Arbeitswelt

„Live Quitting“: Warum immer mehr Angestellte live auf TikTok ihren Job kündigen

In den USA laden zahlreiche Userinnen und User Videos ihrer Kündigungsgespräche hoch. Was soll das – und kommt der seltsame Social-Media-Trend auch nach Deutschland?

Bevor im Büro zusammengepackt werden kann, kommt das unangenehme Gespräch mit dem Chef.
Bevor im Büro zusammengepackt werden kann, kommt das unangenehme Gespräch mit dem Chef.Westend61/imago

Die eine arbeitet in flachen Hierarchien mit netten Kollegen und tollen Chefs; der andere quält sich jeden Morgen in ein Büro mit vergifteter Arbeitsatmosphäre. So oder so: Wer den Job wechseln will, sieht sich erst einmal mit einem unangenehmen Termin konfrontiert. Der Kündigung nämlich, bei der entweder dem lieben Vorgesetzten vor den Kopf gestoßen oder – je nachdem – ein bitteres letztes Gespräch mit dem blöden Arbeitgeber geführt werden muss.

Meist ist es ein Termin, den man nur zügig hinter sich – und möglichst schnell vergessen will. In den USA hat sich nun allerdings ein Trend entwickelt, der das genaue Gegenteil ergibt: Besonders junge Menschen filmen sich bei ihrem Kündigungsgespräch und stellen die Videos davon auf TikTok online. „Live Quitting“ nennt sich der Trend – eine Kündigung in Echtzeit also.

Unzählige entsprechende Clips finden sich in den sozialen Medien, teilweise werden sie Hunderttausende Male, einige sogar millionenfach angeklickt. So wie das Video der Tiktokerin Darby Maloney etwa, das als bisher erfolgreichster Beitrag des neuen Trends gilt: Nach aktuellem Stand (26. Juli) hat ihr Kündigungs-Clip, den die US-Amerikanerin bereits im Februar dieses Jahres veröffentlicht hatte, mehr als drei Millionen Klicks auf TikTok.

@durbinmalonster

Quitting my corporate stable job that I love in this economy??? Y’all should have seen my dads face when I told him hahaha.

♬ original sound - Darby

Maloney ist darin zu sehen, wie sie ihrer Chefin per Videochat unter Tränen bedeutet, dass sie den Job wechseln will. „Wir sind so traurig und werden dich vermissen, aber ich freue mich für dich und bin sicher, dass du das toll machen wirst“, sagt die Vorgesetzte; ihr Verhalten wird in zahlreichen TikTok-Kommentaren lobend hervorgehoben.

„Kündigung aus einem der schlimmsten Jobs, die ich je hatte“

Andere Angestellte und Chefs gehen offenbar deutlich weniger friedlich auseinander. „Live-Aufnahmen von meiner Kündigung aus einem der schlimmsten und demoralisierendsten Jobs, die ich je hatte“, betextet ein Tiktoker mit dem Onlinenamen „omgitsstephenlol“ sein Quitting-Video mit aktuell rund 11.000 Klicks, „Bitte entschuldigt mein falsches Lachen.“

So ähnlich die Videos inhaltlich auch sind – etwa halbminütige Clips im Selfie-Modus –, so unterschiedlich scheinen auch die Beweggründe dafür zu sein, warum sie hochgeladen werden. „Ich will meinen Followern die Angst vor dieser Situation nehmen“, schreibt eine Tiktokerin, während andere offenbar vor allem ihren Befreiungsschlag von einer ungesunden Arbeitsbeziehung zelebrieren wollen.

@omgitsstephenlol Live footage of me quitting one of the worst most demoralizing jobs I’ve ever had. Please excuse the fake laughter. #iquit #youwontbreakmysoul #quitting #corporatelife #corporatetiktok #onwardandupward #careermoves ♬ original sound - Stephen 🤪

Unumstritten ist der Online-Trend jedenfalls nicht. Jobexpertinnen und -experten weisen darauf hin, dass sich ein solcher Clip auf etwaige Bewerbungen um eine neue Arbeitsstelle negativ auswirken könnte. Schließlich sähen sich Chefs und Firmen mittlerweile auch die Social-Media-Kanäle potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten ganz genau an – eine feierliche Kündigung in Videoform, unter Umständen sogar garniert mit negativen Äußerungen über den alten Arbeitgeber, komme überhaupt nicht gut an.

Zumindest in Deutschland, wo der TikTok-Trend bisher noch keine größeren Kreise gezogen hat, kommen außerdem datenschutzrechtliche Bedenken hinzu. „Schon das Aufzeichnen und Mitschneiden eines Gesprächs, egal ob in Person oder über Zoom, dürfte einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des beziehungsweise der Gesprächspartnerin darstellen“, wird der Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Hannes Jürgens in Online-Artikeln zitiert – „von der Veröffentlichung im Internet mal ganz abgesehen“.

Ferner weist Jürgens daraufhin, das deutsche Recht sähe „für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Schriftform vor“. Eine mündlich ausgesprochene Kündigung sei also unwirksam – was einem entsprechenden Live-Video des Gesprächs mit der Chefin oder dem Chef die Spannung nimmt.