Flüchtlingsunterbringung in Berlin

4 Betten, 4 Spinde, ohne Küche und Bad: Neue Unterkunft für Flüchtlinge eröffnet

In den Hangars des früheren Flughafens Tempelhof sollen demnächst fast 900 Flüchtlinge einziehen. Am Donnerstag war Eröffnung mit politischer Prominenz.

Im Container: Franziska Giffey (l.) und Katja Kipping.
Im Container: Franziska Giffey (l.) und Katja Kipping.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Zwei silbergraue Doppelstockbetten, ein Tisch, vier abschließbare Spinde, reinweiße Wände, ein Fenster, eine Tür – das alles auf gut einem Dutzend Quadratmetern. Dies wird ab Freitag die kleine Welt für jeweils vier der ersten 200 Bewohner der Asylbewerberunterkunft im ehemaligen Flughafen Tempelhof.

Berlins neueste Großunterkunft für geflüchtete Menschen bietet 868 Plätze in Containern, die in den Hangars 2 und 3 stehen. „Es gibt jetzt rund 30.000 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften in Berlin. So viele hat es noch nie gegeben in dieser Stadt“, sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei der Eröffnung.

Wegen stark gestiegener Flüchtlingszahlen sucht Berlin händeringend nach Plätzen. Laut Giffey hat Berlin in diesem Jahr mehr 360.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge erstversorgt, bis zu 100.000 sind nach Einschätzung von Fachleuten in der Stadt geblieben, die übrigen sind weitergereist. Täglich bleiben 170 neu ankommende Ukrainer in der Stadt. Zusätzlich kamen täglich rund 100 Menschen aus anderen Ländern, die Asyl suchten, sagte Giffey. Deshalb habe Berlin in diesem Jahr bereits rund 8000 neue Plätze in Unterkünften geschaffen.

Insgesamt 281 Container stehen in den Hangars 2 und 3 bereit, 217 davon sind Schlafcontainer, zu belegen mit jeweils vier Bewohnern. Nach und nach werden immer mehr bereits registrierte Asylbewerber einziehen. Am Ende können bis zu 868 Menschen auf insgesamt 10.000 Quadratmetern untergebracht werden.

Eigene Heizung, eigenes Licht und ein Dach über dem Kopf gegen den Lärm und die Tauben

„Alles ist besser als die Unterbringung in Schulturnhallen“, sagte Giffey, als sie am Donnerstag Berlins neueste Gemeinschaftsunterkunft besichtigte. Sie habe dabei vor allem zwei Argumente im Blick, sagte die Politikerin: Erstens erlaubten die abschließbaren Container mit festen Wänden und einem Dach, die auch über eine eigene Heizung und Licht verfügen, mehr Stille und Privatsphäre als eine Halle mit bestenfalls provisorisch abgetrennten Schlafplätzen.

Zweitens sei es der Bevölkerung nicht vermittelbar, für Schul- oder Vereinssport genutzte Hallen für nicht absehbare Zeit anderweitig zu nutzen. „Das schmälert die Akzeptanz“, sagte Giffey und erinnerte dabei an ihre Zeit als Neuköllner Bürgermeisterin, als sie selbst mehrere Sporthallen umnutzen musste, um schnell Unterkünfte anbieten zu können. „Das war schlimm“, sagte Giffey.

Der Flüchtlingsrat Berlin kann nicht in allen aktuellen Gemeinschaftsunterkünften einen Komfortgewinn erkennen. „Tegel ist mindestens so schlecht wie eine Turnhalle“, sagte eine Vertreterin des Flüchtlingsrats. Dort gebe es nicht einmal abschließbare Spinde. Folge: Jeder trage jeden Gegenstand von Wert permanent bei sich. Das führe zu absurden Situationen, etwa in den Waschräumen, so die Aktivistin, die anonym bleiben wollte. „Die Leute stecken ihre Laptops in Plastiktüten und nehmen sie mit in die Dusche – in der Hoffnung, dass die Tüten dicht halten“, berichtete sie.

Das muss in Tempelhof nicht passieren – jeder Bewohner hat einen Spind zur Verfügung. Auch an anderer Stelle haben sich die Planer des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten Mühe gegeben, die Atmosphäre eines Gewerbegebäudes, was ein Hangar nun einmal ist, aufzuhübschen. So habe man zusätzlich warmes Licht installiert, um das kalte Licht von den Scheinwerfern an der mehr als 15 Meter hohen Decke abzumildern, in der auch schon mal Tauben nisten. Außerdem wolle man „eine gewisse Grundwärme“ im Hangar halten, hieß es. Beim Rundgang am Donnerstag war es doch recht kühl. Das werde noch ein bisschen wärmer, hieß es. Und in den Containern könne die Heizung ohnehin individuell geregelt werden. 

Statt einer eigenen Küche gibt es Vollverpflegung. Das klingt komfortabel, birgt aber Konflikte

Das ist aber fast schon alles an Annehmlichkeiten. So verfügen die Container nicht über Küchen. Alle Bewohner werden von einem Caterer voll verpflegt. Damit wird schon jetzt ein Konflikt angelegt. Aus der Hochzeit der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 ist bekannt, wie sehr viele Menschen darunter litten, keine eigene Mahlzeit für ihre Familie bereiten zu können. 

Eine besondere Herausforderung werde ohnehin die Belegung der Vierbettzimmer mit sich bringen, berichtete Carina Harms, kommissarische Präsidentin des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten. Die meisten Asylbewerber kämen derzeit aus Afghanistan, Syrien, Georgien und Moldawien. Da müsse auf die Mischung in den Zimmern geachtet werden. Nicht alle Ethnien passten zueinander, und man müsse auch darauf achten, wie man allein reisende junge Männer unterbringe.

In jedem Fall werde man vierköpfige Familien selbstverständlich zusammenhalten, doch schon bei einer Person mehr begännen die Fragen, so Harms. „Unsere Planer arbeiten sehr gewissenhaft daran“, sagte sie. 

Die allergrößte Bedrückung aber wird die Ungewissheit mit sich bringen. Die Ungewissheit darüber, wie lange jeder einzelne im Container bleiben muss. Alle müssen so lange in Tempelhof bleiben, bis sie nicht mehr als Asylbewerber gelten. Wie lange dieses Verfahren im Einzelfall dauern könne, sagte Harms nicht.

Klar ist jedoch, dass sich die Unterbringungssituation in Berlin zuletzt zugespitzt hat. Aufgrund der weiterhin hohen Zahl an Geflüchteten, die nach Deutschland und speziell Berlin kommen, hatte der Senat im November beschlossen, 10.000 neue Unterkunftsplätze für Flüchtlinge zu schaffen.

Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping will auch Tegel länger als Flüchtlingsunterkunft nutzen

Um das Versprechen zu halten, schließt Sozialsenatorin Katja Kipping nicht aus, dass Gebäude des ehemaligen Flughafens Tegel länger als geplant als Flüchtlingsunterkunft mit 1900 Plätzen genutzt werden. Die Linke-Politikerin sagte am Donnerstag im RBB24 Inforadio, nach jetzigem Stand könne man bis Mitte Januar in den Terminals A und B bleiben. Für die Zeit danach gebe es noch keine Einigung im Senat. Die Senatorin zeigte sich aber zuversichtlich, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werde. 

Ursprünglich hätten die beiden Tegeler Terminals zum Jahresende geräumt werden sollen, um Platz zu schaffen für die Berliner Hochschule für Technik (ehemals Beuth-Hochschule). Weil sich jetzt der Umzug der BHT verzögere, sprechen Beobachter schon von einem „nächsten Fiasko“ für die Hochschule, nachdem deren bisheriger Campus in Wedding aus allen Nähten platzte. Perspektivisch sollen die Terminals in Tegel zu einem Forschungs- und Industriepark namens Urban Tech Republic ausgebaut werden, die BHT soll einer der Hauptmieter werden. 

Solche ambitionierten Pläne gibt es für die historisch bedeutsamen Flughafengebäude in Tempelhof nicht. Weil es dort keine Konkurrenz durch Pläne mit anderer nachvollziehbarer Nutzung gibt, eignen sie sich als Flüchtlingsunterkunft. Seit langem schon steht auf dem Flugvorfeld ein Containerdorf für 850 Bewohner. Und auch die Belegung der beiden Hangars mit Wohncontainern ist nur ein weiterer Schritt hin zum Flüchtlingsunterbringungs-Hotspot Tempelhof. Wie am Donnerstag bekannt wurde, sollen Anfang Februar auf Parkplätzen am Columbiadamm und am Tempelhofer Damm Leichtbauhallen mit einer Gesamtkapazität von 400 Menschen aufgestellt werden. 

Und der Bedarf wird weiter wachsen. Nach Angaben des LAF-Sprechers Sascha Langenbach kommen derzeit täglich rund 200 Flüchtlinge in Berlin an. „Das sind 6000 Menschen in einem Monat.“