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Tag des Mauerbaus: Der Ernst des Lebens begann am 13. August

Vor 62 Jahren begann der Mauerbau. Unser Autor erinnert sich noch gut an den Tag und seine Folgen.

Eigentlich hatte ja niemand vor, eine Mauer zu errichten.
Eigentlich hatte ja niemand vor, eine Mauer zu errichten.Imago

Ab September 1956 besuchte ich die neunte Klasse der Mittelschule in Berlin-Buch. Bis dahin war es ein langer Kampf. Die extrem strenge stalinistische Direktorin in Berlin-Blankenburg mochte mich wohl trotz guter Noten partout nicht leiden.

Heute, 60 Jahre später, hört man oft, dass auch politische Gründe zur Ablehnung von der Oberschule und Mittelschule verantwortlich waren. Mein Vater war vor dem Krieg SPD-Mitglied und schon ein Jahr nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD aus der sogenannten sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ausgetreten – ein DDR-feindlicher Akt, der ihm auch später zu schaffen machte, zumal er einige SED-Mitglieder persönlich kannte, die später im Politbüro der DDR einflussreich vertreten waren. Eine Parteigruppe bildete die kleinste Organisationszelle der Partei, diese war auch in Berlin-Blankenburg vorhanden.

In den Berliner Dörfern kannte fast jeder jeden, es wurde untereinander und übereinander gequatscht, getratscht, aber auch gegenseitig geholfen. Neben der Schule waren für uns Kinder im Sommer das Fußballspielen und Fahrradfahren, im Winter das Eislaufen auf den Rieselfeldern die größten Vergnügungen. 

13. August 1961: Die Mauer wächst an der Ecke Stresemannstraße.
13. August 1961: Die Mauer wächst an der Ecke Stresemannstraße.Imago

Prowestlich eingestellt

Mit 15 Jahren ist man noch nicht erwachsen, aber man reift langsam heran. Politik war für uns schon ein Thema, aber mit Ausnahme von Kurt, Stiefsohn eines Widerstandskämpfers, waren wir alle prowestlich eingestellt und auch, Kurt eingeschlossen, mit westlichen Sachen gekleidet. Außerdem ließen die Lehrer uns viel politischen Freiraum. 

Natürlich gab es Grüppchenbildung. Meine Freunde Reinhard, Werner, Peter und ich saßen in zwei Reihen hintereinander, wir verstanden uns gut und ließen den Kontakt auch nach der Schule und während unserer Lehrzeit nicht abreißen.

Wenn es im Westen einen guten Krimi oder andere gute Filme gab, ging es mit der S-Bahn ins Kino. Wir machten außerdem gemeinsame Bootstouren und übten, als man mich Westberliner gewaltsam um mein Geld bringen wollte, ich aber keins hatte, fleißig einige Judo-Griffe.

Wir hatten bis dahin eine – auch von unserem Elternhaus begleitete –unbeschwerte Jugend. Wir diskutierten über die DDR, sahen aber auch Schwächen im anderen Teil. Es gab in der DDR keine Bettler, es gab weniger Kriminalität, wobei von der Presse vieles verschwiegen wurde. Und es wurde viel für die Kinder getan, Kindergarten, Ferienlager und Schulbücher waren kostenlos.

Allerdings durfte man im Betrieb nicht seine Meinung äußern, wer weiterkommen wollte, durfte sich nicht etwa neutral verhalten, sondern musste alle Missstände, allen Irrsinn noch mit Hurra als neue Errungenschaften bejubeln, durfte den Wahlen zur Volkskammer in keinem Fall fernbleiben, musste sein Kreuz artig neben die einzig richtige Partei machen, sonst gab es Ärger, auch für die Eltern.

Am nächsten Tag hatte man über diesen Wahnsinn und diese Geldverschwendung vor Freude zu strahlen, weil diese sogenannte Wahl zum wiederholten Mal mit wenigen Prozent unter hundert für die SED und ihre gleichgeschalteten Blockparteien ausgegangen war.

Stalin, Lenin, Marx und Engels und die ruhmreiche Sowjetunion als „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ standen weit über dem lieben Gott, wer seine Kinder einsegnen ließ, hatte schlechte Karten.

Kinder mit der sozialistischen Jugendweihe galten in Bezug auf berufliches Weiterkommen als die besseren Menschen. Man wusste von politischen Gefangenen im Zuchthaus Bautzen und hatte als Kind noch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erlebt, als viele der sozialistischen Betriebsleiter aus Angst vor den Arbeitern lieber zu Hause blieben oder zitternd ihre Fehler, die Ausbeutung durch maßlose Erhöhung der Arbeitsnormen, eingestanden und um Verzeihung baten. Dann, nachdem sowjetische Panzer den Aufstand niedergeschlagen hatten, wieder ganz obenauf waren und Rache übten.

Das Warenangebot war im Westen um ein Vielfaches besser als im Osten. Schuld waren laut DDR-Regierung immer westliche Agenten und vom Westen bezahlte Saboteure. War die Kartoffelernte schlecht, dann waren nicht etwa vom Staat eingesetzte unfähige Leiter der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften schuld, sondern der Westen hatte eben Unmengen von Kartoffelkäfern oder anderen Schädlingen über den DDR-Feldern abgeworfen.

Aber wichtig war diese Wahnsinnspropaganda für uns nicht, es gab andere, schönere Dinge. Wir waren jung, hatten Musik, Filme und Sport im Kopf und schwärmten für Elvis und Rock and Roll.

In den Nachrichten wurde nun immer öfter berichtet, dass am Vortag wieder viele Tausende in den Westen geflüchtet waren. Arbeitskräfte fehlten der DDR. Jedem war klar, dass irgendwas kommt; es gab viele Gerüchte, Genaues wusste niemand.

Mit meinen Eltern war abgesprochen, dass ich, sollten die Grenzen tatsächlich dichtgemacht werden, bei meiner Oma im Westen bleiben sollte. In dieser Zeit gab es mit den Filmen „Windjammer“ und „Die sieben Weltwunder“ Kino-Großereignisse. Schöne Städte, Landschaften und Meere dieser Welt wurden im Berliner Sportpalast auf eine riesige Cinerama-Leinwand gebracht.

Überhaupt noch nicht zielgerichtet, aber doch ein wenig stellte man sich vor, die Pyramiden, die Niagarafälle, den Grand Canyon oder die Skyline von New York vielleicht doch irgendwann einmal im Original zu sehen.

Arbeiter erhöhen die Sektorensperre an der Bernauer Straße in Berlin im August 1961.
Arbeiter erhöhen die Sektorensperre an der Bernauer Straße in Berlin im August 1961.dpa

Die Nacht vom 12. auf den 13. August

Es kam Sonnabend, der 12. August, er hat sich bis heute in mein Gedächtnis eingebrannt, der gestrige Tag ist mir nicht besser in Erinnerung. Wir vier Freunde waren wieder mit dem Fahrrad zum nahe gelegenen See gefahren. Peter und Werner wollten abends in Bernau tanzen gehen. Reinhard und ich waren dagegen und wollten den Cinerama-Film „Südseezauber“ in Westberlin ansehen. Also wurde bis drei geknobelt. Schlussendlich ging es zum Tanzen.

Ich verspätete mich etwas, kam als letzter im Schönower Dorfkrug an. Eigentlich durfte nur Tanzmusik mit höchstens 40 Prozent West-Schlagern gespielt werden, alle anderen Schlager hatten aus dem Osten zu kommen, aber dort „auf dem Lande“ kümmerte das niemanden und die DDR-Regierung hatte wahrlich andere Sorgen.

Nach einer kurzen Tanzpause war nicht mehr viel los. Mit dem Gedanken, vielleicht geht das nächste Mal mehr, fuhr ich nach Hause: Erst mit der Taxe zum S-Bahnhof Bernau. Der Zug war schon im Bahnsteig. Eigenartigerweise stand auf der Anzeige nicht wie üblich Teltow, Friedrichstraße oder Gesundbrunnen, sondern sie blieb schwarz.

Es wurde durchgesagt, dass dieser Zug in Blankenburg endet, bis dahin einmalig. Die Bahn spinnt mal wieder, wunderte ich mich, aber weiter als bis Blankenburg wollte ich ja nicht. Im Zug absolute Leere, in Blankenburg stieg ich aus, lief zehn Minuten nach Hause und legte mich vielleicht zwei Stunden nach Mitternacht schlafen.

Meine Mutter weckte mich am Morgen des 13. August 1961 mit den Worten, man mache die Grenzen zu, es fahre auch keine S-Bahn mehr. Wach werden, waschen, anziehen, frühstücken und zum Fahrrad rennen, das stand jetzt auf dem Plan.

Der nächste Grenzübergang war in Berlin-Pankow, Wollankstraße. Die zehn Kilometer schaffte ich locker, alle Müdigkeit war verflogen. Schon von weitem hörte ich Marschmusik und ständige überlaute und sich überschlagende Ansagen in Lautsprechern. Furchtbar.

Als ich angekommen war, sperrten Leute in Kampfgruppenuniform mit umgehängten Maschinengewehren genau unter der S-Bahn-Unterführung die Straße. Hier war die Grenze zwischen dem sowjetischen und britischen Sektor Berlins. Vier Fahrradminuten weiter in der Wriezener Straße meine Oma – jetzt unerreichbar. Im Hinterkopf hatte ich meine gleichaltrigen Cousins und Cousinen in Westberlin, meine Onkels, meine Tanten.

Vier, vielleicht fünf Autos mit Mikrofonen und Lautsprechern waren da. Es wurde geschrien und gebrüllt, dass wir, die Bevölkerung, keine Gruppen zu bilden hätten. „Gehen Sie auseinander!“

Meine Gruppe wurde größer und näherte sich immer mehr den Kampfgruppen, vielleicht waren es noch zehn Meter, dann brüllte ein Vorgesetzter: „Gewehr ab!“

Auf uns waren, ich stand mit meinem Fahrrad in der zweiten Reihe, etwa 25 Gewehre gerichtet. Ich und sicher die meisten anderen hatten in der Schule obligatorisch den Thälmann-Film gesehen, eine Szene darin zeigte drastisch, wie die Reichswehr in die Menge schoss. Auch die blutige Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn hatte man schnell wieder vor Augen.

Aus Angst liefen wir auseinander. Ich war zunächst sehr froh, mit heiler Haut nach Hause fahren zu können. Die Meinung im Elternhaus war: Geh kein Risiko ein! Ich fand das richtig, war ohnehin kein Draufgänger, also: Abwarten war die Devise. Das kann doch nicht ewig dauern. Die Amerikaner werden sich das nicht gefallen lassen, alles wird gut, natürlich, und hoffentlich ohne Krieg.

9. September 1961: Im Westen hatte man eine gute Sicht auf die Mauer, am besten bei einer organisierten Bustour.
9. September 1961: Im Westen hatte man eine gute Sicht auf die Mauer, am besten bei einer organisierten Bustour.Imago

Nur einer schafft es in den Westen

Was die anderen Freunde machten, erfuhr ich erst viel später. Reinhard, schon immer waghalsig, war an einem anderen Grenzübergang. Hier konnten diejenigen Westberliner, die in der Nacht zufällig im Osten waren, unter Vorzeigen ihres Personalausweises von Ost- nach Westberlin zurückgehen.

Reinhard gab nicht auf, schlich sich mit seinem Fahrrad in die Gruppe der Westberliner; als sich eine Lücke unter den Kampfgruppen auftat, schwang er sich aufs Fahrrad, scherte aus und trat mit aller Kraft in die Pedale, keiner dieser ebenfalls bewaffneten Kontrollposten hatte damit gerechnet. Reinhard kam unbeschadet auf die andere Seite. Dort bejubelte man seine Aktion. Werner und Peter blieben wie ich im Osten.

Was kam danach? Die Welt wurde nicht, wie man landläufig sagt, mit Brettern vernagelt, sondern mit Todesstreifen abgeriegelt. Irgendwann sich die weite Welt anzusehen, erschien einem nur noch wie eine irre Fantasterei.

Zunächst wurden die Absperrungen mit dem im Westen gekauften Stacheldraht nach und nach durch Mauersteine ersetzt. Danach mit Betonblöcken und Panzersperren perfektioniert. Später kamen Wachtürme, Sichtblenden, Doppelmauer, Schussfeld mit Todesstreifen und Selbstschussanlagen hinzu.

Die Kanalisation und Gewässer wurden abgeriegelt, Häuser mit Fluchtmöglichkeiten über die Dächer einfach gesprengt. Es gab viele furchtbare Schicksale und Tote, viele Schwerverletzte, die nie wieder gesund wurden. „Wir werden gegenüber Republikflüchtigen, also Volksverrätern, keine Gnade kennen“, sagte das Mitglied des Politbüros Albert Norden.

Allein die Planung von Republikflucht, sogar die Mitwisserschaft wurde mit Gefängnis geahndet, eine berufliche Karriere war für einmal in Ungnade Gefallene unmöglich.

Der 18-jährige Bruder einer Kollegin erreichte den Westen nicht, wurde angeschossen und verlor beide Beine. Im Betrieb durfte sie sich darüber mit niemandem aussprechen, hatte über diesen Vorfall absolutes Stillschweigen zu bewahren. Keine Unruhe ins Kollektiv bringen, so wurde es wohl in den Parteiversammlungen befohlen.

Gelangte ein Kollege der Konkurrenz oder auch ein Arzt in den Westen, hieß es, er sei gestorben, so furchtbar wurde gelogen. Nie wieder ein Gewehr in die Hand nehmen, hieß es noch 1950, nach dem Mauerbau musste der Frieden auf einmal bewaffnet werden. Die Wehrpflicht wurde eingeführt.

Die Angst, auch nur das Geringste gegen den Staat zu sagen, nahm ständig zu. Viele Menschen änderten nur um ihrer Vorteile willen ihre Haltung. Die ohnehin sehr eingeschränkte Pressefreiheit wurde völlig abgeschafft. Sogar in Kreuzworträtseln wurde nicht mehr nach Klassikern, sondern nur noch nach bis dahin unbekannten sozialistisch-russischen Dichtern und Schriftstellern gefragt.

Auf den Landkarten erschien Westberlin nur noch als weiße  Fläche. Der Sport im Westen wurde jetzt völlig totgeschwiegen. Die DDR-Nationalhymne mit dem Text „Deutschland einig Vaterland“ wurde zwar noch gespielt, durfte aber nicht mehr gesungen werden. 

Und jetzt weg damit.
Und jetzt weg damit.Imago

28 Jahre

28 Jahre dauerte dieser Zustand. Die schlechten Lebensbedingungen in der ehemaligen Sowjetunion, die hohen Rüstungskosten im gesamten sozialistischen Lager brachten schließlich auch in der DDR den Umschwung. Die Mauer fiel.

Werner blieb Fernsehmechaniker, Peter studierte Medizin, arbeitete später im Krankenhaus und wurde nach der politischen Wende ein angesehener praktischer Arzt mit eigener Praxis in Berlin-Buch. Ich hatte es mit der politischen Zurückhaltung schwer, eckte schon während des Studiums in Jena mehrfach an, glücklicherweise ohne Folgen.

Ich stellte später mehrere Anträge im sogenannten „nicht-sozialistischen Ausland“ – das waren in erster Linie afrikanische Nationalstaaten, wo man als studierter Optiker arbeiten konnte. Von dort war der Sprung in den Westen nur mit wenigen Gefahren verbunden.

Ich wusste, dass die Botschaft der Bundesrepublik half, auch Verwandte und Freunde hätten geholfen. Der Staatssicherheitsdienst hatte mich und meine Eltern ausgehorcht. Diese Spitzel leisteten ganze Arbeit und kamen auch als Versicherungsangestellte oder Zeitungsverkäufer getarnt zu mir und scheuten auch vor Wohnungseinbruch nicht zurück.

Zu Reinhard hielt ich stets Kontakt, er hatte es vielleicht am schwersten von uns: er hatte Tuberkulose und wenig Geld. Er übernahm mit seiner Frau ein gut gehendes Kunsthandel-Geschäft in München. Wir trafen uns mehrmals in Ungarn und befanden uns oft im Visier der Stasi. Wir rechneten damit und waren entsprechend vorsichtig.

Reinhards Versuch, mich 1979 über die ungarisch-österreichische Grenze zu schleusen, misslang. In Budapest sollte ein vom Zoll schon versiegelter Container mit kostbaren Kunstgegenständen bereit stehen, in den man sich noch nachträglich hineinzwängen konnte.

Termin war Weihnachten 1979. Schon bei einer Fuhre vor mir flog der Trick auf. Mein Name war weder Schleppern noch Spitzeln bekannt, ich blieb unbehelligt. Dann stellte ich einen Ausreiseantrag, nahm ihn aber später wegen der Erblindung meines Vaters zurück. Schikanen blieben bis zum Ende der DDR.

Der Ausreiseantragsteller sei ständig persönlich und fachlich zu diffamieren, der wahre Grund sei ihm nicht mitzuteilen, hieß es in den Stasi-Anweisungen. Die Geschäftsleitung setzte die Anweisungen 1:1 um. Der pure Psychoterror bis zum Mauerfall.

1989 konnten Reinhard und ich das erste Mal ohne Angst vor Spitzeln miteinander telefonieren. Auch Reinhard und Peter telefonierten öfter und trafen sich auch.

Aus heutiger Sicht ist der pure Kapitalismus auch nicht die ideale Gesellschaftsordnung, wird es sie je geben? Armut und Obdachlosigkeit, nicht alle, die es traf und trifft, sind selbst schuld an ihrem Unglück. Kinder von finanziell mittellosen Eltern haben weniger Chancen. Eine Gleichheit für Bildung ist nicht gegeben. Nur selten wird man durch Fleiß, Forschung, wissenschaftliche, kulturelle oder sportliche Leistungen wohlhabend, allzu oft aber durch wirtschaftliche Cleverness am Rande der Legalität.

Eine politische Utopie war 1961 ein Grund, eine Mauer durch Deutschland und Berlin zu bauen, Verwandte, Freunde, Geschwister voneinander und Kinder von ihren Eltern zu trennen. Junge Menschen in den Tod zu treiben, unendlich viel Leid zu säen. 

Sicher wollten Lenin und Marx anfänglich nichts Schlechtes, aber schon Lenin, der wohl selbst noch recht bescheiden lebte, sah, dass es nicht funktioniert. Der von ihm so oft geforderte Mensch neuen Typus existiert bis heute nicht und ist auch nicht vorstellbar.

Die Diktatur des Proletariats durfte, wenn überhaupt, einige Monate, aber nicht 70 Jahre andauern. Jede Diktatur fördert Willkürakte, die nicht mal immer von oben angeordnet sein müssen.

Um jemanden zu benachteiligen, genügt ein privat oder beruflich politisch ausgelegter Vorwand. Der Nobelpreisträger Solschenizyn hat es mehrfach beschrieben. Jede gesellschaftliche Lehre muss ständig neu aufgearbeitet und erneuert werden. Nichts von dem geschah in der DDR. Immer hatten die anderen Schuld.

Nicht alle, aber doch auch viel zu viele ehemalige Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes wurden später selbst zu grausam regierenden Diktatoren. Nicht alles hätte man verstaatlichen dürfen, denn nur die ausgewogene Mischung von Marktwirtschaft und staatlicher Einflussnahme macht’s, bis heute.

Nach Karl Marx ist das kapitalistische System gesetzmäßig Krisen unterworfen, nach seiner Lehre hätte die Fluchtwelle aus der DDR 1961 überhaupt nicht lange angedauert.

Sei es, wie es will, der Bau der Berliner Mauer war keine vorbeugende Aktion gegen den Krieg, kein Irrtum oder eine Notbremse, sondern ein schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

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