Es sind schwere Vorwürfe, die seit ein paar Tagen in der Welt sind. Eine Irin wirft dem Rammstein-Sänger Till Lindemann (60) vor, sie und andere Fans während eines Konzerts der Band in der vergangenen Woche unter Drogen gesetzt zu haben. Die 24-Jährige veröffentlichte in den sozialen Medien Fotos von Verletzungen und Chatverläufe mit anderen angeblichen Opfern.
In der Nacht zu Montag reagierte die Band auf die Anschuldigungen, nachdem sich diese via Twitter und Instagram rasant verbreitet hatten. „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt“, heißt es in einem Statement auf Rammsteins offiziellem Twitter-Account.
Vielfach ist in den Kommentaren zur Causa Rammstein nun davon die Rede, dass die Band mit den Vorwürfen mundtot gemacht werden solle – ein in diesen Fällen üblicher Reflex. „Der Rammstein ‚Skandal‘ zeigt mir mal wieder wie gefährlich die Cancel Culture ist“, schreibt eine Userin bei Twitter.
Doch ein Blick auf prominente Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigt: So einfach ist es beileibe nicht.
Der #Rammstein “Skandal” zeigt mir mal wieder wie gefährlich die Cancel Culture ist.
— Anika❤️🔥 (@anikaohnenamen) May 29, 2023
Es gibt 0 Beweise die 100% irgendwas belegen.
Trotzdem fangen Leute an Schlüsse zu ziehen die sich absolut 0 mit dem Thema befasst haben und die Band zu haten.
1. Luke Mockridge
Der in Bonn geborene Comedian war zu seinen besten Zeiten regelmäßig zu Gast auf den großen Bühnen und bei den großen Sendern. Er trat im Quatsch Comedy Club auf, bei „TV total“ und im „ZDF-Fernsehgarten“, seit 2015 hatte er eine eigene Sendung bei Sat.1.
2021 erhob seine Ex-Freundin, die Moderatorin Ines Anioli, in den sozialen Medien Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen Mockridge. Im Internet riefen Frauen den Hashtag #KonsequenzenFürLuke ins Leben. Daraufhin zog sich der 34-Jährige von September 2021 bis März 2022 aus der Öffentlichkeit zurück.
Ein auf eine Anzeige Aniolis eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Köln eingestellt. Die Staatsanwältin sah damals unter anderem wegen Unstimmigkeiten in den Angaben Aniolis keinen hinreichenden Tatverdacht. Der Spiegel, der unter dem Titel „Die Akte Mockridge“ den Fall noch einmal aufrollte, musste wesentliche Teile des Textes wegen „unzulässiger Verdachtsberichterstattung“ streichen, nachdem Mockridge gerichtlich dagegen vorgegangen war.
Inzwischen steht Mockridge wieder auf der Bühne. Mit seinem neuen Programm „Trippy“ tourt er derzeit durch Deutschland. Auch Sat.1 hat den Komiker und Moderator ins Programm zurückgeholt. Bei seinem TV-Comeback erklärte er Anfang Januar: „Vor einem Jahr hätte ich es nicht gedacht, dass ich noch mal auf einer Bühne stehe. Der Shitstorm, das war schon ein krasses Ding.“ Er habe dabei zuschauen müssen, wie auf einmal seine ganze Welt in Flammen stand. „Das hat mich richtig fertiggemacht.“
Im Studio bekam der Sänger tosenden Applaus, auf Social Media hagelte es Kritik. Proteste gab es auch am Rande eines Berlin-Auftritts von Mockridge in der Mercedes-Benz-Arena. Doch die Auftritte des Comedians sind gefragt: Gerade wurde seine aktuelle Tour bis zum 30. Juni verlängert.
2. Marilyn Manson
Es war die Schauspielerin Evan Rachel Wood, die vor gut zwei Jahren auf Instagram ein Statement veröffentlichte. Darin beschuldigte sie den Musiker Marilyn Manson, sie mehrere Jahre lang auf multiple Weise missbraucht zu haben. Weitere Frauen schlossen sich noch am selben Tag Woods Anschuldigungen an.
Die Folgen waren zunächst gravierend für den Sänger, der alle Anschuldigungen gegen ihn stets bestritt: Seine Plattenfirma und die Künstleragentur kündigten die Zusammenarbeit mit ihm auf, er wurde aus TV-Serien herausgeschnitten. Es gab ein Ermittlungsverfahren gegen Manson, mehrere Zivilklagen wurden eingeleitet. Eine erste wurde inzwischen wegen Fristversäumnis abgewiesen, die Klägerin erklärte im Nachgang, ihre erhobenen Vorwürfe würden nicht stimmen. Sie habe dem Druck von Wood und anderen Frauen nachgegeben, um Manson zu beschuldigen.
Stand jetzt laufen gegen Manson noch drei Missbrauchsklagen. Derweil werden Gerüchte über ein Comeback des Rockers immer lauter, Manson befeuert sie selbst auf Instagram: Vor zwei Wochen postete er dort nach langer Abwesenheit den bedeutungsschweren Satz „I’ve got something for you to hear“. Ein Hinweis auf neue Musik von ihm?
3. Kevin Spacey
Kevin Spacey legte mit zwei Oscars und seiner Darstellung als machthungriger Politiker Frank Underwood in „House of Cards“ eine Bilderbuchkarriere hin, die nach Vorwürfen sexueller Belästigung vor dem Aus zu stehen schien. Kurz nach Bekanntwerden des Weinstein-Skandals gab ein Schauspielkollege an, er sei 1986 im Alter von 14 Jahren auf einer Party vom damals 26-jährigen, alkoholisierten Spacey sexuell belästigt worden.
Infolge der Vorwürfe trennte sich Spaceys Agentur von ihm, Ende 2017 beendete auch der Streamingdienst Netflix mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit Spacey. Regisseur Ridley Scott schnitt alle Szenen mit dem 63-Jährigen aus seinem damals anstehenden Film heraus. Weitere Männer meldeten sich mit Vorwürfen. Doch in einem ersten Verfahren im Oktober 2022 wurde der Schauspieler in allen Anklagepunkten freigesprochen. Auch von allen weiteren öffentlich bekannten Vorwürfen führte bisher keiner zu einer Verurteilung vor Gericht. Ein Prozess aufgrund von Missbrauchsanschuldigungen steht allerdings noch aus, er soll Ende Juni in London beginnen.

Während Spacey seit Herbst 2017 in keinen großen Produktionen mehr besetzt wird, hat er durchaus weiterhin Arbeit und Fans. Im vergangenen Jahr besetzte der italienische Regisseur Franco Nero ihn in einem Film, was dem Werk einige Aufmerksamkeit einbrachte. In Turin bekam der gefallene Hollywoodstar im Januar einen Preis für sein Lebenswerk – und dankte dem Nationalen Filmmuseum in seiner Rede dafür, „le palle“ („die Eier“) gehabt zu haben, ihn einzuladen. Das Publikum jubelte.
4. Johnny Depp
Jubel nahm auch Johnny Depp kürzlich in Cannes entgegen. In „Jeanne du Barry“, dem Eröffnungsfilm des wichtigsten Filmfestivals der Welt, spielt er Ludwig XV. Die Franzosen rollten dem einstigen Hollywooddarling den roten Teppich aus, bei seinem Eintreffen vor dem Grand Théâtre Lumière wurde der 59-Jährige von begeistert kreischenden Fans in Empfang genommen.
Auch nach der Vorführung des Historiendramas feierte ihn das Publikum mit siebenminütigen Standing Ovations wie einen König. Derartige Begeisterungsstürme hatte der Schauspieler offenbar nicht erwartet. Denn eigentlich gilt der „Pirates of the Caribbean“-Star seit dem Rechtsstreit mit seiner Ex-Frau Amber Heard und den Schlagzeilen um häusliche Gewalt als Persona non grata. Zumindest in Hollywood.






