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Rammstein: Kebekus, Tschirner, Rezo – Hunderttausende spenden nach Prominenten-Aufrufen

Öffentlich mögen sich keine Prominenten mehr mit Till Lindemann und seiner Band solidarisieren. Dafür wächst die Unterstützung für die mutmaßlichen Opfer.

„Niemand soll sich entmutigt fühlen, offen über Erfahrungen zu sprechen“, heißt es auf dem Instagram-Profil von Carolin Kebekus.
„Niemand soll sich entmutigt fühlen, offen über Erfahrungen zu sprechen“, heißt es auf dem Instagram-Profil von Carolin Kebekus.Rene Traut/imago

Seit Tagen sind die Stimmen jener Prominenten verstummt, die sich mit der Band Rammstein um Frontmann Till Lindemann solidarisiert hatten. Lindemanns Ex-Partnerin Sophia Thomalla zum Beispiel war die Erste, die sich kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Musiker und seine Band zu Wort gemeldet hatte.

„Diesen ,Vorfall‘ hat es nie gegeben“, hatte sie Ende Mai der Bild mit Blick auf die Schilderungen Shelby Lynns gesagt, die die ganze Causa Rammstein überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Zuletzt hatte Thomalla am 2. Juni einen Tweet der Musikerin Jadu Laciny geteilt, die sich den Darstellungen mutmaßlicher Opfer gegenüber ebenfalls ungläubig zeigte – seitdem schweigt die Moderatorin zum größten #MeToo-Skandal in der deutschen Musikindustrie.

Und auch die Radiomoderatorin Verena Kerth sowie ihr Partner, der Musiker Marc Terenzi, die die Darstellungen von mittlerweile mehreren Dutzend Frauen in der vergangenen Woche noch als „absolut haltlos und unwahr“ bezeichnet hatten, wollten ihrer Unterstützung für Till Lindemann und seine Bandmitglieder bislang keinen Nachdruck verleihen. Seit die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den 60-jährigen Lindemann ermittelt, so scheint es, mag sich an dem Thema niemand mehr die prominenten Finger verbrennen.

Carolin Kebekus spricht sich gegen ein „Machtmissverhältnis“ aus

Umso lauter wurden in den vergangenen Tagen jene Stimmen, die sich mit den mutmaßlichen Opfern solidarisieren, die sich teils anonym an Rechercheteams mehrerer Medien wie NDR, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Welt gewandt hatten oder ihre Geschichten selbst über die sozialen Netzwerke verbreiteten: Sie legen Lindemann, für den die Unschuldsvermutung gilt, Nötigung und sexuelle Übergriffigkeiten zur Last; auch der Einsatz von Betäubungsmitteln steht als Vorwurf im Raum.

Till Lindemann wird mittlerweile von den Staranwälten Christian Schertz und Simon Bergmann vertreten, die am 8. Juni in einem Statement geschrieben hatten, die Vorwürfe nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen im Zusammenspiel mit K.o.-Tropfen seien „ausnahmslos unwahr“. Und: Man werde „wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten.“ Mehrere Frauen, darunter Shelby Lynn, meldeten in den vergangenen Tagen, sie hätten Post wie Unterlassungsforderungen aus dem Anwaltsbüro erhalten.

Die Frauen würden mundtot gemacht, heißt es von Kritikerinnen und Kritikern der juristischen Vorgänge; gleichzeitig würden weitere mögliche Opfer, die sich noch nicht geäußert hätten, eingeschüchtert, ihre Geschichten öffentlich zu machen. Schon Anfang vergangener Woche hatte die Spendenaktion eines Berliners, der diese Frauen bei einer möglichen juristischen Auseinandersetzung finanziell unterstützen will, großen Erfolg: Bis zum heutigen Montag (19. Juni) folgten seinem Spendenaufruf mit dem Titel „Hilfe für Rammstein Anwalts Opfer“ auf der Plattform gofundme.com mehr als 520 Unterstützerinnen und Unterstützer, die insgesamt rund 10.600 Euro spendeten.

Auch Tschirner sieht ein „Machtgefälle“ zwischen Lindemann und den Frauen

Seit dem Wochenende macht nun eine weitere Spendenaktion auf sozialen Medien die Runde. Initiiert wurde sie von der Amadeu-Antonio-Stiftung mit Hauptsitz in Heidelberg und Geschäftsstelle in Berlin, die als ihr generelles Ziel auf ihrer Website die „Stärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet“, nennt. Ihren Spendenaufruf im Rahmen des Rammstein-Skandals überschreibt die Stiftung mit dem Titel „Wie viel Macht 1€“.

„Niemand darf sich eingeschüchtert fühlen, offen über Erfahrungen von Machtmissbrauch oder sexuellen Übergriffen zu sprechen“, heißt es dazu auf der Stiftungsseite, „erst recht nicht, weil prominente Musiker mit teuren Anwälten drohen“. Wie die andere erwähnte Spendenaktion soll auch diese Gelder sammeln, um die mutmaßlichen Opfer bei möglichen juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen – bis zum Montagvormittag (19. Juni) hatten auf der Plattform betterplace.org mehr als 59.000 Unterstützerinnen und Unterstützer fast 650.000 Euro gegeben; das Spendenziel wird mit exakt 749.924 Euro angegeben.

Die große Aufmerksamkeit für die Aktion und die einhergehende Spendenbereitschaft dürften sich auch daraus ergeben, dass einige Prominente die Kampagne auf ihren Social-Media-Kanälen unterstützen. Die Komikerin Carolin Kebekus zum Beispiel hatte am Wochenende ein Video auf Instagram veröffentlicht, in dem sie von einem „Machtmissverhältnis“ spricht, das zwischen Lindemann mit seinen Staranwälten und den Frauen bestünde, die sich einen ähnlichen Rechtsbeistand nicht leisten könnten. „Niemand soll sich entmutigt fühlen, offen über Erfahrungen zu sprechen“, heißt es in einem Spendenaufruf für die Amadeu-Antonio-Stiftung, den Kebekus anhängte.

Auch die Schauspielerin Nora Tschirner unterstützt die Kampagne. Sie spricht ebenso von einem „klassischen Machtgefälle“ und weist auf den „Soli-Topf“ hin. „Lasst uns das mal angehen, dass hier im Ansatz eine Chancengleichheit herrscht“, so Tschirner. Weitere Prominente, die die Aktion am Wochenende auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken teilten, waren etwa der Youtuber Rezo, die Autorin Jasmina Kuhnke, der Musikproduzent Roger Rekless, der Schauspieler Kai Schumann, die Sängerin Sarah Lesch, der Entertainer Micha Fritz sowie die Politikerin und Autorin Jutta Ditfurth.