Am 12. Februar 2023, also in knapp zwei Wochen, soll die Pannen-Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wiederholt werden. Das bekräftigte heute noch einmal das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Doch ob die Wahl-Wiederholung auch Bestand hat, darüber wird das höchste Gericht in Karlsruhe erst noch entscheiden. Ein Überblick über die neusten Entwicklungen.
Was hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?
Die Richter in Karlsruhe haben am heutigen Dienstag über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entschieden, der sich gegen die Durchführung der Wahl und auf eine mögliche Verschiebung des Termins richtete. Im Kern beantragten die Beschwerdeführer, dass der Beschluss des Berliner Landesverfassungsgerichts vom 16. November 2022 ausgesetzt werde, wonach die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden müsse. Dies lehnte das Bundesverfassungsgericht ab. Die Wahl am 12. Februar darf also stattfinden.
Bedeutet das, dass die Wahl-Wiederholung auch Bestand haben wird?
Das kann man bisher noch nicht sagen. Denn die Beschwerdeführer verbanden ihren Eilantrag auch mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landesverfassungsgerichts. Die Ablehnung des Eilantrags hat nichts mit der Verfassungsbeschwerde an sich zu tun. Hierüber hat das BVerfG noch nicht entschieden.
Die Karlsruher Richter haben den Beteiligten im Hauptverfahren eine weitere Frist zur Stellungnahme bis 2. März eingeräumt. Das geht aus Schreiben des Gerichts an die Landeswahlleitung und das Berliner Abgeordnetenhaus hervor, wie der Tagesspiegel berichtet. Das Gericht prüft also offenbar auch über den Wahltag hinaus, ob die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofes rechtmäßig war.
Denkbar wäre es also, dass die Wahl am 12. Februar zunächst stattfindet, später vom BVerfG aber kassiert wird. Welche Folgen das hätte, ist bislang noch nicht absehbar. Es darf allerdings davon ausgegangen werden, dass die Ankündigung, erst nach der Wahl eine Entscheidung zu treffen, sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken wird.
Wer hatte geklagt?
Beschwerdeführer sind 43 Berliner. Es handelt sich um Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen sowie um Wählerinnen und Wähler. Unter ihnen sind offenbar auch acht Abgeordnete von SPD, Linke und FDP aus dem Landesparlament.
Im Kern geht es ihnen darum, dass das BVerfG prüft, ob das gewählte Parlament vom Berliner Landesverfassungsgerichtshof zu Unrecht für irregulär erklärt wurde. Dieses hatte Mitte November 2022 die gesamte Wahl vom 26. September 2021 wegen schwerer Wahlfehler für nicht rechtmäßig erklärt. Die Beschwerde dagegen stützte sich vor allem auf die Abweichungen des Urteils von bisheriger Rechtsprechung in der Wahlprüfung. Vor allem sei nicht ausreichend belegt worden, welche Relevanz die Wahlpannen für die Mandatsverteilung hatten.
Auch das Bestandsinteresse des einmal gewählten Parlaments hätten die Richterinnen und Richter um die Berliner Verfassungsgerichtspräsidentin Ludgera Selting zu wenig gewürdigt. Die Kläger argumentieren, dass es sich bei diesen Punkten um fundamentale Grundsätze der Wahlprüfung handele, die für alle Bundesländer gelten müssten. Deshalb solle das Bundesverfassungsgericht sie überprüfen.
Welche Wahlen müssen in Berlin wiederholt werden?
Insgesamt müssen wohl alle drei Wahlen in Berlin wiederholt werden – die zum Bundestag, die zum Berliner Abgeordnetenhaus und die für die Bezirksverordnetenversammlung –, allerdings nicht alle in gleichem Maße. Das Berliner Verfassungsgericht entschied im November, dass die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und die BVV-Wahlen komplett wiederholt werden müssen. In allen Berliner Wahlbezirken wird dann erneut gewählt.
Der Berliner Senat will nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts nicht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das machte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach der Urteilsverkündung deutlich. „Wir respektieren dieses Urteil. Der Berliner Senat wird keine Beschwerde dagegen einlegen“, sagte die SPD-Politikerin.
Für die Bundestagswahl ist eine Teilwiederholung in Berlin sehr wahrscheinlich. Der Bundestag hatte beschlossen, dass in 431 der 2258 Berliner Wahlbezirken noch einmal gewählt werden soll. Allerdings wird davon ausgegangen, dass der Bundestagsbeschluss vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird, weil sowohl die Union als auch die AfD eine Wiederholung der Bundestagswahl in wesentlich mehr Wahlbezirken wollten.
Wie lang kann ich noch per Briefwahl wählen?
Seit dem 2. Januar kann in Berlin gewählt werden. Am selben Tag wurden die Wahlunterlagen an alle Berlinerinnen und Berliner versandt und die Briefwahlstellen eröffnet. Die Briefwahl zu beantragen, geht ganz einfach über einen QR-Code, der in den Wahlunterlagen enthalten ist.
Am besten wird der ausgefüllte Wahlbrief sofort abgeschickt – spätestens sollte dies jedoch am 8. Februar 2023 passieren, damit er garantiert rechtzeitig eingeht. Wer es verpasst, kann den Brief auch einfach direkt im Frühwahllokal vorbeibringen. Wo sich das nächste befindet, steht auf der Wahlbenachrichtigung, aber auch jedes Gemeindehaus, Bürgeramt oder Rathaus nimmt die Briefe entgegen. Spätester Zeitpunkt für den rechtzeitigen Eingang der Wahlbriefe bei der zuständigen Stelle ist der 12. Februar um 18 Uhr.
Welche Partei liegt gerade vorn?
Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Spiegels und des Tagesspiegels liegt die CDU mit 23 Prozent vorn. Nach ihr folgen Grüne und SPD mit jeweils 19 Prozent. Für die regierende SPD bedeutet das einen leichten Absturz von ihrem Wahlergebnis von 21,4 Prozent, von dem vor allem die CDU profitiert hat. Auch die AfD darf laut der Umfrage bei der Wiederholungswahl ein besseres Ergebnis als 2021 erwarten – aktuell liegt sie bei 11 Prozent, verglichen mit 8 Prozent bei der ersten Wahl. Die Linke punktet, wie ihre Koalitionspartner, derzeit schlechter als 2021 – sie ist von einem Wahlergebnis von 14,1 Prozent auf 12 Prozent gesunken.
Was heißt das für die möglichen Koalitionsbildungen?
Nach den bisherigen Umfragen sieht es so aus, als sei eine Weiterführung der rot-grün-roten Koalition möglich, wenn auch nur knapp; insgesamt liegen die aktuellen Koalitionspartner aktuell bei genau 50 Prozent. Laut Umfragen sind aber nur 24 Prozent der Berliner zufrieden mit deren Arbeit. Vor kurzem sprach die Regierende Bürgermeisterin Giffey im Interview mit dem Tagesspiegel von großen Meinungsverschiedenheiten unter den Koalitionspartnern: Wenn sie also überhaupt noch im Amt bleiben kann, würde sie versuchen, eine ganz andere Koalition zu bilden?
Eine überzeugendere Mehrheit von 61 Prozent hätte nach aktuellen Zahlen eine sogenannte Kenia-Koalition von CDU, SPD und Grünen. Laut der letzten Umfrage liegen eine „Jamaika“- oder „Deutschland“-Koalition aus CDU, FDP und jeweils den Grünen oder der SPD knapp unter der Schwelle für eine Mehrheit.
Sollte er Wahlsieger werden, hat Kai Wegner (CDU) es nicht unbedingt leicht bei der Wahl seiner Koalitionspartner: Grünen-Chefin Bettina Jarasch hat eine Zusammenarbeit nach der Vornamen-Debatte im Nachgang an die Silvesternacht praktisch ausgeschlossen. Franziska Giffey hat eine klare Aussage zu einer Koalitionsbildung mit der CDU bisher nicht gegeben.
Wann findet die Wahlwiederholung in Berlin statt?
Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung müssen innerhalb von 90 Tagen nach Gerichtsentscheidung erfolgen. Sie sollen wie erwartet am 12. Februar 2023 stattfinden. Bei der Bundestagswahl steht noch kein Termin fest. Die Entscheidung des Bundestags zur Teilwiederholung der Wahl kann innerhalb von zwei Monaten vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden. Wie lange sich das Gericht dann mit dem Fall befasst, ist völlig offen. Eine teilweise Wahlwiederholung der Bundestagswahl könnte damit sogar erst 2024 stattfinden.
Fest steht aber, dass die Berliner zweimal an die Urnen müssen, um die Abstimmungen zu wiederholen. „Die Wahltermine auf Landes- und Bundesebene können nicht zusammengelegt werden, da die Wiederholung der Bundestagswahl anderen Fristen unterliegt“, erklärte Bundeswahlleiter Georg Thiel.
Wer darf bei den Wahlwiederholungen wählen?
Wählen darf jeder, der zum Zeitpunkt der Wahlwiederholung wahlberechtigt ist – nach Alter und Wohnsitz. Bei den BVV-Wahlen dürfen ab 16-Jährige wählen, bei der Bundestagswahl und der Wahl zum Abgeordnetenhaus liegt das Wahlalter bei mindestens 18 Jahren.
Das Wahlverzeichnis muss dafür neu erstellt werden. Inzwischen verstorbene Wähler werden daraus gestrichen. Auch Menschen, die in der Zwischenzeit aus Berlin weggezogen oder zugezogen sind, müssen berücksichtigt werden.
Dürfen neue Kandidaten aufgestellt werden?
Nein. Da es sich offiziell nicht um Neuwahlen, sondern um Wiederholungswahlen handelt, müssen dieselben Kandidaten aufgestellt werden, die bereits im vergangenen Jahr zur Wahl standen. Kandidaten, die Berlin verlassen haben oder verstorben sind, werden von den Wahlzetteln gestrichen.
In welchen Wahlkreisen soll die Bundestagswahl wiederholt werden?
Die meisten Wahlbezirke, in denen die Bundestagswahl wiederholt werden soll, liegen in Pankow – hier sind 176 von 215 Wahlbezirken betroffen. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind es 77 von 195 Wahlbezirken. Die wenigsten Pannen gab es in Spandau (3 Wahlbezirke) und Treptow-Köpenick (4 Wahlbezirke).
Bei der Berlin-Wahl sind alle Wahlbezirke von der Wiederholung betroffen.
Was bedeutet die mögliche Teilwiederholung der Bundestagswahl für Sitze und Mehrheiten im Bundestag?
Welche Folgen sie haben wird, kann niemand so recht sagen. Möglicherweise werden danach weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag sitzen, möglicherweise fliegen Abgeordnete aus anderen Bundesländern wieder aus dem Parlament. „Aber das ist reine Spekulation“, sagt die CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig, die auch Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses im Bundestag ist. „Da fehlen uns auch Erfahrungswerte. Gott sei Dank fehlen sie uns.“
Was kosten die Wahlwiederholungen in Berlin?










