Es ist meistens der letzte Eindruck, der haften bleibt. Zur obligatorischen Pressekonferenz im Anschluss an eine Senatssitzung saß Franziska Giffey allein auf dem Podium. Es war die letzte Sitzung des rot-grün-roten Senats an diesem Dienstag. Kann man machen, schließlich ist sie als Regierende Bürgermeisterin prinzipiell zu jedem Thema im Namen des Senats sprechfähig. Außerdem hat die SPD-Politikerin dieses Ritual Zeit ihres Amtes gepflegt, wie niemand anders zuvor. Für Franziska Giffey war die Senatspressekonferenz stets eine Bühne, auf der sie die Stadt Berlin und ihre Regierung aber natürlich auch sich selbst bestmöglich verkaufte.
Dennoch war es selbstverständlich üblich, dass neben Giffey – und in seltenen Fällen sogar auch anstatt – ein Fachsenator seine Themen dort vertreten hat. Selbst Dreierpodien waren keine Seltenheit, wie es einem Dreierbündnis schließlich auch geziemt. Themen gab es immer genug. Und jetzt?
Der alte Berliner Senat geht im Streit auseinander
Nach einem giftigen Wahlkampf, einer Niederlage aller drei Koalitionsbeteiligter bei der Wiederholungswahl und letztlich dem Platzen der Koalition gibt es keine gemeinsame Anstrengung mehr, ja auch keine Kraft mehr, auch nur irgendetwas zusammen zu machen. Kein Bericht zu irgendeinem gewichtigem städtebaupolitischen Vorhaben, den man zur Kenntnis nehmen und dann zusammen hätte präsentieren können. So blieb auch für die Öffentlichkeit keine Möglichkeit, Giffey und ihre Stellvertreter Bettina Jarasch (Grüne) und Klaus Lederer (Linke) noch einmal gemeinsam erleben zu können.
Das Problem ist natürlich, dass es seit einigen Monaten nur noch so wenig Gemeinsames gibt bei Rot-Grün-Rot. Nachdem die SPD nach der Wahl erst mit ihren bisherigen Partnern eine neue Koalition sondierte und am Ende doch in bemerkenswerter Offenheit kaum ein gutes Haar an ihnen ließ und sich lieber in die Arme des Wahlsiegers CDU stürzte, war auch das letzte Gemeinsame aufgebraucht. Vor allem das Verhältnis der SPD zu den Grünen und umgekehrt ist nachhaltig zerrüttet, das zu den Linken zumindest empfindlich gestört. Selten sind politische Partner nach immerhin sechseinhalb Jahren so auseinandergegangen.
Am Dienstag wollte nicht einmal mehr Sozialsenatorin Katja Kipping neben Giffey Platz nehmen. Dabei haben die Linke- und die SPD-Frau mehr als ein Jahr lang die Versorgung, Abfertigung und am Ende nicht selten auch die Unterbringung von Hunderttausenden Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bewältigt. Nun, am Ende ihrer Zusammenarbeit, mochte Kipping offenbar nicht mehr.
Franziska Giffey präsentiert eine Vorlage zur Flüchtlingsunterkunft aus der Sozialverwaltung – die zuständige Senatorin mochte nicht
Die Sozialsenatorin sei angefragt worden, sagte die Regierende Bürgermeisterin am Dienstag – ohne Resonanz. Aber auch ohne Streit, wie Kipping später verbreiten ließ. „Ich zwinge keinen dazu“, sagte Giffey, schob aber hinterher: „Ich hätte nichts dagegen gehabt, ganz im Gegenteil.“
Das Thema hätte einen Auftritt der Sozialsenatorin, eine der wenigen Gewinnerinnen der nur rund 500 Tage kurzen Amtszeit von Rot-Grün-Rot, unbedingt hergegeben. Doch so berichtete die Chefin nach der 65. und letzten Sitzung der Landesregierung alleine davon, dass der Senat den Betrieb des Ukraine-Ankunftszentrums auf dem ehemaligen Flughafen Tegel bis mindestens Ende September verlängert hat. Die Vorlage stammte aus dem Hause Kipping.
Die Verlängerung betreffe auch die Nutzung der Notunterkünfte für geflüchtete Ukrainer am Terminal C. „Wir brauchen diese Notunterbringung dringend“, sagte Giffey, es gebe keinen Ausweichstandort. Ursprünglich sollte der Standort Tegel bis 30. Juni geöffnet sein, jetzt gibt es sogar eine Verlängerungsoption bis zum Jahresende. Nach Giffeys Worten stehen im Terminal C mehr als 4000 Betten bereit, von denen zurzeit etwas mehr als 3000 belegt seien.
Wegen des großen Mangels an Unterkunftsplätzen und Wohnungen, sei Tegel derzeit unverzichtbar, sagte Giffey. Aktuell befänden sich 2600 länger als die ursprünglich geplanten drei Tage in der Unterbringung, zum Teil bereits seit Monaten. Für die Menschen sei das nicht optimal.
Auch im ehemaligen Flughafen Tempelhof werden seit einigen Monaten wieder Flüchtlinge untergebracht, mangels Alternative. Jeder, der sich die beiden Einrichtungen schon einmal angeschaut habe, wisse, dass das kein idealer Zustand sei, so Giffey. Die Bedingungen seien schwierig und der Platz begrenzt.
Um mehr Kapazitäten an anderen Orten in der Stadt zu gewinnen, soll der Bau modularer Unterkünfte für Flüchtlinge – sogenannte MUFs – vorangetrieben und beschleunigt werden, so Giffey. Von den einst mehr als 40 identifizierten Standorten sei an 29 tatsächlich gebaut worden, 18 weitere stünden weiter auf der Liste. MUFs sind vergleichsweise einfach und kostengünstig, aber eben auch bestenfalls schnell gebaute Wohnbauten, die zum Beispiel auch für Obdachlose, aber auch für Studenten oder Auszubildende zur Verfügung stehen könnten.
Zur letzten Senatssitzung in Berlin erschienen alle Mitglieder – nur der geschasste Bausenator ließ sich vertreten
Giffey berichtete von einer „guten, kurzen Sitzung“. Sie sprach von einer „professionellen Zusammenarbeit, auch heute“. Alle seien dagewesen. Außer Bausenator Andreas Geisel. Der von seiner eigenen SPD bei der Neubesetzung des Senats durch Nichtbeachtung abgestrafte Politiker ließ sich von seinem Staatssekretär und Nachfolger im Amt, Christian Gaebler, vertreten.



