Der letzte Schritt war reine Formsache. Im Saal 83 des Essener Amtsgerichts bestätigten an diesem Mittwochvormittag Insolvenzrichter den Insolvenzplan der deutschen Kaufhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof, dem vor drei Wochen bereits die Gläubiger des zahlungsunfähigen Unternehmens zugestimmt hatten. Damit steht auch das zweite in weniger als drei Jahren eröffnete Insolvenzverfahren des Warenhaus-Konzerns kurz vor dem Abschluss. Danach wird der Sanierungsplan umgesetzt. Bundesweit werden 47 Kaufhäuser geschlossen, in den verbleibenden Filialen mehrere Tausend Jobs gestrichen, und der abermals von Schulden befreite Einzelhändler kann einen Neustart versuchen. Alles auf Anfang. Wieder mal.
In Berlin werden bekanntermaßen zwei Kaufhäuser geschlossen. Es sind die Karstadt-Filialen in der Müllerstraße in Wedding und die in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg. Dass diese Kaufhäuser verschwinden werden, wurde in der Stadt erstaunlich lautlos zur Kenntnis genommen. Schnell hatte sich die Einschätzung etabliert, Berlin sei damit ganz gut davongekommen. Zwei von zehn Häusern galt als gute Quote. Schließlich hatten die Kaufhaus-Sanierer bundesweit mehr als jedes dritte Warenhaus aussortiert.
Einige verwiesen sogar darauf, dass ja eigentlich nur ein einziges Berliner Kaufhaus betroffen sei. Schließlich gebe es für die Weddinger Filiale am Leopoldplatz Rückkehrpläne. Zwar wird das Haus, das wie der gesamte Kaufhaus-Konzern zum österreichischen Unternehmen Signa des Immobilien-Tycoons René Benko gehört, Ende Januar 2024 schließen. Aber nach einem Umbau in den folgenden drei Jahren soll dort wieder ein Warenhaus einziehen – wenn auch nur ein kleines mit zwei Etagen.
Bliebe also mit der Karstadt-Filiale in der Wilmersdorfer Straße „nur“ ein Berliner Kaufhaus übrig, das tatsächlich und auf Dauer schließen muss. Und das, so die Erzählung, soll sogar gegen den Willen von Galeria Karstadt Kaufhof geschehen. Denn dem Vernehmen nach hatte das Warenhaus gar nicht auf der Schließungsliste des Insolvenzverwalters gestanden. Viel mehr laufe der Mietvertrag mit dem Eigentümer, dem Immobilienunternehmen Redevco der C&A-Eigentümerfamilie Brenninkmeijer, am 31. Januar 2024 aus, und dieser habe kein Interesse an der Fortführung des Kaufhauses. Redevco wolle das Grundstück Wilmersdorfer Straße 118 vielmehr für Gewerbe, Büros und Wohnen neu bebauen.
Angestrebt ist eine Sicherung des Standorts für mindestens zehn Jahre.
Für viele in der Stadt hatte sich damit der als Letter of Intent bekannte Deal zwischen dem Berliner Senat, Galeria Karstadt Kaufhof und sowie dem Immobilienarm des Signa-Imperiums als richtig erwiesen. 2020 hatten sich beide Parteien während der ersten Galeria-Karstadt-Kaufhof-Pleite in einer umstrittenen Vereinbarung darauf verständigt, dass die Berliner Galeria-Kaufhäuser eine langfristige Perspektive bekommen. Als Gegenleistung sagte die Landesregierung dem österreichischen Milliardär Benko Unterstützung bei seinen Bauvorhaben an Alexanderplatz, Kurfürstendamm und Hermannplatz zu. Auch das Karstadt-Haus in der Wilmersdorfer Straße wird im Letter of Intent explizit genannt: „Betrieb des Warenhauses für zunächst drei Jahre“, heißt es dort. Und weiter: „Angestrebt ist eine Sicherung des Standorts für mindestens zehn Jahre.“
Dass die nun bevorstehende Schließung tatsächlich auf das Desinteresse des Eigentümers zurückzuführen ist und Galeria alias Signa folglich nicht anders konnte, wurde allerdings nie bestätigt. Als die Galeria-Sanierer Mitte März das Aus für das Charlottenburger Karstadt-Kaufhaus verkündeten, hatte die Berliner Zeitung in der Essener Zentrale nachgefragt, ob tatsächlich eine mangelhafte wirtschaftliche Perspektive der Grund für dessen Ende sei. Beantwortet wurde die Frage leider damals nicht. Hauseigentümer Redevco teilte seinerzeit zwar mit, dass man „alternative Planungen für Gebäude und den Standort“ in Betracht ziehe, „wenn die konkrete Partnerschaft in der Zukunft letztlich zu Ende geht“. Auslöser und Folge wurden damit jedoch nicht eindeutig benannt. Für Nachfragen stand das Immobilienunternehmen nicht mehr zur Verfügung.
Vor wenigen Tagen war dann im Tagesspiegel eine Meldung zu lesen, nach der Redevco dem Warenhaus-Konzern durchaus den Verbleib in der Wilmersdorfer Straße angeboten hätte. So sei es während einer Bezirksverordnetenversammlung dargestellt worden. Tatsächlich hatte dort FDP-Fraktionschef Felix Recke-Friedrich am 13. April wissen wollen, warum es dem Bezirksamt nicht gelungen sei, den Standort der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filiale, gegebenenfalls verkleinert zu retten?
Die Antwort lieferte SPD-Baustadtrat Fabian Schmitz-Grethlein im Namen und im Auftrag der Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne). Es war zu erfahren, dass es regelmäßige Gespräche mit Galeria Karstadt Kaufhof und dem Vertreter der Eigentümerin der Immobile gegeben habe, Vorschläge von Redevco für eine Umstellung auf Galeria 2.0 abgelehnt worden seien und das Vertrauen seitens des Eigentümers zu Galeria Karstadt Kaufhof aufgebraucht wäre. Wörtlich hieß es: „Der Vertreter der Eigentümerin der Immobilie hatte dem Management der Galeria Karstadt Kaufhof Verhandlungen angeboten, sich an der Entwicklung der Immobile zu beteiligen, dieses wurde ebenfalls von Galeria Karstadt Kaufhof abgelehnt.“ Wollte also tatsächlich Galeria nicht?

Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch sagt: „Eine radikale Ablehnung einer Fortsetzung des Mietverhältnisses kann ich aus den Gesprächen mit Galeria Karstadt Kaufhof nicht bestätigen.“ Allerdings hätte der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzern nach ihrer Einschätzung in den letzten drei Jahren mehrfach die Möglichkeit gehabt, mit der Eigentümerin der Immobile und dem Bezirk in die Gespräche zur Weiterentwicklung des Standorts zu gehen. „Dies wurde von Galeria Karstadt Kaufhof nicht vorangetrieben“, sagt Kirstin Bauch der Berliner Zeitung.
Das sieht man bei dem Essener Warenhaus-Unternehmen allerdings anders. Laut Unternehmenssprecherin Patricia Jozefiak hätte sich Galeria eine Fortführung des Standorts grundsätzlich vorstellen können. Ein Weiterbetrieb des Warenhauses sei durch den Immobilieneigentümer in den Gesprächen mit Galeria seit 2020 jedoch ausgeschlossen und eine Verlängerung der Mietvertrags für den Betrieb eines Warenhauses nicht angeboten worden. „Auch die kolportierte Beteiligung an der Projektentwicklung wurde von dem Eigentümer mit Galeria nicht besprochen“, so die Sprecherin.
Der Immobilieneigentümer habe in den Gesprächen mit Galeria mehrfach darauf hingewiesen, dass in dessen Neubau-Konzept lediglich 1500 bis 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche im Erdgeschoss für Einzelhandel zur Verfügung stünden. Patricia Jozefiak: „Für diese Fläche sieht der Eigentümer nach unseren Informationen einen eigenständigen Lebensmittelhändler vor, jedoch kein Warenhaus.“ Redevco ließ indes mitteilen, dass man zuletzt mehrere unterschiedliche Lösungsvorschläge unterbreitet hätte, von denen bisher leider keiner angenommen worden sei.
Für Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch geht es nach eigenen Worten nun darum, dem Standort eine neue Identität zu geben. Da sich die Innenstädte stark verändern, dürfe sich die Suche nach einem Ankermieter nicht mehr ausschließlich auf den Einzelhandel beziehen, sondern muss sich flexibel für die unterschiedlichen Varianten zur Generierung von Publikumsverkehr öffnen, sagt sie. Es sei jedenfalls deutlich geworden, dass die momentane Ausrichtung der Galeria-Filiale nicht zukunftsfähig ist.






