Berlin

Messerangriff an Berliner Grundschule: Mutmaßlicher Täter soll in Psychiatrie

Berhan S. wurde bereits wegen Körperverletzung in den Jahren 2010 und 2012 verurteilt. Laut Staatsanwaltschaft soll er wegen Drogenkonsums psychisch krank sein.

Polizisten geleiten Kinder weg vom Tatort an der Schule in Berlin-Neukölln.
Polizisten geleiten Kinder weg vom Tatort an der Schule in Berlin-Neukölln.Michael Kappeler/dpa

Der Messerangreifer, der in einer Neuköllner Schule zwei Kinder schwer verletzt hat, ist offenbar wegen Drogenkonsums psychisch krank. Die Berliner Staatsanwaltschaft beantragte deshalb am Donnerstag beim Amtsgericht Tiergarten die Unterbringung von Berhan S. in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus anstatt einer Untersuchungshaft im Gefängnis. Der Mann sollte bis zum Abend einem Ermittlungsrichter wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vorgeführt werden.

Die Tat hatte sich am Mittwochnachmittag an der Evangelischen Schule Neukölln in der Mainzer Straße ereignet. Der Mann ging auf das Schulgelände und stach auf zwei sieben und acht Jahre alte Mädchen ein. Das jüngere Kind wurde schwer und das ältere lebensgefährlich verletzt. Der Täter ließ sich danach widerstandslos von der Polizei festnehmen. Die Tatwaffe, ein Küchenmesser, wurde sichergestellt. Inzwischen sei der Zustand beider Mädchen stabil, hieß es aus der Klinik.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat der Beschuldigte die Tat eingeräumt. Der 38-jährige Berhan S. wohnt in der Nähe des Tatortes. Nach Angaben von Sebastian Büchner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, ist Berhan S. mehrfach vorbestraft, darunter wegen schwerer und gefährlicher Körperverletzung.

Ob es sich um denselben Mann handelt, der schon 2009 seine Freundin niedergestochen hat, wie in sozialen Netzwerken nahegelegt wurde, ist derzeit unklar. Zwar sind im Computer der Berliner Staatsanwaltschaft zu Berhan S. Körperverletzungsdelikte aus den Jahren 2010 und 2012 hinterlegt. „Aber aus dem Jahr 2009 ist kein Delikt verzeichnet“, sagte Büchner. Das heiße aber nicht, dass es nichts gab. Nach 2012 sei der Mann nur noch mit leichteren Delikten wie Leistungserschleichung und Drogendelikten aufgefallen.

Zum Auslöser der Tat hat die Polizei noch keine Erkenntnisse. Laut Staatsanwaltschaft liegen „Anhaltspunkte für eine möglicherweise durch Betäubungsmittel induzierte psychische Erkrankung“ vor. Sie geht davon aus, dass er die Kinder zufällig angriff. Denn eine Verbindung zwischen Täter und Opfer gab es vorher nicht. Daher sei die Unterbringung im Krankenhaus des Maßregelvollzugs statt der Untersuchungshaft angebracht. In der Vernehmung soll der Festgenommene unter anderem gesagt haben, dass er zu der Tat „gezwungen“ worden sei.

Der Ärztliche Leiter des Maßregelvollzugs, Sven Reiners, hatte vor einigen Tagen der Berliner Zeitung gesagt, dass es eine Zunahme drogenbedingter Psychosen gebe. Sie würden verursacht durch Cannabis, Amphetamine, Kokain oder Crystal Meth, das sehr schnell schwere Psychosen auslöse. „Wir haben vermehrt Aufnahmen von psychotischen Patienten“, sagte er. Drogenpsychosen würden sich ausdrücken durch Stimmenhören, Wahn, Realitätsverlust.

So wie bereits am Donnerstag soll an der Evangelischen Schule der Unterricht auch am Freitag ausfallen. Eine entsprechende Mitteilung bekamen Schüler und Eltern bereits am Mittwochabend. „Es ist eine furchtbare Tat. In dieser Woche einmal in Belgrad und einmal in Berlin“, sagte Norman Heise, Sprecher vom Landeselternausschuss Berlin. Nun stelle sich die Frage, wie man dem Sicherheitsbedürfnis der Eltern und der Angst bei Schülern gerecht werde.

Diskussion um Sicherheit an den Berliner Schulen

Möglich seien verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel die Prüfung und ggf. Auffrischung von Erste-Hilfe-Kursen für schulisches Personal. Aber es sei schwierig, hundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten. „Die Möglichkeiten dessen, was in einzelnen Menschen vorgeht, mag man sich gar nicht ausmalen“, so Heise. Es handele sich bei der Tat in Neukölln aber glücklicherweise dennoch um einen tragischen „Einzelfall“.

Ein Sprecher von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch ergänzt: „Im Prinzip sind Schulen sichere Orte.“ Die Senatsbildungsverwaltung wolle Schulen nicht zu einem Hochsicherheitstrakt machen.

„Wir verstehen, dass es nach dieser grauenhaften Tat Forderungen nach mehr Schutz von Schulen gibt“, sagte Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei. „Es ist durchaus ein Ansatz, sich gemeinsam mit Elternvertretern an einen Tisch zu setzen und sich über mögliche und auch umsetzbare Optimierungen aus Sicherheitsaspekten auszutauschen. Man sollte nur nicht den Fehler machen, Schulen grundsätzlich zu einem Hochsicherheitstrakt umzubauen.“

Nach Angaben von Ermittlern hatte der Verdächtige keine Beziehung zu seinen Opfern. Die Tat sei weder politisch noch religiös motiviert gewesen. Die beiden verletzten Mädchen sind nicht verwandt.

Tat laut Berliner Senat „absoluter Einzelfall“

Aus Sicht der Senatsbildungsverwaltung war die Tat ein „absoluter Einzelfall und eine Tragödie“. Der Schutz vor Angriffen, so gut man ihn überhaupt gewährleisten könne, sei an Berliner Schulen sehr gut vorhanden. Der Fall sei aber nach derzeitigem Stand nicht zu verhindern gewesen. Das Personal an Berliner Schulen sei für Notfälle dieser Art geschult. „Ein Restrisiko wird man niemals ausschließen können“, sagte die Sprecherin.

Weitere Schülerinnen und Schüler seien Augenzeugen der Tat gewesen, sagte die Sprecherin. Der Angriff habe in der Nachmittagsbetreuung stattgefunden, während die Kinder auf dem Schulhof gespielt hätten. Nun sei die Schule am Donnerstag und Freitag als „Begegnungsstätte“ geöffnet. Es herrsche aber keine Präsenzpflicht. Interventionsteams aus Psychologen, Therapeuten und Seelsorgern seien im Einsatz.