Fernsehen

Das Nebenparlament: Die ARD-Talkshow „Anne Will“ wird zum Jahresende eingestellt

Die erfolgreiche Talkshow mit Anne Will wird Ende 2023 zum letzten Mal gesendet. Es ist keine Schande, sie zu vermissen. Eine Art Nachruf.

Die Moderatorin Anne Will
Die Moderatorin Anne Willimago/Eventpress

Sechzehn Jahre ergeben eine Ära. Im politischen Raum ohnehin, wo die Kanzlerschaften von Helmut Kohl und Angela Merkel ebenso lange währten und sich zu diesen trotz aller Wertschätzung irgendwann doch das Gefühl einstellte, dass es nun aber auch gut sei. Nach 16 Jahren also setzt die frühere RBB-Sportmoderatorin Anne Will der Talk-Sendung, die ihren Namen trägt, ein Ende. Die 56-Jährige verzichte auf eine Vertragsverlängerung, teilte der Norddeutsche Rundfunk in Hamburg am Freitag mit. Über eine Nachfolge für das sonntägliche Format seien der NDR und die ARD in Gesprächen.

Anne Will: Die Rolle als Nebenparlament hat sich erübrigt

Anne Will, die 2007 auf Sabine Christiansen als erste politische Fragenstellerin im Ersten Deutschen Fernsehen folgte, hat dieses Format nachhaltig geprägt, mehrfache Einvernehmungen der Bundeskanzlerin Angela Merkel verliehen der Sendung einen quasi-staatlichen Verlautbarungscharakter. „Anne Will“ kam im Selbstanspruch einer politischen Gravität daher, in der die Themen der Woche verhandelt und sinnstiftend beurteilt wurden. Für das politische Personal war eine Einladung zum Berliner Adlergestell, in dessen rauer Vorstadtumgebung die Sendung über viele Jahre produziert wurde, Ehre und Verpflichtung zugleich.

Über die hellen Ledersessel in italienischem Design verlief die Vorbereitung und Vermittlung von Botschaften und Inhalten nationaler Bedeutung. Der Vorwurf, dass die Talkshow immer mehr dem Bundestag als zentralem Ort der Debatte in die Parade fahre, konnte der souveränen, stets in der Haltung einer kühl-wissenden Gouvernante daherkommenden Anne Will wenig anhaben. Die einseitige Bewegung ihrer Augenbraue wurden zu einem wichtigen Signal medialer Beobachtung. In ihr drückte sich intellektuelle Überlegenheit ebenso aus wie eine Art ironische Reserve. Es wäre keine Schande sich einzugestehen, dass man die routinierte Diskretion ihres Auftretens vermissen wird.

Markus Lanz intimer und kontroverser als Anne Will

Anne Will, die ihr Privatleben weitgehend außen vor ließ und in eleganter Selbstverständlichkeit doch kein Geheimnis aus ihrer sexuellen Orientierung machte, gibt mit ihrem Abgang zum Ende des Jahres dem Sendeformat ein schwer zu lösendes Rätsel auf. Die Rolle als Nebenparlament hat sich erübrigt, eine Sendung wie „Markus Lanz“ ist intimer und kontroverser.

Die politische Talkshow steht insgesamt vor der Frage, wie das rauer werdende gesellschaftliche Klima künftig repräsentiert werden kann und soll. Schon möglich, dass Anne Will höchstpersönlich Auskunft geben möchte über den Wandel eines für die Demokratie nach wie vor relevanten Unterhaltungsformats. Die Kompetenz und Leidenschaft dafür hat sie bewiesen.