Schon klar: Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Und in ersteren leben wir ja – in irritierenden Zeiten, geprägt von Unsicherheiten und Verwerfungen. Es ist also kaum verwunderlich, dass es aktuell so viele wichtige Bewegungen gibt; von jener, die sich für eine endlich effektive Klimapolitik einsetzt, bis zu denen, die gegen Diskriminierung und Ausgrenzung kämpfen.
Was allerdings auch ein Phänomen unserer aufreibenden Zeiten ist: So ziemlich alles wird zu einer Bewegung verklärt – es muss nur genügend Menschen geben, die mitmachen. Unter dem Schlagwort des „Weird Girl Aesthetic Movement“ zum Beispiel finden sich derzeit Instagram-Userinnen zusammen, die dezidiert „seltsam“ aussehen wollen; das „Slow Movement“ fordert mehr Langsamkeit in allen Lebenslagen, das „Third Wave Coffee Movement“ einen bewussteren Kaffeegenuss.
Größter Stromfresser im Haushalt
Und dann wäre da noch das „No-Wash Movement“, die Bewegung der Wasch-Verweigerer also. Was in seinen Anfängen vor allem das Haupthaar betraf – viele Menschen schwören seit einigen Jahren darauf, die Haare möglichst selten, und wenn überhaupt, dann nur mit Wasser, aber ohne Shampoo zu reinigen –, hat nun auch die Textilwäsche erreicht.
Die Waschmaschine, die zu den größten Stromfressern im Haushalt gehört, möglichst selten zu benutzen, ergibt natürlich Sinn. Nicht nur jetzt, wo mit Energie besonders sorgsam umgegangen werden sollte. Das Sparen von Wasser und Reinigungschemikalien ist ohnehin eine gute, weil umweltschonende Sache. Aber wie das mit den Bewegungen so ist – es gibt immer Anhängerinnen und Anhänger, die so richtig über die Stränge schlagen.
Der Guardian etwa hat einen solchen „No-Wash“-Hardliner gefunden: Anfang Juni berichtet das Blatt von einem Briten, der seine Waschmaschine nur noch einmal im halben Jahr anschmeißt – dann nämlich, wenn’s wirklich gar nicht mehr anders geht. Strom sparen, Wasser sparen, Zeit sparen: Damit das möglich ist, hat sich der als „Tim“ vorgestellte Mann einiges einfallen lassen.
Das größte Problem seien die Socken, die nach dem Tragen miefen, erzählt er dem Guardian. Seine ebenso naheliegende wie befremdliche Lösung: Tim trägt keine Socken mehr. Für den Sommer und auch für einen beachtlichen Teil des Winters ist er komplett auf Sandalen umgestiegen; bei allzu kaltem Wetter steigt er strumpffrei in die Stiefel. Statt handelsüblicher Baumwollunterhosen wiederum trägt Tim meistens Badehosen, die er unter der morgendlichen Dusche gleich mitwäscht.
So weit muss es freilich niemand kommen lassen. Es stimmt allerdings, dass die Menschen ganz generell zu viel waschen. Die Entwicklung der kompakten Waschmaschine für daheim hat das genauso möglich gemacht wie die Veränderung der Mode, für dessen Erstellung heute weniger oft empfindliche Wollmaterialien und stattdessen wasserfreundlichere Chemiefasern zum Einsatz kommen. Das Ergebnis: Viele Textilien, darunter längst nicht nur Socken und Unterhosen, werden grundsätzlich nach nur einmaligem Gebrauch gewaschen.
Das schadet nicht nur der Umwelt – sondern auch den Kleidungsstücken selbst. Mehr noch als das Tragen nämlich setzt den Textilien das Waschen zu. Also heißt eine potente Alternative: Lüften. Man kennt das ja ohnehin vom Merino-Pulli oder dem Kaschmir-Schal, den man gar nicht erst in die Waschmaschine geben darf; auch sie werden stattdessen an die frische Luft gehängt.
Genauso lässt sich das mit allen anderen Kleidungsstücken machen. Sollen sie nur wieder frisch werden, so reicht es völlig, T-Shirts und Tanktops, Hemden und Hosen auf den Balkon, in den Garten oder vor das geöffnete Fenster zu hängen. Gerade bei Naturmaterialien wie Wolle oder Baumwolle bietet sich das an. Gegen Flecken hilft das natürlich wenig – ihnen rücken „No-Wash“-Aktivistinnen und -Aktivisten mit Fleckenentferner und etwas Wasser zu Leibe, auch einfache Bürsten können bei manch verkrusteten Schmutz helfen.
Weniger Waschen ist eine gute Idee
Eine weitere beliebte Methode des „No-Wash Movement“: Einfrieren. Minustemperaturen beugen dem Bakterienwachstum vor, weswegen viele Menschen bestimmte Kleidungsstücke über Nacht in die Gefriertruhe stecken. Gerade bei Jeans ist dies eine gängige Praxis – selbst viele Menschen, die ihre übrige Wäsche ganz normal waschen, schwören bei Denim-Hosen auf Frost statt Feinwaschmittel. Jeans sehen attraktiver aus und tragen sich besser, je seltener sie mit Wasser in Berührung kommen, so die Meinung.
Allerdings: Schweiß und andere Körperflüssigkeiten werden aus Textilien nicht entfernt, nur weil sie im Gefrierfach liegen. Einen echten Ersatz für die Wäsche stellt das Einfrieren also nicht dar. Genauso wenig wie das Lüften. Gerade Unterwäsche, Socken und Sportbekleidung sollten regelmäßig in die Trommel wandern – es muss ja nicht gleich der möglichst lange, möglichst heiße Waschgang sein.




