Sie mag alte Straßenbahnen, und sie darf sie auch fahren. Sie hat aber auch schon Tunnel saniert und Straßen geplant. Jetzt hat Sonja Wiesholzer eine neue Aufgabe. Seit Montag leitet die Österreicherin kommissarisch den Busbereich der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).
Damit ist sie für den größten kommunalen Busbetrieb in Deutschland zuständig, der über 1520 Fahrzeuge verfügt und jährlich für rund 400 Millionen Fahrten genutzt wird. Ihr Vorgänger Torsten Mareck, dessen Arbeitsvertrag am Sonntag endete, ist zur Deutschen Bahn gegangen. Dort leitet er den Bordservice im Nordosten Deutschlands.
Sonja Wiesholzer beschreibt sich in ihrem Twitter-Profil als „Mobilitätsarbeitsbiene mit einem Hang, die alte Tramway selbst zu fahren“. In der Tat: Für das Wiener Charterunternehmen Rent a Bim steuert die Bauingenieurin seit 2014 Oldtimer-Tramways, wie die Nostalgiebahnen in Österreich heißen.
In einem Tweet aus dem vergangenen Sommer berichtet sie stolz, dass sie kurz zuvor zum ersten Mal mit einem K-Wagen Baujahr 1913 der Wiener Linien unterwegs war. Keine Frage: Sonja Wiesholzer kann offensichtlich auch während ihrer Freizeit nicht vom rollenden Gewerbe lassen.
Heute durfte ich zum ersten Mal den K Wagen Baujahr 1913 selbst im Netz der @wienerlinien fahren, ich bin ehrlich sehr stolz, auch in meiner Freizeit ein @womeninmobility zu sein 🤩💛 pic.twitter.com/gkViqcFbun
— Sonja Wiesholzer (@SWiesholzer) June 4, 2022
„Meine Öffiliebe ist groß!“, bekannte sie in einem anderen Tweet. Und so finden sich in ihrem Account auch Fotos von Besuchen bei der Rügenschen Bäderbahn oder von ihrem Hobbylokführerpatent der Verkehrsgesellschaft Stern & Hafferl. Inzwischen taucht immer öfter Berlin auf. „Habe es immer schon gesagt: Berlin hat einen tollen ÖPNV.“
BVG-Mitarbeiter: „Man merkt sofort, dass man eine Fachfrau vor sich hat“
Sonja Wiesholzer, die aus Oberösterreich stammt und in Ried im Innkreis ihr Abitur ablegte, arbeitet seit Februar im Unternehmensbereich Omnibus. Das Chefbüro befindet sich in einem Plattenbau auf dem Betriebshof Lichtenberg in der Siegfriedstraße. Auf dem BVG-Gelände im Osten von Berlin wird normalerweise Berlinerisch gesprochen, doch Wiesholzer bleibt bei ihrem gewohnten Idiom. „Wenn man mit ihr spricht, merkt man sofort, dass sie aus Österreich kommt“, sagt jemand, der auf dem Hof L arbeitet und sie kennt. Der Dialekt sei unverkennbar.

An Wiesholzers Expertise habe man keine Zweifel, lobt der BVGler. Bevor sie im vergangenen August bei dem Berliner Landesunternehmen anheuerte, um den Vorstandsstab Betriebliche Exzellenz und Projektmanagement zu leiten, hatte sie während ihres Berufswegs schon eine beachtliche Zahl von Stationen absolviert. So war Wiesholzer seit Anfang 2020 Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Dort gehörten Planung, Bau, Betrieb und Umweltschutz von Bundesstraßen sowie die Verwaltung der österreichischen Straßentunnel zu den Aufgaben der Bauingenieurin.
Nach ihrem Studium in Innsbruck arbeitete Sonja Wiesholzer für Planungsbüros mit dem Schwerpunkt Eisenbahnwesen. Von 2006 bis 2019 leitete sie die Sanierung von Tunnelanlagen. Wiesholzer ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe Tunnelbau sowie mehrerer Arbeitsausschüsse bei der Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr, ebenfalls in Österreich. Sie lasse es nicht gleich jeden spüren, so der BVG-Mitarbeiter: „Aber man merkt sofort, dass man eine Fachfrau vor sich hat.“
Von der BVG zur DB – wie Sigrid Nikutta
Die Umgangsformen hätten sich ebenfalls verändert, berichtet er. Wiesholzers Vorgänger sei nicht selten rustikaler aufgetreten, wird berichtet. Torsten Mareck war fast vier Jahrzehnte lang bei den Verkehrsbetrieben. 1983 stieg er in Berlin, Hauptstadt der DDR, bei der Straßenbahn der BVB ein. Ab 1985 war er Elektromonteur, ab Ende 1985 Straßenbahnfahrer. 2016 holte die damalige BVG-Chefin Sigrid Nikutta den damaligen Abteilungsleiter Fahrbetrieb zum Busbereich.
Rund sieben Jahre war Mareck Bus-Chef – bis im Februar bekannt wurde, dass er zur Deutschen Bahn in den Bereich Fernverkehr wechselt. Nikutta, die als Cargo-Chefin bereits bei dem Bundesunternehmen arbeitet, gab dies bei LinkedIn bekannt. „Ich freue mich, dass wir wieder direkte Kollegen sind!“
In Torsten Marecks Zeit fielen Herausforderungen, denen sich auch seine Nachfolgerin Sonja Wiesholzer stellen muss. Der Senat will, dass künftig nur noch elektrische Busse fahren. Das bedeutet nicht nur, dass viele E-Fahrzeuge angeschafft werden müssen – was angesichts von Lieferengpässen und Qualitätsproblemen nicht einfach ist. Es heißt auch, dass die Infrastruktur umgestaltet und ausgebaut werden muss. Gebraucht werden Betriebshöfe, die auf die Anforderungen der neuen Technik ausgerichtet sind.
BVG suchte in Albanien, in Bosnien und im Kosovo Fahrpersonal
Ein anderes, nicht minder großes Problem plagt alle Busbetreiber: Personalmangel. Marecks Team bemühte sich, in Albanien, Bosnien, im Kosovo und anderen Ländern Fahrer zu gewinnen. Doch auch in Südosteuropa ist der Markt leergefegt. „Ohne preiswerten Wohnraum bieten zu können, wird es für die BVG schwierig“, so der BVGler.
Der BVG-Bereich Omnibus hat derzeit rund 5000 Beschäftigte, davon rund 3700 Fahrer. Sie werden verstärkt von 1500 Beschäftigten des Tochterunternehmens Berlin Transport.
Marecks Stelle wird, wie immer bei der BVG, über eine ordentliche Ausschreibung besetzt, so Unternehmenssprecher Markus Falkner. Dem Vernehmen nach hat sich auch Sonja Wiesholzer für die Chefstelle im Unternehmensbereich Omnibus beworben.








