Ron DeSantis gestimmt.
Trump hat die republikanische Partei nachhaltig geprägt
Das Problem für den Herausforderer: Ron DeSantis habe keine Themen gefunden, die er exklusiv besetzen könne. Seine Anti-Woke-Kampagne würde nur Argumente Donald Trumps weiterführen. Die Republikaner, die nicht hinter Donald Trump stünden, seien so divers in ihren Anschauungen, dass es momentan keine Themen gebe, die sie vereinen und in der Summe für Donald Trump gefährlich werden könnten.
„Kann man Donald Trump hinter sich lassen?“ Astead Herndon möchte diese Frage aus dem Katalog journalistischer Fragen gestrichen sehen. Für ihn gibt es keine republikanische Partei ohne Donald Trump, ob Trump nun als Präsidentschaftskandidat aufgestellt werden wird oder nicht. Der Trumpismus lebt weiterhin, die republikanische Partei sei so geprägt von Donald Trump, dass ein Kandidat auf Trumps Tradition aufbauen müsse, falls er irgendwie vorankommen wolle.
Der Trumpismus lebt
Der einzige Aspekt, der auf Trumps Erfolgsaussichten Einfluss nehmen könnte, ist die New Yorker Anklage gegen ihn. Falls ein Gericht ihn schuldig sprechen sollte, könnte dies die Wahlen entscheidend prägen. Trumps Gegner dachten, dass die Anklage gegen Trump ihnen helfen würde. Aber es war eher umgekehrt: Trump konnte sein Narrativ weiter perfektionieren, dass eine mächtige Elite ihn ausstechen möchte. Nach der Anklageerhebung in New York hat Trump sogar einen Zuwachs an Spendengeldern verzeichnen können. Welchen Effekt die Anklage am Ende auf die Wahlen haben wird, kann aber niemand sagen. Dies sei unbeschrittenes Territorium, so Astead Herndon von der New York Times.
Eine Botschaft müsse man nun aber kommunizieren: Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass der Trumpismus nicht vorbei sei, so sehr sich dies die liberalen Kräfte in Amerika wünschen würden. Egal wer die Nominierung am Ende bei den Republikanern gewinnt: Für die nächsten Jahre werden die Amerikaner mit dem Trumpismus weiter zurechtkommen müssen.












