Gesetzesinitiative

Initiative fordert: Der Staat soll endlich mehr Transparenz wagen!

Projekt gläserner Staat: Organisationen wie Transparency Deutschland und FragDenStaat.de haben einen Gesetzentwurf für ein Bundestransparenzgesetz vorgelegt. Er sieht Erstaunliches vor.

Daniel Drepper, Netzwerk Recherche, Hartmut Bäumer, Transparency International Deutschland, Marie Jünemann, Mehr Demokratie e. V., und Arne Semsrott, Open Knowledge Foundation, stellen in der Bundespressekonferenz einen Entwurf eines Bundestransparenzgesetzes vor.
Daniel Drepper, Netzwerk Recherche, Hartmut Bäumer, Transparency International Deutschland, Marie Jünemann, Mehr Demokratie e. V., und Arne Semsrott, Open Knowledge Foundation, stellen in der Bundespressekonferenz einen Entwurf eines Bundestransparenzgesetzes vor.Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Ampel-Koalition hat eine Sorge weniger. Eines ihrer politischen Anliegen ist einen guten Schritt vorangekommen, ganz ohne ihr Zutun. Am Donnerstag hat eine Initiative einen Gesetzentwurf für ein Bundestransparenzgesetz vorgelegt. Es soll das leisten, was mit dem bisherigen Informationsfreiheitsgesetz bisher nie gelungen ist: dass der Staat freiwillig Informationen rausrückt, noch bevor überhaupt jemand danach gefragt hat.

Geschrieben wurde der Gesetzentwurf von einem Bündnis aus Organisationen, die sich schon per Vereinszweck der Transparenz verschrieben haben. Dazu gehören die Open Knowledge Foundation, die die Plattform FragDenStaat.de betreibt, der Verein Mehr Demokratie, Transparency International Deutschland und das Netzwerk Recherche.

„Wir wollen der Koalition unter die Arme greifen“, sagte Arne Semsrott von FragDenStaat.de bei der Vorstellung des Gesetzentwurfes. Er sehe in dem Bereich noch wenig Bewegung seitens des Gesetzgebers, das sei doch alles noch sehr beschwerlich. „Wir wissen aber, dass es Nachfrage nach Transparenz gibt“, so Semsrott. Als das Informationsfreiheitsgesetz 2005 verabschiedet worden war, habe es 2000 Anträge pro Jahr gegeben, nun seien es 13.000 – Tendenz steigend.

Allerdings sei die geltende Rechtslage bisher zu mühsam. So seien nur 60 Prozent der Anträge erfolgreich. Geantwortet werde, wenn überhaupt, oft mit extremer Verspätung – und vielfach mit dem pauschalen Verweis auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. „Oft gibt die Behörde auch gar nicht preis, welche Informationen sie hat“, sagt Semsrott. „Dann ist es natürlich auch schwierig, danach zu fragen.“ Ein großes Problem seien auch die Gebühren. „Knapp zwei Drittel aller Anfragen, bei denen die Behörde Gebühren ankündigt, werden wieder zurückgezogen.“

Der vorgelegte Gesetzentwurf gehe alle diese Probleme an. Danach gibt es künftig klare Regeln, was herausgegeben werden muss und was nicht. Gebühren sollen wegfallen. Gesetzentwürfe, Verträge, Gutachten, Tagesordnungen und Vorlagen für Bundestagsausschüsse und das Bundeskabinett sollen vom Bund proaktiv in ein sogenanntes Transparenzregister eingestellt werden, sodass diese Informationen für den Bürger leicht abzurufen sind.

„Wir haben im Moment eine Holschuld des Bürgers, der oft als Bittsteller auftreten muss“, sagte Hartmut Bäumer von Transparency Deutschland (TI). „Das muss sich ändern in eine Bringschuld des Staates.“ Er schilderte einen Fall, in dem seine Organisation an den Grenzen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) scheiterte.

Im Jahr 2018 hatte TI versucht, vom Bundesverkehrsministerium unter dem damaligen Minister Andreas Scheuer (CSU) Auskünfte zum Dieselskandal zu erhalten. Eigentlich ist gesetzlich vorgeschrieben, dass derartige Anfragen innerhalb von vier Wochen beantwortet werden müssen. Das Ministerium ließ diese Frist verstreichen – eine übliche Reaktion bei vielen Behörden. Danach wurden Auskünfte mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt. TI klagte schließlich dagegen.

Scheuer beauftragte die Wirtschaftsberatung KPMG mit der Sache – und es begann ein Kampf David gegen Goliath. Im Februar 2021 erhielt TI schließlich mehr als 4228 Seiten Unterlagen aus dem Verkehrsministerium. „Die Seiten waren aber zu zwei Dritteln geschwärzt“, so Bäumer. Das Ministerium erklärte dies mit den Betriebsgeheimnissen von Volkswagen. Dagegen hätte man eigentlich klagen müssen – doch TI brach das Verfahren ab. Die Anwälte der Organisation konnten den Arbeitsaufwand schlicht nicht mehr „pro bono“, also gratis, leisten. Die Steuerzahler kosteten die Anwälte von KPMG in der Sache 300.000 Euro.

„Dieses Beispiel zeigt, dass die derzeitige Ausgestaltung des IFG immer dann zur Verhinderung oder Verzögerung von Transparenz führen kann, wenn die auskunftspflichtige Stelle daran interessiert ist“, sagt Bäumer.

Die Initiatoren des neuen Transparenzgesetzes argumentieren aber auch grundsätzlich. „Transparenz ist hoher Wert“, sagte Marie Jünemann von Mehr Demokratie e. V. „Es ist aber kein Selbstzweck. Wenn der Staat nicht näher an den Bürger heranrückt, dann werden viele vom Staat weiter abrücken.“ Es gehe um Vertrauen als dem wichtigsten Kapital in der Demokratie.

Transparenzgesetz: Es könnte einen Digitalisierungsschub in den Behörden einleiten

Um mehr Transparenz seitens des Staates durchzusetzen, bedarf es nicht nur eines Kulturwandels in den Behörden, waren sich die Organisatoren einig. Es müsse gleichzeitig auch ein regelrechter Digitalisierungsschub erfolgen. Papierakten müssen dann bald der Vergangenheit angehören. Das könnte womöglich die größere Revolution werden.

Die Initiative ist optimistisch. Am Morgen habe man den Gesetzesentwurf dem zuständigen Staatssekretär im Innenministerium (BMI), Markus Richter, übergeben. Er habe sich sehr interessiert gezeigt und angekündigt, dass sein Ministerium bis Ende des Jahres Eckpunkte für eine Weiterentwicklung des IFG vorlegen werde. Die Demokratieverbände wollen dennoch zweigleisig fahren und den Druck auf die Fraktionen im Bundestag erhöhen. „Wenn das BMI nicht liefert, dann muss der Bundestag liefern“, sagte Semsrott.