Kai Wegner muss aufpassen. Er muss aufpassen, dass er nicht vergisst, wieso er die Wahl gewonnen hat. Die CDU lag am Ende nicht zehn Prozentpunkte vor der Konkurrenz, weil Wegner sich für mehr Radwege und elektrifizierten Verkehr aussprach oder die Weltoffenheit Berlins und die Vielfalt der Lebensentwürfe pries, wie er es am Montagvormittag bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags plötzlich tat. Nein, Kai Wegner und die CDU haben diese Wahl mit einem harten Ton in Reaktion auf die Silvesterausschreitungen gewonnen.
Die CDU hatte auf Landesebene und auf Bundesebene klare Kante im Umgang mit verschleppten Problemen wie gescheiterter Integration gezeigt. Wegner selbst verteidigte die Abfrage der Vornamen der Tatverdächtigen immer wieder. In Umfragen begrüßten die Bürger das. Und das Chaos an Silvester fügte sich in den anhaltenden Dilettantismus von Rot-Grün-Rot; Stichwörter Friedrichstraße und Wahlwiederholung.
Wieso redet Wegner so wohlwollend über den Volksentscheid?
Auf allen Themengebieten von Sicherheit über Verkehr bis hin zum Bauen lautete die Ansage der CDU: Wir nennen Probleme beim Namen, wir experimentieren nicht, wir schaffen Ordnung. Mit dieser Strategie gewann sie übrigens auch unter muslimischen Wählern – bei denen die Grünen hinter der Linkspartei landeten.
Doch von dieser Gangart war am Montag nur noch wenig übrig. Plötzlich klang Kai Wegner selbst sehr grün. Ganz große Investitionen würde man in den Klimaschutz tätigen. „Auch wenn der Volksentscheid keine Mehrheit gefunden hat, wissen wir doch, wie wichtig das Thema für viele Berlinerinnen und Berliner ist.“ Es gehe ja auch um Lebensqualität in der Stadt. Klimaschutz soll als Staatsziel in der Verfassung verankert werden. Spricht hier Fridays for Future?
Auf die Causa der Vornamen von einem Journalisten angesprochen, erklärte Wegner sogar: „Am 12. Februar um 18 Uhr war der Wahlkampf vorbei.“ Ganz so, als wäre ihm bewusst, dass er seine neuen Prioritäten rechtfertigen muss bei denen Polizei und Feuerwehr erst an dritter Stelle in seinen Ausführungen vorkamen und die Justiz gar nicht.
Die SPD hat ihre Ziele nicht vergessen – und setzt sich durch
Die SPD hat jedenfalls nicht vergessen, wofür sie im Wahlkampf warb: Der landeseigene Mindestlohn wächst bald automatisch, es soll milliardenschwere Rekommunalisierungen geben und das unbefristete 29-Euro-Ticket – eine Erfindung von Giffey – kehrt zurück. Den Genossen gelang es auch, trotz zehn Prozentpunkten Unterschied, beim Wahlergebnis genauso viele Senatorenposten zu erhalten wie die Union.
Sicher, der Koalitionsvertrag sieht auch in Sachen Law and Order manches vor. Von Bodycams und längerem Polizeigewahrsam über schnellere Justizverfahren bis hin zu mehr Sauberkeit und einem größeren Fokus auf Clan-Kriminalität. Aber eigentlich waren das schon Forderungen der Giffey-SPD. Sie konnte sie nur bisher mit Grünen und Linken nie umsetzen. Darüber hinaus setze die CDU nichts wichtiges durch.




