Metal

Glitzer, Feuer, Nagellack und Macho: Wie war das Metallica-Konzert in Hamburg?

In Berlin werden Metallica 2023 kein Konzert mehr spielen. Die Hardcore-Fans sind deshalb nach Hamburg gepilgert. Doch dort war längst nicht alles toll. Woran lag es?

Metallica: Schlagzeuger Lars Ulrich und Sänger James Hetfield beim Hamburg-Konzert.
Metallica: Schlagzeuger Lars Ulrich und Sänger James Hetfield beim Hamburg-Konzert.Marcus Brandt/dpa

Ob man Metallica nun mag oder nicht: An der Ballade „Nothing Else Matters“ kommt man einfach nicht vorbei. Fast jeder kann die Melodie wohl mitsummen. Noch erfolgreicher als das Original war die Live-Aufnahme mit dem San Francisco Symphony Orchestra, sie stand 1999 auf Platz zwei der deutschen Charts. Eins ist sicher: Besonders diesem Hit haben viele Fans vor den beiden Hamburg-Konzerten (mit komplett unterschiedlichen Setlisten) im Volksparkstadion entgegengefiebert. Theoretisch hätte der heiß ersehnte Song beim ersten der Auftritte am Freitagabend in Hamburg an zehnter Stelle stehen müssen; so ist es zumindest zuvor bei den Gigs in Paris und Amsterdam gewesen.

In Hamburg allerdings hat Metallica das Programm kurzerhand getauscht und den zweiten Programmteil vorgezogen. Will heißen: kein „Nothing Else Matters“ zum Auftakt. Das ist nicht die einzige Überraschung. Auch sonst halten sich die Heavy-Metal-Ikonen nur bedingt an den ursprünglichen Ablaufplan. „Cyanide“ und „King Nothing“ müssen „Leper Messiah“ und „Until It Sleeps“ weichen. Nicht bloß diese beiden Nachrücker hauen die Musiker dem Publikum in voller Lautstärke um die Ohren. Der Bass wummert durch den gesamten Körper, immer wieder. Selbst mit Ohrstöpseln ist es richtig laut. Das scheint auch James Hetfield aufzufallen, er ruft ins Publikum: „Hoffentlich klingen wir gut für euch.“ Ehrlich gesagt, es könnte besser sein. Oftmals verschwimmt der Sound – schade!

Das ist nicht das einzige Manko. Man tut sich mit dem Bühnendesign schwer. Die Musiker spielen auf einem großen kreisförmigen Steg, im Inneren befindet sich der sogenannte Snake Pit für die Hardcore-Fans. Dieses Konstrukt separiert die Akteure die meiste Zeit über. Jeder scheint sehr auf sich selbst fokussiert zu sein. Zuweilen wirken die Musiker beinahe verloren. Während der mittlerweile weißhaarige Sänger James Hetfield auf der einen Seite seine Wut ins Mikrofon brüllt, tobt sich Robert Trujillo an anderer Stelle an seinem Bass aus – gefühlt kilometerweit entfernt. Es ist gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten, wer sich gerade wo tummelt. Nicht einmal Lars Ulrich bleibt auf einer Position. Sein Schlagzeug fährt an verschiedenen Stellen aus dem Boden, das sorgt mehrfach für Unterbrechungen und stört den Flow.

Rauch und Knall: Metallica auf M72 World Tour im Volksparkstadion Hamburg

Vielleicht ist das Publikum deshalb lange Zeit recht zurückhaltend. In den Rängen stehen die Menschen zwar, doch sie bewegen sich selten. Sogar in der Menge macht man nur vereinzelt Moshpits aus. Zum Beispiel bei „Battery“. In dieser Nummer aus dem Jahr 1986 bauen sich breite Gitarrenwände auf, dabei ist nicht nur Kirk Hammett voll in seinem Element. Er verkörpert den Metal-Musiker, wie er im Bilderbuch steht: lange Haare, enge Hose, grüne Lederjacke, Glitzerturnschuhe, schwarzer Nagellack. Wenn er kraftvoll in die Saiten seines Instruments greift, steht er am liebsten machohaft breitbeinig da.

James Hetfield von der Band Metallica singt auf der Bühne im Volksparkstadion.
James Hetfield von der Band Metallica singt auf der Bühne im Volksparkstadion.Marcus Brandt/dpa

Das soll seine Leistung natürlich nicht schmälern, ohne Zweifel zählt er zu den besten Metal-Gitarristen weltweit. Es ist auf jeden Fall faszinierend, ihn auf einem der acht Bildschirme zu beobachten, die wie Lampions aussehen. Weiteres Dekor gibt es nicht. Metallica gehört eben nicht zu den Bands, die viel Firlefanz brauchen. Immerhin leuchten bei „Moth Into Flame“ Feuerfontänen auf. Ist da noch eine Steigerung möglich? Ja! Rauchschwaden ziehen durch das Stadion, als die ersten Takte von „One“ erklingen. Knallkörper explodieren, abermals schießen Feuerfontänen gen Himmel. Soldaten marschieren über die LED-Wände, „Wake up, America“ steht über ihnen.

So geht es musikalisch durch verschiedene Dekaden – bis zu „72 Seasons“, dem Titelsong des neuen Nummer-eins-Albums. Genau wie „If Darkness Had A Son“ und „You Must Burn!“ beweist der Song: Das Wort Altersmilde haben die Amerikaner aus ihrem Vokabular gestrichen. Für einen ruhigen Moment sorgt eher ein alter Bekannter: „The Unforgiven“. James Hetfield wechselt dafür zur akustischen Gitarre. Plötzlich gehen unzählige Mobiltelefon-Taschenlampen an. Man fühlt sich wie im siebten Sternenhimmel.

An „Whiskey in the Jar“ schätzt die Masse zweifellos vor allem das Mitsingpotenzial. Als Metallica in der Zugabe ganz zum Schluss „Enter Sandman“ anstimmt, ist die Euphorie auf dem Höhepunkt. Die Leute klatschen mit, sie sind begeistert. Gerade dieser Klassiker zeigt, wie gut Metallica ihr Metier beherrschen. Mit diesem fulminanten Finale reißen sie das Ruder noch einmal herum. Am Ende gehen die meisten Fans nach rund zwei Stunden offensichtlich glücklich nach Hause. Obwohl nicht alles perfekt war.