Sommer

Eiskalt: So setzt die EU das Vanille-Gesetz in Berliner Eisdielen durch

Die Behörden kontrollieren ausgerechnet die beliebteste Eissorte in Deutschland besonders streng. Der Gesetzgeber will es so. 

Zu Besuch bei Hokey Pokey in Prenzlauer Berg: Es gibt eine Kugel Vanilleeis auf die Hand von Samuel.
Zu Besuch bei Hokey Pokey in Prenzlauer Berg: Es gibt eine Kugel Vanilleeis auf die Hand von Samuel.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

Kinderhände drücken gegen die Scheibe, hinter der süß-klebrige Pasten in bunten Farben aufbewahrt werden. Es ist Sommer, da darf eine Kugel Eis nicht fehlen. Und die Lieblingssorte der Deutschen hat wohl selbst der innovativste Eisverkäufer im Angebot: Vanille. 

Obwohl immer mehr Eisverkäufer auch auf den Vegan-Trend setzen – vor allem Sorbets sind hoch im Kurs –, ist Vanille nach wie vor Bestseller, sowohl beim Verpackungseis als auch beim Eis, das über die Theke geht. Mit 16,6 Prozent führt Vanille laut einer Studie des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) sogar die Hitliste beim Verpackungseis an. Auf Platz zwei folgen Keks- (15,6 Prozent) und Fruchteis (12,2 Prozent). Eine Studie, die belegt, dass Vanille das beliebteste Eis in Eisdielen ist, gibt es zwar nicht, doch klar ist: Vanille ist gefragt. 

Aber weit gefehlt, wer meint, alle Eisverkäufer würden nur echte Vanille in ihrem Eis verwenden. Manche sparen an Vanilleschoten und rühren stattdessen Aroma unter. Die Kontrolleure vom Gesundheitsamt kommen mindestens einmal im Jahr und nehmen Proben – wenn Beschwerden amtlich bekannt werden oder der Verdacht einer Täuschung besteht –, auch vom Vanilleeis.

„Unsere Vanille bekommen wir direkt aus Frankreich“, erzählt Hokey-Pokey-Chef Fabian Zeisler. Der Eisverkäufer aus Prenzlauer Berg berichtet von der Produktion: „Da kratzen wir immer eine ganze Menge Vanilleschoten aus.“ Das sei in der Herstellung auch nicht teurer als ein Pistazieneis. Beide Sorten kosten bei Hokey Pokey als große Kugel 2,40 Euro. Die Bourbon-Vanille, die er in seinem Vanilleeis verwende, koste etwa 300 Euro pro Kilogramm, sagt Zeisler.

Hokey Pokey gehört in Prenzlauer Berg zu den hochpreisigeren Eisdielen. Bei Annamaria in der Husemannstraße zahlt der Kunde mit 1,80 Euro oder zwei Euro pro Kugel – je nach Zutat – deutlich weniger. Allerdings steht auf dem Schild, auf dem man „Vanille“ erwartet, in weißen Lettern „Vanillegeschmack“. Das irritiert. 

Verkäufer: Einkaufspreise für Eisprodukte um 40 Prozent gestiegen

„Ja, da ist richtige Vanille drin, aber da auch Aroma drin ist, muss man es ‚Vanillegeschmack‘ nennen.“ Es gebe eine neue Verordnung seit 2016, die das Ordnungsamt regelmäßig kontrollieren komme, erklärt Inhaberin Sabine Lesti. Hält sich Lesti nicht an das Gesetz, betrügt sie die Kunden. So sieht es der Gesetzgeber. Lesti sagt, sie habe allerdings noch nie Strafe zahlen müssen.

Nuredin Rustemi ist ein freundlicher Mann. Er lächelt viel und scheint der geborene Verkäufer zu sein. Wenn das Eisgeschäft mal nicht läuft, könnte er auch Glühwein verkaufen. Doch aktuell ist er Inhaber von Berg Eis in der Sredzkistraße in Prenzlauer Berg.

Vanilleeis ist nicht gleich Vanilleeis in deutschen Eisdielen.
Vanilleeis ist nicht gleich Vanilleeis in deutschen Eisdielen.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

Rustemi musste die Preise um zwanzig Prozent anheben in den vergangenen Jahren. Er produziere selbst, und die Einkaufspreise seien um 40 Prozent gestiegen, sagt er. Auch er nennt sein Vanilleeis „Vanillegeschmack“. Strafe habe auch er bislang nicht zahlen müssen. 

Das Bezirksamt leitet mittlerweile ein Bußgeldverfahren ein, wenn Eisdielen sich nicht an das Gesetz halten. Die Behörden wollen so „ die Lebensmittelsicherheit und den Verbraucherschutz (...) gewährleisten“, schreibt Elke Ulbricht vom Bezirksamt auf Anfrage der Berliner Zeitung zu der Frage, warum ihre Behörde Vanille-Kontrollen durchführt. Gesetzesgrundlage ist demnach die EU-Verordnung 2017/625, Lebensmittelfuttergesetzbuch, § 39 § 2 Absatz 6 Satz 1 Nr. 1. Wie hoch die Strafen sind, hängt ganz von Art, Schwere und Umfang des Verstoßes ab. Es könne jedoch beim Einzelverstoß bis zu 100.000 Euro hohen Geldbußen kommen, so das Ordnungsamt.

Hat sich da etwa jemand nicht die Hand gewaschen?

Felix Schwabe von den Eisdielen Süssfein in der Brunnenstraße und in der Rykestraße scheint das Vanille-Gebot noch nicht zu kennen. Er nutze echte Vanille für sein Produkt, sagt er. Regelmäßig kämen Kontrolleure. „Aber die testen nur den Keimgehalt – sie schauen halt, dass ich sauber arbeite.“ Überhaupt: Auf Hygiene gehen mehrere Eisdielenbetreiber, die mit der Berliner Zeitung gesprochen haben, ausführlich ein.  

Eisdielenbetreiber Schwabe sagt, dass es Richtlinien für jeden Betrieb gebe, die er einhalten müsse. Sei Eis doch mal mit Keimen belastet, gelte es, den Grund dafür im Herstellungsprozess auszumachen: „Liegt es daran, dass sich jemand nicht die Hand gewaschen hat oder dass man schlechte Ware im Kühlhaus hatte?“

Vanillekonzentrat ist ebenfalls ein beliebtes Mittel von Eisdielenbetreibern, den aufwendigen Prozess des Vanilleschotenauskratzens einzusparen. Auch Il Glaciale verwendet es. Sarah Frost sorgt in dem Laden für das eiskalte Vergnügen. Sie berichtet von dem Smiley-Punktesystem, das es nur in Pankow gibt. Kunden erkennen damit sofort, wie der gesuchte Betrieb bei der letzten Lebensmittelkontrolle abgeschnitten hat. Wie gut oder schlecht das Vanilleeis geschmeckt hat, zeigen die Smileys nicht. 🙁