Zugegebenermaßen hatte es das Wetter den Gästen nicht leicht gemacht: Zwischenzeitlich nieselte es auf die Besucherinnen und Besucher der Festspiel-Eröffnung in Bayreuth nieder – als würde Petrus über ihre Garderobenwahl weinen. Denn tatsächlich gab es sie auch am Dienstag wieder: Die Rote-Teppich-Momente, bei denen kein Auge trocken blieb – im negativen Sinn.
Doch Beobachterinnen und Beobachtern des Abends war nicht nur zum Heulen zumute. Es gab auch echte Highlights in Bayreuth, womit freilich nicht die dahingeklimperten Wagner-Stücke gemeint sind. Perfekt sitzende Anzüge, fließende Abendkleider, schöne Farben, gute Schnitte – so klappt’s auch mit den Sitznachbarn.
Wir haben uns durchforstet durch die Bilder der Eröffnung der Bayreuther Festspiele, die noch bis in den August laufen werden. Gefunden haben wir einige Tops – und jede Menge Flops.
FLOP: Eine ungünstige Wahl hat Ursula von der Leyen getroffen: Mit seinen plissierten Flatterärmeln, dem plissierten Rock und dem wenig modernen Gürteldetail wirkt ihr Kleid furchtbar altbacken – wie ein Mottenkisten-Fund aus den 1950ern, der selbst im Humana am Frankfurter Tor keine Abnehmerin mehr gefunden hätte. Geradezu unverzeihlich ist die viel zu große, viel zu schwarze Abendtasche, die einfach nicht zur mittelblauen Farbe – übrigens auch ein absolut altmodischer Ton – ihres Kleides passen will. Immerhin: Der Rockteil endet den perfekten Zentimeter über dem Boden, eine hervorragende Länge – das hat die Präsidentin der Europäischen Kommission vielen Festspiel-Gästinnen voraus. Und: Ehemann Heiko von der Leyen kann im wirklich gut geschnittenen Anzug glänzen.Imago TOP: Kein Sinn für Progressivität, kaum Willen zur Veränderung, die Strategie des Aussitzens und Abwartens: Was Merkels Politik zur Farce gemacht hat, kommt ihr bei der Garderobenwahl zugute. Weil sie die stoische Unbeirrbarkeit vor größeren Peinlichkeiten bewahrt. So wie bei der Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth, zu der sich Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein grün-bläulich schimmerndes Komplet aus bodenlangem Rock und kragenlosem Jäckchen entschied. Ein aufregender Look? Ganz und gar nicht. Aber einer, der eben nicht unangenehm auffällt. Und: Ein Outfit, das absolut Merkel ist. Die Frau hat einen wenig aufregenden, aber wirklich eigenen Stil entwickelt; die steife Jacke mit bezogenen Knöpfen und Dreiviertelärmeln – das ist Merkel, unverkennbar. Weniger gelungen: Der übergroße Käppchenkragen und die traurig herunterhängende Fliege von Joachim Sauer.Imago
FLOP: Ansonsten eine stilsichere Erscheinung hat Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler dieses Outfit offenbar in einer Seitenstraße der Düsseldorfer Königsallee erstanden, jener Meile, in der Damen mit viel Geld und wenig Geschmack shoppen gehen. Zwar ist das Cape durchaus raffiniert, doch die glänzenden Pailletten verleihen dem Hosenanzug eine halbseidene Anmutung, die sich noch verstärkt durch die Tatsache, dass die Hose viel zu kurz ist und die Sicht auf ein paar hochhackige Riemen-Sandalen freigibt, die durch ihren Plateauabsatz nach Pole-Dance aussehen.Imago
TOP: Ohnehin verfügt Gloria von Thurn und Taxis über ein recht avantgardistisches Können und stellt ganz sicher alle deutschen adligen Frauen mit der Wahl ihrer Garderobe und ihrem oft übergroßen und auffälligen Schmuck in den Schatten. Sie kann sich den unkonventionellen Look, für den sie schon in den 1980ern berühmt und oft berüchtigt war, durchaus leisten. Ihr roséfarbener Look steht ihr sowohl farblich als auch vom Schnitte her gut zu Gesicht, perfekt ergänzt durch ein mehrreihiges Perlencollier. Über die weißen Handschuhe lässt sich streiten, schnell sieht man damit aus wie Mickey Maus. Von Thurn und Taxis aber trägt das alles mit soviel Stilbewusstsein, dass man für ein paar Sekunden ihre oft kruden Statements zur allgemeinen Lage im Land und der Welt vergessen könnte.Imago
FLOP: Unsere Empfehlung: Das Modell „STH2000/20“ von Philips für 44,99 Euro. Für Kathy Kelly wäre das wirklich gut investiertes Geld gewesen – schließlich hätte sie so ein praktischer Steamer vor dem faltenreichen Auftritt bei der Festspiel-Eröffnung bewahrt. Die Tochter des Kelly-Family-Clans verfügt aber offenbar nicht über ein solches handliches Dampfgerät, oder sie will es schlichtweg nicht benutzen; auf ihrer mitternachtsblauen Seidensatin-Robe zeichnen sich unschöne Fältchen ab. Das ist besonders ungünstig, weil auch das Kleid an sich in seiner laissez-fairen Weite und mit den unmöglich geschnittenen Flatterärmeln wie ein zerwühltes Nachthemd aussieht. Auch schwierig: die schwarze Henkeltasche im Format eines Arztkoffers.Imago
TOP: Das bisherige traurige Highlight der großen Modelust von Dorothee Bär: Ihr Bondage-Aufzug zur Verleihung des Computerspielpreises 2019, ein neonfarbenes SM-Ungetüm der Berliner Designerin Marina Hoermanseder. Nicht der einzige, aber der tragischste Styling-Unfall, in den die CSU-Frau als bekennende Modeenthusiastin bisher verwickelt war. Insofern muss schon jeder Ach- und Krach-freie Auftritt der Politikerin lobend hervorgehoben werden. Dieses Mal erst Recht, hat die Bär doch ein wirklich hübsches Abendkleid gewählt – fast schon erinnert der Entwurf mit Carmen-Ausschnitt, ausgestelltem Rockteil und interessant gearbeiteter Oberflächenstruktur an eine 50er-Jahre-Robe Christian Diors. Auch die hellblaue Farbe steht ihr ausgezeichnet – genau wie das hübsche blonde Accessoire an ihrem Arm.Imago
FLOP: Das Ehepaar Söder hatte an diesem Abend keinen guten Lauf: Sein Hemd hätte eine Nummer kleiner, ihr Kleid eine Nuance weniger verspielt sein dürfen. Auch der Smoking des Bayerischen Ministerpräsidenten hat nicht nur gute Momente: Das aufsteigende Revers etwa ist viel zu groß und viel zu spitz – als wollte Markus Söder seine Konzert-Sitznachbarn mit den zickig ausgestellten Kragenspitzen aufspießen. Ins Berliner Freibad wäre er mit solch waffenscheinpflichtiger Textilie jedenfalls nicht hereingekommen. Das Abendkleid von Gattin Karin Baumüller-Söder wiederum hätte schon mehr Ecken und Kanten vertragen können: Seine Faltendetails und Drapierungen wirken zu spielerisch, das Rosa etwas arg mädchenhaft. Besser aufgehoben wäre sie damit auf der Premiere des „Barbie“-Films gewesen.Imago
TOP: Zu wenig festlich – das werden viele Kritikerinnen und Kritiker über den Auftritt Monika Grütters‘ beim Festspiel-Auftakt sagen. Und es stimmt schon, eine bodenlange Robe macht mehr her. Allerdings: Nicht jede Frau fühlt sich im Abendkleid wohl, also müssen geschickte Hosenkombinationen her. Und eine solche hat die ehemalige Landesvorsitzende der CDU nun vorgeführt. Als zentrales Element funktioniert das Beinkleid hier tatsächlich gut; es hat eine schöne, lässige Länge und ein hübsches, dezentes Schlitzdetail. Und dank des Überwurfs in einem modernen Pistazienton steht Monika Grütters den Damen im Abendkleid ohnehin in Nichts nach: Das kleinplissierte Mäntelchen sorgt für Schwung im Outfit. Die Spitzendetails am Oberteil hätte es da eigentlich gar nicht mehr gebraucht.Imago
FLOP: Fast immer liegt Claudia Roth richtig. Die Frau hat ein Gefühl für Farbe, bringt neongrüne Schals nonchalant mit edlen Grau- und Beigenuancen zusammen, geht geschickt mit starken Pinktönen und intensivem Rot um. Auch für Qualitäten beweist die Staatsministerin für Kultur und Medien stets einen Sinn – ihre Kleidung wirkt hochwertig, außerdem voll von Witz und Eigensinn. Umso trauriger, dass sie auf dem roten Teppich der Bayreuther Festspiele nicht überzeugen konnte: Das mittelblaue Abendkleid wirkt befremdlich steif, sein Material scheint eher im Bereich der Heimtextilien angesiedelt. Ein bisschen sieht Frau Roth – pardon – wie ein Sitzmöbel aus, das sich auf den roten Teppich verirrt hat.Imago
TOP: In dieser Liste tauchen eindeutig zu wenige Männer auf – als böten sich nur die Damen für modische Betrachtungen an. Natürlich liegt das nicht an tradierten Grundsätzen, sondern daran, dass die Herren eben immer gleich aussehen. Auch Michael Müller hat sich für den wenig aufregenden schwarzen Klassiker entschieden. Allerdings: Sein Smoking ist wirklich gut geschnitten – vor allem untenrum. Die Hose des als „Michl“ bekannten fränkischen Kabarettisten liegt den perfekten Zentimeter auf den fein gewichsten Schuhen auf. Auch schön: Der glänzende Reverskragen. Alles in Allem ein Auftritt, der fast schon hollywoodtauglich wäre.Imago
FLOP: Die Bundesvorsitzende von den Grünen, Ricarda Lang, ist eine selbstbewusste Frau, die oft genug angefeindet wird für ihre Erscheinung, was absolut indiskutabel ist. Bei diesem Kleid indes muss man sich fragen, warum an den Armen an Stoff gespart wurde. Seltsam planlos sehen die halblangen Ärmel aus, irgendwie nach Zwischenlösung und Ideenverlust beim Schneidern. Hinzu kommt das tote Dunkelblau, das Langs Robe etwas Unfrohes, wenig Festliches verleiht. Da möchte man sich doch gleich in Wotans Schwert stürzen.Imago
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