Pressekonferenz in Moskau

Putin-Show zum Jahresende: Kreml bleibt hart in Ukraine-Fragen

Der Kremlchef dämpft bei seiner Jahrespressekonferenz die Hoffnungen auf ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges. Doch Putin spricht nicht nur über den Westen und die Nato.

Die große Jahrespressekonferenz mit Putin findet dieses Jahr im Gostiny Dwor in Moskau statt.
Die große Jahrespressekonferenz mit Putin findet dieses Jahr im Gostiny Dwor in Moskau statt.Alexander Nemenov/AFP

Großes Medienspektakel in Moskau: Auf seiner traditionellen Jahrespressekonferenz, die knapp unter 4 Stunden und 30 Minuten dauerte, zeigte sich der Kremlchef Wladimir Putin unbeeindruckt von den Berliner Ukraine-Gesprächen. Zwar sehe Moskau erste Signale aus Kiew für eine grundsätzliche Dialogbereitschaft, zugleich betonte Putin jedoch, dass die Ukraine bislang nicht bereit sei, über territoriale Fragen zu verhandeln. „Wir bleiben dennoch zu Gesprächen bereit – allerdings nur auf Grundlage der bereits 2024 vom Außenministerium formulierten Positionen“, erklärte Putin. Der Ball liege aufseiten der Ukrainer und Europäer.

Zu den Forderungen Russlands zählen die Anerkennung der russischen Kontrolle über annektierte Gebiete im Osten der Ukraine, ein Verzicht Kiews auf einen Nato-Beitritt sowie die Demilitarisierung und „Entnazifizierung“ der Ukraine. Militärisch reklamierte der Präsident die „strategische Initiative“ für die russischen Streitkräfte, die nach seinen Angaben an allen Frontabschnitten in der Ukraine vorrückten, während sich die ukrainischen Truppen zurückzögen. „Ich versichere, dass wir bis zum Ende des Jahres weitere Erfolge unserer Streitkräfte entlang der Frontlinie erleben werden“, sagte Putin. Seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj nannte er wiederholt einen „talentierten Schauspieler“. Damit bezog sich Putin auf Selenskyjs Karriere, bevor jener in die Politik wechselte.

Putin: EU-Pläne zum Russen-Vermögen sind „Raub“

Putin verkündete während der Pressekonferenz, dass seit Jahresbeginn mehr als 400.000 Russen Verträge mit den russischen Streitkräften unterzeichnet hätten. Besonders gefragt seien dabei die neu geschaffenen Einheiten der Drohnenkräfte. Laut dem Präsidenten melden sich zahlreiche junge Menschen, darunter auch Studierende, die ein Urlaubssemester nehmen, um als Drohnenoperatoren an Kampfhandlungen teilzunehmen. Das Verteidigungsministerium müsse aufgrund der hohen Nachfrage sogar Auswahlverfahren durchführen.

Die große Jahrespressekonferenz mit dem russischen Präsidenten ist auch in diesem Jahr mit dem TV-Format „Der direkte Draht“ kombiniert.
Die große Jahrespressekonferenz mit dem russischen Präsidenten ist auch in diesem Jahr mit dem TV-Format „Der direkte Draht“ kombiniert.Mihail Metzel/imago

Deutliche Worte fand Putin zu den in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerten. Versuche Brüssels, diese einzuziehen oder zu konfiszieren, bezeichnete Putin als „Raub“. Eine Enteignung russischer Staatsgelder würde nach seinen Worten das Vertrauen in den europäischen Kontinent nachhaltig beschädigen, da damit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen würde. Russland werde im Falle einer Beschlagnahmung rechtlich dagegen vorgehen und seine Interessen vor Gerichten verteidigen, die nicht von politischen Entscheidungen abhängig seien, betonte Putin. Zugleich kündigte er an, Europa werde die aus russischen Vermögenswerten entnommenen Gelder langfristig zurückzahlen müssen.

Auf die Frage eines britischen Journalisten nach der Zukunft Russlands und möglichen Entwicklungen wie der Unterdrückung öffentlichen Widerspruchs, der Suche nach inneren und äußeren Feinden oder weiteren „militärischen Spezialoperationen“ betont Putin, dass in Russland keine Repressionen oder strafrechtliche Verfolgung existierten. Er verwies auf das Gesetz über „ausländische Agenten“ und erklärte, dieses sei in erster Linie von westlichen Ländern, darunter den USA, übernommen worden. In Russland würden Personen, die nicht länger politisch aktiv seien oder keine ausländische Finanzierung erhielten, aus der Liste der „ausländischen Agenten“ entfernt.

Zugleich kritisiert Putin den Westen scharf und machte ihn für die derzeitige politische Situation verantwortlich. Er warf allen voran der Nato vor, Russland zu provozieren und Sicherheitsinteressen zu missachten, etwa durch die Osterweiterung. Putin erinnerte sich in diesem Zusammenhang an eine Äußerung des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl aus dem Jahr 1993. Kohl habe gegenüber Putin gesagt, dass die Zukunft Europas untrennbar mit Russland verbunden sei und dass Europa, um als eigenständiger zivilisatorischer Mittelpunkt bestehen zu können, unbedingt auf eine Zusammenarbeit mit Russland angewiesen sei.

Zudem erklärte er, dass die Macht in Russland laut Verfassung beim Präsidenten liege, die meisten Gesetze jedoch vom Parlament initiiert würden. Putin sagte im Anschluss, dass Russland nicht den Westen angreife, sondern umgekehrt der Westen aggressiv gegenüber Russland handele.

Die große Jahrespressekonferenz mit dem russischen Präsidenten ist auch in diesem Jahr mit dem TV-Format „Der direkte Draht“ kombiniert. Neben ausgewählten Journalisten können sich Bürger aus ganz Russland beteiligen. Nach Angaben russischer Medien wurde dafür eine Hotline eingerichtet.

Angesprochen auf die russische Wirtschaft zeichnete Putin ein ausnahmslos positives Bild. Für das laufende Jahr stellte er ein Wachstum des russischen Bruttoinlandsprodukts von einem Prozent in Aussicht, die Wirtschaftsleistung habe in den vergangenen drei Jahren insgesamt um 9,7 Prozent zugelegt – „deutlich stärker als in Europa“, wie Putin betonte. Die Inflation sei unter Kontrolle und werde zum Jahresende voraussichtlich bei 5,7 bis 5,8 Prozent liegen. Zugleich verwies Putin auf eine weiter gesunkene Arbeitslosenquote von 2,2 Prozent, steigende Reallöhne sowie gewachsene Währungsreserven. Bekannte strukturelle Belastungen wie die westliche Sanktionspolitik oder den Arbeitskräftemangel ließ Putin unerwähnt.

Die Moskauer Jahrespressekonferenz zählt zu den größten Medienereignissen in Russland.
Die Moskauer Jahrespressekonferenz zählt zu den größten Medienereignissen in Russland.Alexander Kazakov/imago

Neben Politik und Wirtschaft sprach Putin auch Alltagsthemen an. So behauptete er, gelegentlich inkognito durch Moskau zu fahren. Er lese zudem immer wieder Umfragen, um die Stimmung innerhalb der russischen Bevölkerung besser deuten zu können. Außerdem rief Putin zu Vorsicht vor Betrügern auf und riet, sofort den Hörer aufzulegen, wenn betrügerische Banden Geldfragen am Telefon thematisieren. Und die Russen sollten mehr Fisch essen, erklärte Putin. Eine staatlich angeordnete Preisregulierung für Fischprodukte wird es nach Aussagen des Kremlchefs jedoch nicht geben.

Großes Medienspektakel dauert mehrere Stunden an

Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 findet die Jahrespressekonferenz nun zum dritten Mal statt. Im Jahr 2022 war das Format kurzfristig abgesagt worden. Damals vermuteten Beobachter, der Kreml hätte kritische Nachfragen zum Kriegsverlauf vermeiden wollen.

Beginn der Fragerunde ist nach Kremlangaben um 12 Uhr Ortszeit in Moskau. Erfahrungsgemäß erstreckt sich die Veranstaltung über mehrere Stunden. Nach Angaben der Veranstalter sollen zwei Millionen Anfragen an Putin übermittelt worden sein. Die Übertragung ist nicht nur in Russland, sondern auch international abrufbar – unter anderem über ausländische Medienplattformen und Livestreams.