Es gibt nicht viele Reden, die einen eigenen Wikipedia-Eintrag haben. John F. Kennedys Ansprache vor dem Schöneberger Rathaus ist eine davon. Sein Satz „Ich bin ein Berliner“ ist insbesondere für Zeitzeugen ein Gänsehautmoment. Doch Kennedys Rede war nicht die einzige, die in die Weltgeschichte einging.
Die Berliner Zeitung stellt vier berühmte Reden der Berliner Stadtgeschichte vor. Von Ernst Reuter bis „Gorbi“.
9. September 1948, vor dem noch teilweise zerstörten Reichstagsgebäude. Berlin befindet sich in der Nachkriegszeit. Die Alliierten haben die Stadt in vier Zonen separiert; durch den Status als geteilte Stadt steht Berlin nun häufig im Zentrum der Weltöffentlichkeit. Die Berlin-Blockade war ein Schock für viele West-Berliner.
Doch während Kennedy noch ein junger Kongressabgeordneter im amerikanischen Repräsentantenhaus ist und Ronald Reagan in der Filmkomödie „Venus am Stand“ die Hauptrolle spielt, hat der damalige Oberbürgermeister Berlins, Ernst Reuter, seinen großen Moment.
Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!
Mit viel Pathos wendet sich der damalige Bürgermeister West-Berlins an die 300.000 Menschen, die sich vor dem Reichstag versammeln. Der Hauptadressat der Rede waren aber nicht die Berliner, sondern die USA, Großbritannien und Frankreich. Es ging Reuter in der Ansprache darum, die Luftbrücke aufrechtzuerhalten, um den westlichen Teil Berlins nicht an die DDR zu verlieren.

West-Berlin müsse von den Westmächten gehalten werden. Die Rede ging um die Welt. In amerikanischen und britischen Zeitungen zierte Ernst Reuter die Titelseiten. Im Mai 1949 endete dann die Blockade der Sowjetunion. Heute erinnern in Berlin eine Schule, ein Platz und eine U-Bahn-Haltestelle an den Regierenden Bürgermeister.
West-Berliner über Mauerbau schockiert
16. August 1961, drei Tage nach Beginn des Mauerbaus. Wieder versammeln sich rund 300.000 West-Berliner – diesmal jedoch am Schöneberger Rathaus. Wieder schaut die Welt auf Berlin. Und wieder fordert der Regierende Bürgermeister West-Berlins den Westen auf, nicht tatenlos zuzusehen. „Berlinerinnen, Berliner! Wieder einmal haben wir die Menschen dieser Stadt zusammengerufen“, sagte Willy Brandt.

Drei Tage zuvor begann der Bau der Berliner Mauer, nachdem der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht noch behauptet hatte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten. „Keiner von uns und keiner in der Welt kann gleichgültig sein! Keinem von uns kann gleichgültig sein, was in der Zone und was im Sektor passiert“, sagt Brandt. Seine Rede ist emotional aufgeladen, die Zuschauer merken: Hier geht es nicht nur um Berlin.
Brandt fordert die West-Berliner auf, nicht mehr in die DDR zu reisen. „Keiner aus der Bundesrepublik und aus West-Berlin soll an kulturellen, sportlichen oder anderen Veranstaltungen des Zonenregimes teilnehmen. Das sollte auch für die Leipziger Messe gelten. Wer mit den Kerkermeistern unseres Volkes in dieser Situation auf der Messe noch Geschäfte machen will, der soll gleich dortbleiben. Wir wollen ihn nicht mehr sehen“, so Brandt.
Zudem appellierte er an die an die DDR-Grenzsoldaten, Menschlichkeit zu zeigen und nicht auf die eigenen Landsleute zu schießen. 28 Jahre lang stand die Berliner Mauer und teilte die Stadt.
Der humorvolle Präsident Reagan
12. Juni 1987, eine weitere Rede, die es zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht hat. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan ist zum zweiten Mal zu Besuch in West-Berlin. Wieder ist die Berliner Mauer Thema Nummer eins. Direkt vor dem Brandenburger Tor adressiert der Präsident der USA seine erste Frage an den Generalsekretär Michail Gorbatschow: „Warum ist die Mauer noch da?“

„Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!“, fordert Reagan – „Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor! Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“ Es war die wohl bekannteste Ansprache des 40. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.
Es war jedoch nicht die einzige Rede Reagans in Berlin. Bereits sechs Jahre zuvor besuchte er West-Berlin und hielt eine Ansprache auf dem Luftwaffenstützpunkt der USA – wenige Monate nach dem Attentat, das Reagan knapp überlebte. Als dann ein Luftballon während seiner Rede zerplatzte und ein lauter Knall ihn kurzzeitig unterbrach, reagierte der amerikanische Präsident prompt. „Daneben!“, sagte er. Großes Gelächter brach im bis auf den letzten Sitz gefüllten Saal aus.
This is brilliant.
— (((Emanuel Miller))) 🌻 (@emanumiller) November 7, 2018
May 1981. President Ronald Reagan is giving a speech at an Air Force base in West Berlin when a balloon pops loudly. Only two months previously, the President had been shot in an attempt on his life, not long after beginning his first term.
Reagan's response: pic.twitter.com/lXxNtNYE76
Der sowjetische Polit-Popstar sollte die DDR retten
7. Oktober 1989, die DDR feiert ihren 40. Jahrestag. Doch die Krisen im sozialistischen Staat sind unübersehbar. Massen fliehen über Ungarn in den Westen. Millionen von Menschen gehen auf die Straßen und demonstrieren gegen die DDR-Elite. Pünktlich zum Jubiläum soll Rückendeckung aus Moskau kommen. Der Partei- und Staatschef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, ist zu Besuch in Ost-Berlin.

An der Gedenkstätte Neue Wache legt „Gorbi“ einen Kranz für die Opfer des Faschismus nieder. „Ich glaube, Gefahren lauern nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren“, sagt er im Anschluss westdeutschen Fernsehteams und spricht über die „Lehren des Lebens“. Aus den Worten dichteten die Reporter dann folgendes landesweit bekannte Zitat: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“




