Scheitert die Bundesagentur für Arbeit (BA) an der Jobvermittlung? Die niedrige Vermittlungsquote der Behörde im vergangenen Jahr sorgte für Furore. Eine aktuelle Recherche der TV-Sender RTL und NTV hatte ergeben, dass lediglich 5,9 Prozent der Empfänger von Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld im Jahr 2022 mithilfe der Bundesagentur für Arbeit in einen neuen regulären Job vermittelt wurden. Die Vermittlungsquote habe sich damit seit 2014 halbiert.
Jetzt kommt heraus: Berlin schneidet noch schlechter ab. Nur 3,5 Prozent der Berliner Bürgergeldempfänger erhalten nach „Auswahl und Vorschlag“ der BA einen neuen Job. Das geht aus den Zahlen für das Jahr 2022 hervor, die die BA der Berliner Zeitung auf Anfrage mitgeteilt hatte. Laut Statistik der BA fanden im vergangenen Jahr 31.331 Bürgergeldempfänger in Berlin einen neuen Job. Nur 1109 wurden dabei durch die BA in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis vermittelt.
Digitalisierung macht die Job-Vermittlung durch die BA weniger relevant
Die Berliner Zeitung fragte bei der BA nach den Gründen für die geringe Anzahl an Vermittlungen: Warum liegt die Vermittlungsquote in Berlin knapp zweieinhalb Prozentpunkte niedriger als im Bundesschnitt?
Dies liege vor allem an der veränderten Art der Jobvermittlung, sagt eine Sprecherin. „Ende der 1990er war es gängige Praxis, dass der Arbeitsvermittler einem Arbeitgeber konkrete Bewerber vorgeschlagen und zum Vorstellungsgespräch geschickt hat“, erklärt sie. Auf diesen Prozess beziehe sich die Vermittlungsquote. Heute sei dagegen die Tätigkeit des Arbeitsvermittlers wesentlich weiter und digitaler gefasst – er berate zu Tätigkeitsfeldern, möglichen Weiterbildungen und schlage dem Arbeitsuchenden passende Stellenangebote vor, auf die sich dieser selbstständig bewerben müsse.
Viele Bürgergeldempfänger würden sich außerdem eigenständig „in unserem Jobportal nach passenden Angeboten“ umschauen. Insofern sei die stetige Abnahme der Vermittlungsquote „auch ein Zeichen fortschreitender Digitalisierung und Modernisierung“. Und die sei in großen Städten und Stadtstaaten „typischerweise weiter fortgeschritten als zum Beispiel in dünner besiedelten Wirtschaftsräumen“. Daher ist die geringere Vermittlungsquote in Berlin laut der Sprecherin auch „nicht als negativ zu werten“.
Und der Grund für die niedrige Bundesquote? Laut Behörde erfasst die Vermittlungsstatistik nur „nicht geförderte Beschäftigungsverhältnisse“. Darunter versteht die BA Arbeitsplätze, die der Staat nicht mit zusätzlichen Geldern bezuschusst – solche mit Eingliederungszuschuss fallen beispielsweise aus der Statistik. Vermittlungen, bei denen die Arbeitsuchenden Zusatzqualifikationen erwerben oder Sprachkurse durchlaufen, bleiben ebenfalls außen vor.
Es müssen auch noch weitere Kriterien erfüllt sein. So muss dem Arbeitsamt für das Stellenangebot erstens ein Vermittlungsauftrag vorliegen. Zweitens muss der Vermittler dem Arbeitgeber den Bewerber vorschlagen. Drittens müssen der Beruf im Stellenangebot und der gewünschte Zielberuf des Bewerbers übereinstimmen. Wo diese Kriterien nicht erfüllt sind, fließen die vermittelten Jobs nicht in die Quote ein.
Arbeitsvermittlung: Hauptausschuss der Koalition berät neue Maßnahmen
Laut BA waren im vergangenen Jahr rund 179.000 Berliner arbeitslos. Den niedrigsten Stand in den vergangenen zehn Jahren verzeichnete das Jahr 2019 mit rund 152.000 Arbeitslosen, den höchsten das Jahr 2012 mit rund 215.000 Arbeitslosen. 2021 – in der Hochphase der Corona-Pandemie – gab es rund 198.000 Arbeitslose in Berlin.
Martin Pätzold (CDU) ist Mitglied des Abgeordnetenhauses und sitzt im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Der Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre sagte der Berliner Zeitung, insbesondere der hohe Zuzug von Flüchtlingen in die Hauptstadt schlage sich in der Arbeitslosenstatistik nieder. Ein Großteil von ihnen habe noch nicht den Weg in den Arbeitsmarkt gefunden. „Wir müssen noch individueller mit denen arbeiten, die Arbeit suchen“, fordert Pätzold.
Auch Sven Meyer, Sprecher für Arbeit und Ausbildung der SPD im Abgeordnetenhaus, verweist im Gespräch mit der Berliner Zeitung auf den hohen Zuzug von Menschen mit vergleichsweise geringem Bildungsstand. Er plädiert statt für eine „endlose Erweiterung des Instrumentenkastens“ für eine gezielte Hilfe durch das Arbeitsamt beziehungsweise die Senatsverwaltung.




