Es ist inzwischen eine beliebte Jahresend-Tradition: die Liste der hundert peinlichsten Berlinerinnen und Berliner des Stadtmagazins Tip. Seit inzwischen 23 Jahren veröffentlicht das Blatt diesen Jahresrückblick, den es selbst liebevoll die „Schamliste“ nennt, und rekapituliert damit jene Momente, in denen sich bei allen Stadtbewohnern die Nackenhaare zum Himmel kräuselten. Peinlichste Berlinerin ist in diesem Jahr wenig überraschend die ehemalige Intendantin des RBB, Patricia Schlesinger (61).
Schlesinger geriet Ende Juni in den Fokus der medialen Empörung, nachdem das Investigativ-Team des Magazins Business Insider einen bunten Strauß an Compliance-Vorwürfen gegen sie enthüllt hatte. Es ging um Vetternwirtschaft, ein üppiges Bonus-Gehaltssystem, einen teuren Umbau ihrer Dienstetage, fragwürdige Beraterverträge für ihren Ehemann, den ehemaligen Spiegel-Journalisten Gerhard Spörl, um üppige Abendessen mit wichtigen Stadtpersönlichkeiten auf Senderkosten in ihrer Privatwohnung und um den Massagesessel in ihrer Dienstlimousine. „Wenn der Fisch vom Kopf her stinkt, müffelt es beim RBB in der Masurenallee wie auf einem wurmstichigen Hochseekutter nach zehnwöchiger Fangfahrt“, schreibt die Tip-Redaktion.
Praktisch auf den Fersen Schlesingers folgt auf Platz zwei der noch amtierende Innensenator Andreas Geisel von der SPD. Geisel hatte eigentlich groß angekündigt, die grassierende Wohnungsnot in Berlin mit einer riesigen Wohnungsbau-Offensive in den Griff zu bekommen. In die Schlagzeilen geriet er dann aber vor allem wegen der historischen Berlin-Wahl-Panne, die Anfang des kommenden Jahres wiederholt werden muss und Geisel möglicherweise seinen Job kosten wird.
Nur ein paar Plätze hinter Schlesinger und Geisel befindet sich der „eitle Großdenker“ Harald Welzer auf Rang sieben. Dabei ist seine Ehrung eigentlich auch eine für seinen Kompagnon, den „eitlen Großdenker“, Philosophen und Talkshow-Stammgast Richard David Precht. Zusammen hatten sie in diesem Jahr das Buch „Die vierte Macht“ veröffentlich und darin einer Gruppe von nicht näher spezifizierten Leit- beziehungsweise Massenmedien moralisierende Meinungsmache vorgeworfen. Glücklicherweise für sie durften die beiden ihre Sicht auf die Dinge, von der sie behaupteten, sie sei in den Medien unterrepräsentiert, sodann in nahezu allen Leitmedien vortragen. Besonders in Erinnerung bleibt ihr Auftritt bei Precht-Freund Markus Lanz, in dem sich die Großdenker mit den Leit-Journalisten Melanie Amann (Spiegel) und Robin Alexander (Welt) anlegten.
Unter den weiteren peinlichen Berlinerinnen und Berlinern finden sich der CDU-Generalsekretär Mario Czaja (Platz 21), der erst vor kurzem eine äußerst stammelige Sendung ebenfalls bei Talk-Instanz Lanz ablieferte; die Schriftstellerin Alexa Henning von Lange (Platz 31), die in ihrem Buch „Das karierte Mädchen“ über die Zeit des Nationalsozialismus nicht über billige Klischees hinauskam, und ein in der Tip-Liste alter Bekannter: Dr. Motte auf Platz zwölf.
Motte alias Matthias Roeingh hatte 1999 als sozusagen erster peinlicher Berliner die Tip-Liste eröffnet. Der Gründer der legendären Loveparade schaffte es dieses Jahr erneut ins Stadtmagazin, weil er beim Revival seiner Parade, die diesmal unter dem Namen „Rave the Planet“ über die Straße des 17. Junis führte, ein ihm von irgendwem in die Hand gedrücktes „Querdenker“-Symbol „pathostriefend gen Himmel“ schwenkte. Später sagte er, er habe gar nicht gewusst, was das für ein Symbol gewesen sei.




