Nach ihrer gemeinsamen Reise in die Ukraine haben führende Parlamentarier den Druck auf die Bundesregierung verschärft, möglichst schnell auch schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Ihre Forderungen adressierten sie dabei vor allem an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Wir müssen jetzt auf die Tube drücken“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth (SPD). „Es zählen Tage.“
Roth war zusammen mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne), der dem Europaausschuss vorsitzt, auf Einladung ukrainischer Abgeordneter nach Lwiw gereist. Sie hatten dort politische Gespräche geführt und in einem Krankenhaus verwundete Soldaten besucht.
Danke den 🇺🇦 Abgeordneten für die große Gastfreundschaft+das freundschaftliche Gespräch.Wir sprachen im Krankenhaus von Lwiw mit schwer verletzten ukrainischen Soldaten+besuchten das von Russland zerstörte Öllager. Dieser 🇷🇺 Angriffskrieg ist grausam+verbrecherisch. pic.twitter.com/pJFDgeKMXl
— Michael Roth MdB 🇪🇺🇺🇦 (@MiRo_SPD) April 12, 2022
Der Ukraine gehe es nun vor allem um die Lieferungen von Panzern und ähnlich schwerem Rüstungsmaterial, um die vom russischen Regime angedrohte Offensive im Osten des Landes zurückschlagen zu können, berichteten alle drei Abgeordneten übereinstimmend. Die Gespräche seien konstruktiv, nach einer gewissen Zeit sogar freundschaftlich verlaufen, erklärten sie.
Bei den besprochenen Themen sei es auch um mögliche Energieembargos gegenüber Russland gegangen. Hier forderten alle drei Ausschussvorsitzenden, zumindest für den Verzicht auf Erdöl und Kohle aus Russland ein genaues und möglichst frühes Datum anzugeben.
Wichtigstes Thema sei jedoch die schnelle Lieferung von Waffen gewesen. Anton Hofreiter forderte das Bundeskabinett auf, seine bisherige Einschätzung in dieser Frage zu korrigieren. „Es liegt nicht an unseren Ministern im Kabinett“, sagte er. „Da muss jetzt Olaf Scholz einfach liefern – und zwar so schnell wie möglich.“ Andernfalls werde der außenpolitische Schaden mit jedem Tag größer. „Der russische Diktator lügt bei allen möglichen Belangen, aber strategisch sagt er uns die Wahrheit: Es geht ihm darum, dass russische Großreich wieder aufzubauen“, so Hofreiter weiter. „Wird er nicht gestoppt, besteht die große Gefahr, dass er weitere Staaten angreift.“
Auch die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann bekräftigte, dass die FDP-Minister diese Einschätzung ins Kabinett tragen werden. Der Begriff Zeitenwende müsse mit Inhalten gefüllt werden, forderte sie. „Zeitenwende bedeutet, mehr als Geld zu geben und Fahnen zu schwenken“, so die Verteidigungspolitikerin. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe sich etwas Entscheidendes geändert. „Es wird Zeit, dass auch entsprechend gehandelt wird.“
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte in einer Sondersitzung des Bundestages kurz nach Kriegsbeginn von einer Zeitenwende gesprochen und ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur besseren Ausstattung der Bundeswehr angekündigt. In Bezug auf Waffenlieferungen an die Ukraine hat er sich mit Aussagen weitgehend zurückgehalten, was zunehmend für Kritik sorgt – nun auch in den Reihen der Regierungsparteien.
Strack-Zimmermann deutete an, dass die Reise der drei deutschen Parlamentarier im politischen Berlin nicht überall für Begeisterung gesorgt habe. Die drei Parlamentarier sind die ersten Bundestagsabgeordneten, die seit Kriegsbeginn in die Ukraine gereist sind.



