Ich bin gerne draußen in der Natur. Dort kann ich besonders gut meine Akkus aufladen. Die Natur hilft mir dabei, mich zu erden, ich komme zur Ruhe und auf ihre ganz sanfte Art und Weise zeigt sie mir, worauf es wirklich im Leben ankommt.
Ich persönlich mache das mit dem Auftanken besonders gerne im Urlaub an meinem Lieblingsstrand in Spanien. Andere machen das vielleicht lieber beim Wandern in den Bergen, im Wald, am See, in einem schönen Garten oder in einem Park.
Bei mir ist es der Strand in Katalonien, den meine Herkunftsfamilie und ich bereits seit 1990 bereisen. Wir sind dort immer auf dem gleichen Campingplatz. 1990 war ich sieben Jahre alt. Damals war der Sandstrand in seiner Breite, damit meine ich den Abstand zwischen den Dünen und dem Wasser, gewiss 30 Meter lang.
Wir hatten also eine Liegefläche von ungefähr 30 Metern, auf der wir zusammen mit anderen Familien, meistens Holländern oder Spaniern, unser Sandspielzeug ausbreiten, die Sonnenschirme aufstellen, Strandmatten ausrollen und Schlauchboote verstreuen konnten. Mit kleinen Unterbrechungen besuche ich diesen Strand nun also schon seit 33 Jahren in regelmäßigen Abständen.
Wenn der Strand plötzlich verschwindet
Dieses Jahr habe ich mich dort zum ersten Mal erschrocken: Der einst so breite Strand von damals 30 Metern ist mittlerweile auf eine Liegefläche von etwa fünf Metern geschrumpft. Das heißt, dass der Strand quasi nicht mehr existiert, geschweige denn verfügbar ist. Auf einer Liegefläche von fünf Metern können wir uns nur sehr eingeschränkt ausbreiten.
Was ist also passiert in den letzten 33 Jahren? Wo ist dieser Stand hin? Ist der Meeresspiegel an der Küste Kataloniens etwa schon so weit angestiegen, dass mein Lieblingsfleckchen Erde dabei draufgegangen ist? Wo soll ich denn zukünftig meinen Sommerurlaub verbringen?
All diese Fragen haben mich dazu bewogen, mir das Buch „Die Klimalösung“ von den Autoren David Nelles und Christian Serrer durchzulesen. Es wurde mir vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt. Für mich war es das erste Buch, das sich mit der Lösung zum Klimawandel befasst. Sie wird darin sehr umfassend auf wissenschaftliche Art und Weise erläutert.
Eine Lösung für den Klimawandel?
Normalerweise lese ich solche Bücher gar nicht – sondern eher Liebesromane. Bei den großen Gefühlen kann ich immer ganz gut mitreden; bei den technischen, naturwissenschaftlichen Dingen eher weniger.
Deswegen war ich erstaunt, wie viel ich dann doch von dem Text der „Klimalösung“ verstanden habe. Das Buch zu lesen, war für mich wie eine Art Vorlesung. Ich merkte, dass es mir wichtig ist, Problematiken und Lösungsansätze nachvollziehen zu können, bevor ich mir ein Urteil darüber bilde.
Was ich dabei vor allem begriffen habe: Die Sache mit dem Klimawandel ist ein sehr vielschichtiges und komplexes Thema. Zur Lösung bedarf es interdisziplinärer Teams, die es meines Erachtens in jeder Region dieser Welt geben sollte.
In der „Klimalösung“ wird ein feines Abwägen und Zusammenspiel zwischen den Fachgebieten Chemie, Physik, Geografie, Biologie, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, öffentlicher Verwaltung, Mathematik, Politik und Kommunikationsexpertise skizziert. Denn die Lösung für diese Breitengrade kann für einen anderen Teil der Erdhalbkugel schon wieder ganz anders aussehen. Daher muss regional genau hingeschaut werden.
Somit ist es ein Problem, dem wir nur über Ländergrenzen hinweg gerecht werden können. Das heißt, interkulturelle und internationale Kooperationen stehen nun auf der Tagesordnung, wenn wir die Kipppunkte zielführend eindämmen wollen.
Mit Kipppunkten meine ich „Kipp-Elemente“ des Erdsystems, die ab einer gewissen Zustandsänderung ihr Verhalten deutlich verändern. An diesem „Kipp-Punkt“ strebt das System nicht mehr zum alten Stabilitätspunkt zurück, sondern auf einen neuen Zustand zu. Die Austrocknung und der Kollaps des Amazonas-Regenwaldes sind zum Beispiel solche Kipppunkte.
Skandinavische Länder sind gute Vorreiter
Ich finde nicht, dass zu wenig über den Klimawandel gesprochen wird. Ich finde nur, dass zu wenig auf Bundesebene dagegen getan wird. Einzelne Kommunen sind da auf Landesebene schon viel weiter. Aber die Zeit drängt. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung JETZT entsprechende Klimaschutzmaßnahmen umsetzt, damit das Erreichen der Kipppunkte so gut es geht abgeschwächt wird.
Die skandinavischen Länder gelten in Sachen Klimaschutz als Vorreiter. 1991 hatte die CO₂ Bepreisung in Schweden angefangen. Mit 137 Euro hat Schweden den höchsten CO₂-Preis der Welt. Aufgrund der Verteuerung von Öl- und Gasheizungen durch die CO₂-Steuer wurden diese bis zum Jahr 2012 fast vollständig durch Biomasse (z. B. in Form von Holzabfällen), Wärmepumpen und den Ausbau von Fernwärmenetzen ersetzt. Daher hat Schweden im Wärmebereich neben anderen skandinavischen Ländern einen sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energien in Europa.
Zur Erreichung des unter-2-Grad-Ziels (1,5 Grad werden wir wohl nicht mehr schaffen) bis 2050 ist wirklich nicht mehr viel Zeit. Ich jedenfalls möchte nicht zu der letzten Elterngeneration gehören, die mit 80 Jahren auf einer Parkbank sitzt und sich vorwerfen muss, dass sie damals in 2020er-Jahren nicht genug für den Klimaschutz getan hat.
Sorge um nachfolgende Generationen
Ich schreibe diesen Text, weil ich Mutter von zwei Kindergartenkindern bin. Und ja, bei mir zieht das Enkelargument. Denn ich mache mir große Sorgen um ihre Zukunft und die der nachfolgenden Generationen. „Werden es die Kleinen später mal schön haben?“, frage ich mich.
Die extrem heißen Sommer der letzten Jahre sind sowohl körperlich als auch psychisch nur schwer auszuhalten. Hitze lähmt auf allen Ebenen. An heißen Tagen die Konzentration konstant aufrechtzuerhalten, ist kaum möglich. Ich bin schneller erschöpft als an einem kühlen Tag. Das bedeutet: Ich muss noch mehr Ruhephasen einplanen, um mental stabil zu bleiben. Das mit dem Schlafen gestaltet sich während so einer schwül-heißen Sommernacht auch schwierig.
Mittlerweile geht es also nicht nur darum, dass wir Naturliebhaber unsere Rückzugsmöglichkeiten draußen finden, um unsere Akkus aufzuladen. Vielmehr geht es darum, den Lebensraum für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren.
Insofern ist der häufig verwendete Satz von Eckart von Hirschhausen durchaus berechtigt: „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.“ Man könnte auch Menschenschutz dazu sagen. Dies ist wichtig zu begreifen, um den längst überfälligen Klimaschutzmaßnahmen Folge zu leisten.
Nun ist die Veränderung der strukturellen Rahmenbedingungen herbeizuführen, um den allseits bekannten ökologischen Fußabdruck auf eine leichte Weise so gering wie möglich zu halten. Daher beschäftige ich mich zurzeit lieber mit dem Konzept des ökologischen Handabdrucks als mit dem Fußabdruck. Zum ersten Mal davon gehört habe ich durch den Autor Gabriel Baunach, der das Buch „Hoch die Hände, Klimawende!“ geschrieben hat.
Selbstwirksamkeit gibt Hoffnung
Beim Handabdruck geht es darum, darüber nachzudenken, wie ich die Gegebenheiten in meinem Umfeld und meinem Alltag klimafreundlich verändern kann. Als Studierende kann ich mich beispielsweise mit einer Studierendeninitiative zusammentun und dafür sorgen, dass mehr fleischlose, und gleichermaßen erschwinglichere Gerichte auf den Speiseplan kommen.
Durch das Konzept, den eigenen ökologischen Handabdruck zu vergrößern, ist es möglich, genau auf diese Strukturen, die noch nicht stimmen, Druck auszuüben – quasi als sanfte Gewalt von unten. Diese Perspektive ist für mich zielführender als der Fußabdruck.
Durch den Handabdruck komme ich in die Selbstwirksamkeit. Das, was ich nicht schaffe zu beeinflussen, kann ich dann besser loslassen, weil ich ja an anderen Stellen, exponentiell wirke. Das schenkt eine hellere, lichtere Perspektive auf die Klimawende. So komme ich aus der Klimaohnmacht und Hilflosigkeit in die Selbstwirksamkeit.
Noch ist eine lebenswerte, faire und friedliche Welt möglich. Aber das Zeitfenster dafür schließt sich rapide. Jetzt ist jede und jeder Einzelne gefragt: Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Und vor allem: Wer möchte ich 2050 rückblickend gewesen sein?






