Der große Knall ist ausgeblieben. Dieses Mal jedenfalls. Die Bundestagsfraktion der Linken hat sich nach dem Krach um die jüngste Parlamentsrede ihrer Abgeordneten Sahra Wagenknecht wieder halbwegs zusammengerauft.
Am Nachmittag fällten die Abgeordneten nach stundenlanger Diskussion einen neuen „Beschluss über die Arbeitsweise der Fraktion“. Demnach sind für die Mitglieder der Fraktion „das Parteiprogramm, das Wahlprogramm und die Beschlüsse der Parteitage die Grundlage ihrer Arbeit“. Was klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist das Ergebnis eines tagelangen Streites innerhalb der Partei, den die Wagenknecht-Rede ausgelöst hat.
Der Minimalkompromiss, dem die Mehrheit der 39-köpfigen Fraktion zugestimmt hat, soll die Arbeit der zerstrittenen Fraktion jetzt erst mal befrieden. Die Rede war von vier Gegenstimmen, die aus dem „Wagenknecht-Lager“ gekommen seien. Ob Sahra Wagenknecht zugestimmt hat, war am Abend unklar. Sie war der Fraktionssitzung online zugeschaltet.
Rede im Bundestag: Wagenknecht attackierte Ampel als „dümmste Regierung Europas“
Wagenknecht hatte in der Haushaltssitzung des Bundestages am 8. September gesprochen und die Ampelkoalition als „dümmste Regierung in Europa“ bezeichnet. Für innerparteiliche Erbitterung hatte aber vor allem der Satz gesorgt, dass Deutschland „einen Wirtschaftskrieg“ gegen seinen wichtigsten Energielieferanten „vom Zaun gebrochen“ habe. Das entspreche nicht dem Beschluss der Partei, hieß es danach. Die Linke hatte sich auf ihrem jüngsten Parteitag für Sanktionen gegen Russland ausgesprochen.
Die Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler hatten sich später von der Rede distanziert. Diskutiert wurde das Thema auch auf einer Klausurtagung des Parteivorstandes. Danach forderten Schirdewan und Wissler eher allgemein, dass, wer für die Partei spreche, dabei nicht gegen ihre inhaltlichen Richtlinien verstoßen dürfe. Wenig später schärfte Schirdewan in einem Interview noch einmal nach und forderte, dies solle die Fraktionsführung für die Bundestagsfraktion künftig sicherstellen. Daraufhin bezeichnete Wagenknecht den Parteichef als „Fehlbesetzung“.
Danach gab es Forderungen, Wagenknecht aus der Fraktion auszuschließen, und Forderungen, dass die beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali zurücktreten sollen. Von beidem ist nach diesem Dienstag erst mal nicht mehr die Rede. Bartsch zeigte sich nach der Fraktionssitzung zufrieden. Man habe sehr umfangreich und kritisch debattiert, sagte er. „Es gab aber weder Chaos noch Zerfall.“
Bevor die Fraktion über ihren neuen Beschluss abstimmte, zogen acht Abgeordnete einen eigenen Antrag zurück, der zuvor auf der Tagesordnung gestanden hatte. Darin wurde der Fraktionsvorstand beauftragt, „künftig sicherzustellen, dass Redner*innen die Redezeit unserer Fraktion tatsächlich … für die Vertretung der gemeinsam beschlossenen Positionen nutzen“.
Fraktionssitzung der Linken: Klare Attacke gegen Wagenknecht
Außerdem hieß es in dem Antrag: „Die Fraktionsversammlung weist Versuche, sich von der Partei abzuspalten und alternative Wahlantritte (etwa zur Europawahl) vorzubereiten, als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion Die Linke zurück.“ Das ging ebenfalls klar gegen Sahra Wagenknecht, von der immer wieder kolportiert wird, dass sie sich von der Partei oder der Fraktion abspalten möchte. Unterschrieben wurde der Antrag von den Abgeordneten Gökay Akbulut, Anke Domscheit-Berg, Ates Gürpinar, Caren Lay, Cornelia Möhring, Martina Renner, Bernd Riexinger und Kathrin Vogler.
Von Spaltung oder Spaltungsversuchen ist im neuen Fraktionsbeschluss nicht mehr die Rede. Dennoch zeigten sich Lay und Vogler nach der Sitzung zufrieden. „Unser Antrag ist im weitergehenden des Fraktionsvorstandes aufgegangen“, sagte Caren Lay. Denn nun sei auch klargestellt, dass Mitglieder der Fraktion auch in Ausschüssen und Gremien mitarbeiten müssten – auch das wieder ein wenig versteckter Vorwurf an Wagenknecht.
Im Zuge des Streits hatte es Austritte von prominenten Mitgliedern gegeben. So kündigte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Deutschland, Ulrich Schneider, seinen Rückzug explizit wegen Wagenknechts Rede an. Der frühere Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi will sein Parteibuch zurückgeben, weil er nicht mehr für das „Versagen maßgeblicher Akteure der Partei“ verantwortlich gemacht werden will.



