Fragebogen Berlin

Max Simonischek: „Ich werde Berlin spätestens im Frühjahr verlassen“

Unser Berlin-Fragebogen: Der Schauspieler Max Simonischek hadert mit einer immer verdreckteren Stadt und der Haltung der Menschen zu ihrem eigenen Lebensraum.

„Berlin ist leider bei weitem nicht das Nonplusultra“: Max Simonischek
„Berlin ist leider bei weitem nicht das Nonplusultra“: Max SimonischekEmanuel Kater

Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie lieber meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

Diesmal hat der Schauspieler Max Simonischek geantwortet und ein Problem angesprochen, das viele unserer prominenten Fragebogen-Ausfüller beschäftigt. Immer wieder lesen wir an dieser Stelle, dass die Stadt als dreckig wahrgenommen wird, dass das Müllproblem zunimmt. Bei Max Simonischek geht das Unwohlsein darüber so weit, dass er seiner Geburtsstadt wohl demnächst den Rücken kehren wird.

Der Vater zweier Kinder lebt mit seiner Familie in Kreuzkölln, mittendrin im Szenekiez also. Beruflich kommt der 40-Jährige viel herum – ein Umstand, der die Entscheidung, Berlin zu verlassen, beeinflusst haben mag. Die Krimireihe „Laim“ etwa, in der Simonischek den empathischen Ermittler Lukas Laim spielt, entsteht in München und Umgebung. Nun aber zurück nach Berlin – und übrigens auch zu vielen positiven Dingen, die Simonischek dieser Stadt abgewinnen kann.

1.           Herr Simonischek, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

Seit meiner Geburt in West-Berlin am 19. Oktober 1982. Es gab ein paar berufliche Unterbrechungen, aber im Grunde war ich nie wirklich weg.

2.           Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

Wahrscheinlich der auf meiner Simson S51 an einem lauen Sommerabend, während ich durch die Stadt fahre und das Treiben auf den Straßen beobachte.

3.           Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

In die Ruhe und Einsamkeit. Also eher raus aus Berlin, rauf auf einen Berg. Tirol ist gut in Bergen, aber auch das Tessin oder Beirut.

4.           Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

Die gibt es nicht. Vielmehr freue ich mich nach so langer Zeit in der Stadt, dass ich immer wieder in Ecken komme, in denen ich noch nicht war. Wenn ich mit meinen Kindern unterwegs bin, versuche ich die Ecken mit zu viel Müll zu meiden. Also Hermannplatz, Kottbusser Tor, die U-Bahn-Linie 8. Das wird aber immer schwieriger, weil die Stadt immer dreckiger wird, obwohl die BSR einen super Job macht.

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Michael Marhoffer/ZDF
Zur Person
Max Simonischek wurde 1982 in West-Berlin geboren. Seine Eltern sind die Schweizer Theater- und Filmschauspielerin Charlotte Schwab und die im Mai verstorbene österreichische Schauspiel-Legende Peter Simonischek. Max Simonischek wurde am Mozarteum in Salzburg ausgebildet. 2007 wechselte er als festes Ensemblemitglied ans Maxim-Gorki-Theater in Berlin und stand seither auch auf vielen anderen Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Der 40-Jährige hat sich nicht nur als Darsteller anspruchsvoller Charaktere im Theater etabliert, er war auch in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen zu sehen. So spielte er im Zweiteiler „Hindenburg“, im preisgekrönten Schweizer Spielfilm „Die göttliche Ordnung“ und erhielt 2019 große Anerkennung als Reformator im Kinofilm „Zwingli“.

Seit 2012 ermittelt Simonischek in der „Laim“-Krimireihe. Die neue Folge „Laim und die schlafenden Hunde“ läuft am Montag (18. September) um 20.15 Uhr im ZDF. Ab 5. Oktober ist Simonischek in „Minna von Barnhelm“ am Deutschen Theater in Berlin zu sehen.

5.           Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

Ich gehe so gerne und darum viel essen. Ich mag die Freundschaft, Curry 36, den Goldenen Hahn, Dr. To’s, die Reisschale, den Grill, Lavanderia, Tabibito und Kotti Dang, Guru, Zola, Barettino und das Spindler. Mein Favorit ist aber eine Portion Foul mit Joghurt bei Aldimashqi.

6.           Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

Ich kaufe ausschließlich bei Karstadt am Hermannplatz ein. Dort bin ich glücklich und bekomme alles. Von der Kugelschreibermine in meiner favorisierten Stärke und Farbe über frische Sonnenblumen für meine Lieblingsoptikerin gegenüber am Hermannplatz bis hin zu einem Haarschnitt.

Leider gibt es die Currywurstbude davor nicht mehr, dort stand ich gerne, die Currywurst war berlinweit spitze und das Klientel, das sich dort tummelte, ebenso. Im Karstadtkeller gibt es gute Biere bei Maria und im Schaufenster zum Hermannplatz einen sehr, sehr schlechten Kaffee ohne Gedöns, was ich entspannend sympathisch finde.

7.           Der beste Stadtteil Berlins ist …

Der, die, das Beste ist immer so eine Sache. Wer macht den besten Kaffee der Stadt? Wo gibt’s den besseren Fußball, das beste Theater? Aber ich hab mal gehört: Moabit ist Beste!

8.           Das nervt mich am meisten an der Stadt:

Der Dreck und der Müll. Überall, wohin man schaut, sehe ich Müll, auf den Boden spuckende Menschen, die ihre Essensreste einfach liegen lassen. Ratten. Ich verstehe diese Haltung zu seinem eigenen Lebensraum einfach nicht. Neulich bin ich in den Genuss gekommen zu sehen, wie jemand in die U-Bahn-Station Boddinstraße kackt. Der Herr tat mir leid und gleichzeitig bestärkt es mich in meinem Vorhaben, die Stadt zu verlassen, denn meinen Kindern würde ich diesen Anblick auf ihrem Schulweg gerne ersparen.

Ich bin beruflich nicht an Berlin gebunden, also frei darin zu wählen, wo wir als Familie leben wollen. Es gibt so viele schönere und freundlichere Orte, an denen ein respektvolleres Miteinander gelebt wird. Eigentlich sollte man denken, dass dort, wo viele Menschen auf engem Raum leben, die Sensibilität jedes Einzelnen gegenüber der Gesellschaft zunimmt. Mich nervt die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung, die tendenziell gegenteilig verläuft. Die eigenen Bedürfnisse werden bis aufs Letzte verteidigt und zum höchsten Gut. Dabei vergisst man rasch, dass man auch Pflichten als Bürger einer Gemeinschaft hat. Ich schlage wieder etwas mehr individuelle Evolution vor, statt nur gesellschaftliche Revolution zu fordern.

Bisher sind wir uns nur sicher, dass wir Berlin spätestens im Frühjahr 2024 verlassen werden. Es zieht uns in den Süden, wohin genau, hängt noch von mehreren Faktoren ab.

9.           Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

Wem soll es Berlin denn recht machen? Dem Hipster aus Neukölln, dem Arbeiter aus Marzahn oder dem Anwalt aus Steglitz? Es lebe die Vielfalt. Bevor ich Veränderung von anderen fordere, die mir persönlich entgegenkommt, verändere ich lieber selber etwas.

10.         Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

Ach, Ratschläge helfen vor allem dem, der sie gibt.

11.         Cooler als Berlin ist nur noch …

Berlin ist leider bei weitem nicht das Nonplusultra.