Manuela Schwesig ist schweigsamer geworden, sie wirkt angeschlagen. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Enthüllungen über ihre Gazprom-Verstrickungen und ihre Russland-Nähe. Es hört einfach nicht auf. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, die vor sechs Monaten noch für ihren fulminanten SPD-Sieg bei der Landtagswahl gefeiert worden ist, muss inzwischen um ihr Amt in der Staatskanzlei bangen. Sie bekräftigte am Donnerstag, an ihrem Regierungsamt festhalten zu wollen. Man habe sie im September 2021 mit großer Mehrheit als Ministerpräsidentin bestätigt, sagte Schwesig am Rande eines Treffens mit ihren norddeutschen Amtskollegen in Kiel. Sie sagte es schmallippig, das Siegerlächeln von einst ist verschwunden.
Die bislang so beliebte Politikerin und Vorzeigefrau der SPD ist in einen Strudel geraten. Sie gehört zu jenem Kreis in der Partei, dem heftige Kungeleien mit Putin zur Last gelegt werden. Zu jenem Kreis, dem auch Altkanzler Gerhard Schröder angehört, der einer der obersten Lobbyisten von Gazprom ist. Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich derzeit täglich der Kritik erwehren, zu sehr zu zaudern, der von Russland überfallenen Ukraine zu wenig Unterstützung zukommen zu lassen. Dass er Lieferungen von schweren Waffen in das Kriegsgebiet ablehnt, kreiden ihm sogar seine Ampel-Koalitionäre an. Dazu zählen Politiker aus der FDP und von den Grünen, selbst aus den eigenen Reihen mehrt sich Kritik am Führungsstil des Kanzlers. Viele vermissen die von ihm angekündigte Zeitenwende, eine eindeutige Antwort auf den Krieg in der Ukraine. Die SPD sitzt in der Russland-Falle und Schwesig mittendrin.
Manuela Schwesig, seit 2017 Landesmutter von Mecklenburg-Vorpommern, befürwortete seit Jahren den Bau von Nord Stream 2 und dafür soll sie einiges getan haben. Baubeginn für die etwa 1200 Kilometer lange russisch-deutsche Leitung, die parallel zu der 2011 fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 1 verläuft, war 2018. Doch dann verzögerten Sanktionsdrohungen durch die USA den Bau der neuen Pipeline, das Projekt drohte zu scheitern.
Eine eigens dafür gegründete landeseigene Klima- und Umweltstiftung half dann im vergangenen Jahr bei der Fertigstellung der Pipeline. Einer der Vorwürfe lautet, dass das Pipelineunternehmen Nord Stream 2 AG bei der Gründung der Stiftung starken Einfluss auf die Schweriner Landesregierung genommen habe, so Medienberichte. Neue Dokumente der Landesregierung in Schwerin deuteten ebenso darauf hin, dass die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 mit allen Mitteln versuchte, ihr Pipeline-Projekt durchzusetzen. Die Staatskanzlei habe Argumentationshilfe geleistet, heißt es. Und auch, dass Altkanzler Schröder die Stiftung initiiert habe. Dem allerdings wird vehement widersprochen.
Manuela Schwesig selbst hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, warum ihre Landesregierung diese Stiftung gegründet hatte und dass es neben der Förderung von Klima- und Umweltschutzprojekten in Mecklenburg-Vorpommern auch einen zeitweiligen Nebenzweck gab. Das sagte die Politikerin vor dem Landtag und im Wahlkampf. Damals nahmen es viele so hin, es ging schließlich um die Gasversorgung.
Heikel wurde es allerdings, als der Krieg in der Ukraine begann. Schwesig erklärte gleich nach dem russischen Überfall: „Putin hat alle getäuscht.“ Als Konsequenz kündigte die Regierungschefin eine Kehrtwende in ihrer bis dahin russlandfreundlichen Politik an. Die umstrittene Klimastiftung werde aufgelöst. Auch würden die Russlandtage abgesagt, versicherte die Politikerin. Ebenso lasse der Russland-Beauftragte des Landes in Moskau seine Arbeit ruhen. Schwesig fügte hinzu: „Der Verein Deutsch-Russische Partnerschaft wird gebeten, sich dem anzuschließen und seine Arbeit ebenfalls ruhen zu lassen.“ Der Verein steht inzwischen im Fokus wegen danach bewilligter 600.000 Euro an Steuergeldern. Ein Vorwurf, der jüngst aufgekommen ist.
Die Ministerpräsidentin gestand weitere Fehler ein, betonte aber auch, dass andere ebenso falschgelegen hätten, sie nicht alleine die Bürde trage, da an Nord Stream 2 auch andere Parteien wie die CDU beteiligt gewesen waren. Vor dem Landtag sagte sie: „Mit dem heutigen Wissen war das Festhalten an Nord Stream 2 und die Einrichtung der Klima- und Umweltstiftung ein Fehler. Ein Fehler, den auch ich gemacht habe.“ Sie wies jedoch Berichte zurück, wonach bei der Stiftungsgründung Nord Stream 2 die Feder geführt habe. „Wir haben in der Landesregierung und im Landtag unsere Entscheidungen selbst getroffen und niemand anderes sonst.“ Als sie das sagt, war die Pipeline aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine auf Anordnung der Bundesregierung bis auf Weiteres nicht in Betrieb genommen worden.
Vielen sind diese Entschuldigungen zu lapidar, sie fordern eine schonungslose Aufklärung. Auf Betreiben von CDU, FDP und Grünen wird im Landtag daher ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich von Mai an eingehend mit der Stiftung für Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern befassen wird. Die Landtags-Opposition wirft Schwesig weiterhin vor, allen Warnungen zum Trotz an der Zusammenarbeit mit Russland festgehalten zu haben.
Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnete die Stiftung inzwischen gar als eine „Tarnorganisation“ und nannte Schwesig eine „Gaslobbyistin“. 200.000 Euro steuerte das Land für die Stiftung bei, 20 Millionen Euro Nord Stream 2. Nur ein Bruchteil sei bislang in Umweltprojekte geflossen, so der Vorwurf. Unklar ist in der Tat, wie viel Geld über die Stiftung für den Pipelinebau aufgewendet wurde und ob damit etwa auch ein Schiff gekauft wurde, darüber schweigen sich Regierung und Stiftungsvorstand aus.
Grünen-Politiker erstattet Strafanzeige gegen Klimastiftung
Laut Cicero sollen außerdem Steuererklärungen der Stiftung angeblich verloren gegangen sein. Hintergrund ist die 20-Millionen-Euro-Schenkung der russischen Gazprom an die Stiftung Anfang 2021, um angeblich gemeinwohlorientierte Ziele zu erreichen, wie es in der Satzung heißt. Das Problem: Die Stiftung ist nicht offiziell als gemeinnützig anerkannt. Für eine solche Schenkung wird in der Regel eine Steuer von 50 Prozent fällig, in diesem Fall also 10 Millionen Euro. Die Schenkung muss innerhalb von drei Monaten dem Finanzamt gemeldet werden, ansonsten drohen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung. Nach dem Erscheinen des Cicero-Berichts hat der Grünen-Politiker Volker Beck nun Strafanzeige erstattet. Gegen wen genau, lässt er offen.
Der mögliche Skandal beschäftigt auch die Bundesparteien. Vonseiten der CDU gab es bereits Rücktrittsforderungen. CDU-Bundesgeschäftsführer Mario Czaja sagte dem Spiegel: „Der Untersuchungsausschuss in Schwerin muss jetzt rasch aufklären, wie stark sich Manuela Schwesig für die Interessen Russlands hat instrumentalisieren lassen oder noch lässt und welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen.“ Eine Ministerpräsidentin könne nicht gleichzeitig „Putin-Lobbyistin“ sein.



