Mobilität

Längere Züge, mehr Fahrten: Berliner S-Bahn weitet ihr Angebot massiv aus

S-Bahn-Chef Peter Buchner kündigt 16 Prozent mehr Kapazität für die Fahrgäste an. Auf einigen Strecken in Berlin wurden bereits Verbesserungen wirksam.

Unterwegs auf dem Ring: Vor der Kulisse der Swinemünder Brücke in Wedding fährt eine neue S-Bahn in den Bahnhof Gesundbrunnen ein.
Unterwegs auf dem Ring: Vor der Kulisse der Swinemünder Brücke in Wedding fährt eine neue S-Bahn in den Bahnhof Gesundbrunnen ein.Sven Heinemann

Trotz der Ausfälle auf mehreren S-Bahn-Linien an diesem Montag, an denen kurzfristige Personalausfälle schuld sein sollen, gibt es eine gute Nachricht für die Fahrgäste. Die S-Bahn Berlin GmbH hat angekündigt, dass es ihr Zugangebot für die Fahrgäste  in der Hauptstadt-Region noch in diesem Jahr massiv aufstocken will.

Das sagte Geschäftsführer Peter Buchner der Berliner Zeitung. „Wir werden unser Angebot zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 erheblich ausweiten“, teilte er mit. „Bei uns wird es längere Züge und mehr Fahrten geben.“

Möglich werde die Angebotsausweitung, weil die S-Bahn ältere Züge für weitere Einsätze fit gemacht hat und zahlreiche neue Fahrzeuge die Flotte verstärken. „Unsere Flotte wächst“, bilanzierte Buchner im Interview mit der Berliner Zeitung. „Über zehn Jahre lang besaß die S-Bahn Berlin unterm Strich 650 Fahrzeuge mit je zwei Wagen, Ende dieses Jahres werden es 106 mehr sein. Nicht mehr lange, dann hat die S-Bahn 16 Prozent mehr Kapazität, und das werden die Fahrgäste spüren.“

Derzeit spreche die S-Bahn mit dem Senat darüber, auf welchen Verbindungen in Berlin und Brandenburg es von Dezember an mehr Fahrten und längere Züge geben wird. Die Infrastruktur lasse Angebotserweiterungen vielerorts noch zu, selbst auf der stark genutzten Ost-West-Strecke in der Innenstadt, betonte der S-Bahn-Chef. „Derzeit sind auf der Stadtbahn innerhalb von 20 Minuten sechs S-Bahnen pro Richtung unterwegs. Künftig könnten es auch sieben sein, dafür ist noch Platz.“

Auf den Ringlinien S41 und S42 fahren ab Oktober alle Züge mit acht Wagen

Auf einigen Verbindungen bekämen die S-Bahn-Fahrgäste bereits einen „Vorgeschmack auf die Zukunft“, bestätigte Buchner. So verkehren die Züge auf der Linie S8 statt mit vier mit sechs Wagen.

Auf den Ringlinien S41 und S42 werden seit April 2023 bei zahlreichen Fahrten acht statt sechs Wagen eingesetzt. „Im Verkehrsvertrag mit den Ländern ist vorgesehen, dass wir zum 13. Oktober 2023 auch die Verstärkerfahrten zur Verdichtung des Takts auf der S41 und S42 mit neuen S-Bahnen fahren werden. Dann haben wir auf diesen beiden Ringlinien alle Züge mit acht statt sechs Wagen im Einsatz und bieten damit unseren Fahrgästen auf der Ringbahn deutlich mehr Kapazität“, so Buchner.

Peter Buchner (56) ist seit 2009 Geschäftsführer der S-Bahn Berlin GmbH.
Peter Buchner (56) ist seit 2009 Geschäftsführer der S-Bahn Berlin GmbH.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

Die letzten Züge der zu DDR-Zeiten entwickelten Baureihe 485 werden im vierten Quartal dieses Jahres ausgemustert. Dagegen möchte die S-Bahn die Baureihe 480, die in West-Berlin entwickelt wurde, noch bis Ende der 2020er-Jahre weiterbetreiben. „Bis auf fünf Züge, die als Ersatzteilspender dienen, werden alle Fahrzeuge nochmals im Werk Schöneweide eine Revision inklusive Einbau der neuen Zugsicherung bekommen“, berichtete der S-Bahn-Geschäftsführer.

Die neuen S-Bahnen, die das Konsortium Siemens/Stadler liefert, bilden den dritten Fahrzeugtyp des größten Berliner Tochterunternehmens der Deutschen Bahn (DB). Mit diesen Zügen sei man sehr zufrieden, lobte Peter Buchner. „Angesichts der Tatsache, dass wir es mit völlig neu konstruierten Fahrzeugen zu tun haben, stellen wir erstaunlich wenig Probleme fest. Die neuen S-Bahnen bewähren sich, die meisten Kinderkrankheiten sind behoben.“

So was gibt es auch: neue S-Bahn-Fahrzeuge vorfristig geliefert

Siemens und Stadler hätten viele Züge so früh geliefert, dass sie schon vor der vereinbarten Frist für die Fahrgäste eingesetzt werden konnten, erläuterte er. „Die 21 Viertelzüge der Baureihe 483, die jeweils zwei Wagen haben, sind bereits alle im Einsatz. Von den 85 Halbzügen der Baureihe 484, die aus jeweils vier Wagen bestehen, sind 70 da, die weiteren sollen im Sommer kommen.“

Corona sei für die S-Bahn Berlin vorbei, bilanzierte der 56 Jahre alte gebürtige Niederbayer, der seinen jetzigen Posten 2009 während eines Höhepunkts der S-Bahn-Krise übernahm. „Die Fahrgastzahl hat inzwischen wieder 97 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht“, so Buchner. „Wir freuen uns darüber, dass die Fahrgastzahl im Jahr 2022 gegenüber 2021 um 35 Prozent gestiegen ist. 2021 wurde die S-Bahn Berlin für 304 Millionen Fahrten genutzt, im vergangenen Jahr waren es 410 Millionen Fahrten.“

„Das sehr erfolgreiche 9-Euro-Ticket habe zu dem Anstieg beigetragen, aber auch die Verdoppelung der Touristenzahl. Weniger Menschen als bisher arbeiten zu Hause, und es gibt wieder mehr Veranstaltungen und damit mehr Freizeitverkehr“, so der S-Bahner. „Von den Spitzenwerten vor Corona waren wir im Jahresdurchschnitt aber noch entfernt. 2019 waren wir mit 485 Millionen Fahrten der 500-Millionen-Marke nahe.“

Kosten für Strom haben sich bei der S-Bahn 2022 verdoppelt

Das abgelaufene Geschäftsjahr sei allerdings mit einem Verlust abgeschlossen worden. „Unsere Energiekosten lagen 2022 bei mehr als 140 Millionen Euro und haben sich im Vergleich zu 2021 mehr als verdoppelt“, sagte Buchner der Berliner Zeitung. „Das hat dazu geführt, dass wir das Geschäftsjahr 2022 mit einem Verlust von 66 Millionen Euro abgeschlossen haben. Auch die Materialkosten sind gestiegen, und bei den Kosten für unser Personal steht uns ein Tarifabschluss bevor.“

Buchner kritisierte den 50-stündigen Warnstreik, zu dem die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für diesen Sonntagabend aufgerufen hat. „Dieser lange Warnstreik ist maßlos und völlig überzogen“, bekräftigte er. Der Arbeitskampf werde die Reiseplanung von Millionen Fahrgästen massiv beeinträchtigen. „Ob einzelne Züge bei der Berliner S-Bahn fahren können, hängt letztlich auch von der Streikbeteiligung ab. Wir werden so viel fahren, wie die Streikbeteiligung zulässt.“ Beim zweiten Ausstand im laufenden Tarifkonflikt zwischen der EVG und DB kam der S-Bahn-Verkehr nach einiger Zeit teilweise wieder ins Rollen. In der Betriebszentrale von DB Netz und der Leitstelle der S-Bahn sind je nach Schicht nicht alle Beschäftigten Mitglied der EVG.

Mit dem Absatz des Deutschlandtickets, das für 49 Euro im Monat bundesweit die Nutzung fast des gesamten Nah- und Regionalverkehrs ermöglicht, zeigte sich Peter Buchner zufrieden. „Rund 120.000 Abonnenten der S-Bahn Berlin sind zum Deutschlandticket gewechselt“, sagte er. „Hinzu kommen mehr als 20.000 neue Kunden, das sind Abonnenten, die bislang nicht in unserer Kartei standen. Offenbar sind viele Menschen, die den öffentlichen Verkehr bisher nur sporadisch genutzt haben, Stammkunden geworden. Und es werden immer mehr, denn täglich kommen weitere Abo-Anträge. Ich bin stolz darauf, dass wir den Kunden alle rechtzeitig bestellten Chipkarten vor dem 1. Mai zugesandt haben.“