Es war eine Aktion, die mit Spannung erwartet wurde. Unter dem abgesackten Tunnel der U-Bahn-Linie U2 am Alexanderplatz fand ein Testlauf für das Sanierungsverfahren statt, mit dem das unterirdische Bauwerk wieder ins Lot gebracht werden soll. Jetzt haben die Beteiligten Bilanz dazu gezogen, wie es am Wochenende gelaufen ist.
SEV – das sind drei Buchstaben, die bei Fahrgästen die Laune sinken lassen. Schienenersatzverkehr mit Bussen: Das bedeutet Umsteigen und längere Reisezeit. Doch der SEV, der von Freitagabend bis Montagfrüh auf der U2 Züge ersetzte, hatte einen Grund, der manch einen hoffen ließ.
Der U-Bahn-Abschnitt zwischen Klosterstraße und Senefelderplatz wurde gesperrt, weil das geplante Verfahren für die Behebung der Tunnelhavarie unter dem Alexanderplatz getestet wurde. Beteiligt waren die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Senatsverwaltung für Mobilität, Aufsichtsbehörden – und der Investor Covivio, von dessen Hochbaubaustelle der Schaden ausgegangen ist.
Die Hauptrolle spielen vier schmale Rohre, die einen Durchmesser von 6,5 Zentimetern und alle 50 Zentimeter eine Öffnung haben. Sie wurden von der benachbarten Hochhausbaugrube, die zwischen 80 Zentimeter und 2,50 Meter vom Tunnel entfernt ist, langsam ins Erdreich unter dem U-Bahnhof getrieben. Hindernisse gab es nicht, doch Vorsicht war angebracht, der sand- und grundwasserreiche Boden gilt als schwierig.
Tunnelbauwerk ist um fast vier Zentimeter abgesackt
Bei den Fachleuten haben die Rohre einen Namen: Injektionslanzen. Sie werden dazu dienen, eine Zementsuspension in das Erdreich zu leiten. Ziel ist es, den Untergrund zu stabilisieren und das um 3,8 Zentimeter abgesackte Tunnelbauwerk zu heben. Der Plan sieht vor, diese Lanzen in zwei Lagen in einem Bereich von 16 mal 45 Metern in den Boden zu treiben.

„Am Wochenende wurden zunächst vier Injektionslanzen installiert, durch die im nächsten Schritt der Flüssigzement zur Bodenverfestigung eingebracht werden kann“, teilte Sara Lühmann, Sprecherin der Senatsverwaltung, der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. „Die Arbeiten wurden von Expertenteams der Covivio durchgeführt und von Prüfingenieur:innen mit detaillierten Vermessungen überwacht.“
Zu Beginn der Woche zogen die Beteiligten eine Bilanz – die positiv ausfällt. „Die Auswertung der Probebohrungen hat ergeben, dass der Sanierungsplan wie vorgesehen weiterverfolgt werden kann und die weiteren rund 52 Injektionslanzen installiert werden können“, erklärte Lühmann.
Positiv ist auch die Nachricht für die Nutzer der U2. Zumindest für die Installation der nächsten Injektionslanzen werde kein SEV mehr notwendig sein, so die Verwaltungssprecherin. „Eine Sperrung des U-Bahn-Verkehrs der U2 für diese Arbeiten ist dabei zukünftig nicht notwendig. Auch die weiteren Bohrungen werden aber selbstverständlich mit Vermessungen überwacht“, betonte Lühmann.
Ein Meter dicke Baugrubenwand um fünf Zentimeter eingedellt
Wie geht es in den anderen Bereichen weiter? „Auch die anschließenden Arbeiten, darunter die Sicherung der Baugrubenwand und die Hebung des U2-Tunnels, werden sukzessive vorbereitet und genehmigt“, hieß es in der Senatsverwaltung. Wie berichtet, wird die rund einen Meter dicke Wand der Baugrube für das 130 Meter hohe Haus auf dem Baufeld D3 mit Stahlankern stabilisiert. Sie hatte sich in den vergangenen Monaten um rund 5,2 Zentimeter nach innen eingedellt.
Nebenan gab Boden nach, der aus unbewehrtem Beton minderer Qualität bestehende U2-Tunnel von 1913 bewegte sich. Im Beton taten sich Risse auf, Grundwasser drang in die Sohle ein. Bei der Hebung wiederum, die als anspruchsvollster Teil der Instandsetzung gilt, soll das Tunnelbauwerk so bewegt werden, dass es nicht mehr unter Stress steht.
Wie sieht es mit dem Timing aus? „Ausgehend von dem von allen Beteiligten auf der Pressekonferenz Anfang Februar vorgestellten Zeitplan soll die Wiederaufnahme des vollständigen U-Bahn-Betriebs der Linie U2 planmäßig Ende August erfolgen“, so Lühmann. Ende August 2023, wohlgemerkt.
Dann würde sich der Verkehr auf der Ost-West-Linie U2 unter dem Alexanderplatz nach rund elf Monaten Teilsperrung wieder normalisieren. Wie berichtet, musste auf dem Gleis Richtung Pankow am 7. Oktober 2022 der Betrieb eingestellt werden, nachdem die seit Wochen beobachtete Tunnelsetzung ein gewisses Maß überschritten hatte.
Seitdem beschränkt er sich zwischen Klosterstraße und Senefelderplatz auf einen Pendelverkehr im 15-Minuten-Takt. Im Vergleich zum früheren Angebot, das zum Beispiel in der Hauptverkehrszeit Zugverkehr alle vier Minuten vorsah, ist das ein Rückschritt. Folge ist, dass viele Fahrgäste von der U2 abgewandert sind.
Unter dem Hines-Hochhaus entsteht ein Tunnel im U5-Tunnel
Nebenan, auf dem Baufeld D4, plant der Investor Hines, wie berichtet, ebenfalls ein Hochhaus. Wie hoch es wird und welcher Architekt den Entwurf zeichnet, ist inzwischen wieder unklar. Um das Vorgehen bei möglichen Schäden zu regeln, haben der Bauherr und die BVG im Juni 2021 eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet, die 36 Seiten und 741 Seiten Anlagen umfasst. Das teilte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt im Januar auf eine Anfrage der Grünen hin mit.
Darin seien „umfangreiche Schutzpflichten für den Vorhabenträger sowie diverse Zustimmungsvorbehalte zugunsten der BVG enthalten“. Letzteres bedeutet, dass die BVG in bestimmten Fällen zustimmen muss. Vorhabenträger ist die Alexanderplatz D4 Zweite Verwaltungsgesellschaft S.à.r.l.
Dieser habe sich dazu verpflichtet, den Tunnel der U5 mithilfe eines Inlinermodells zu stabilisieren und tragfähig im Hinblick auf den Hochhausbau zu machen, so die Senatsbaudirektorin. Das Inlinermodell sieht vor, das unterirdische Bauwerk der BVG unter dem geplanten Hochhaus mit einer Innenschale auszustatten – also mit einer Art Tunnel im Tunnel. Soweit die BVG planmäßige Stilllegungen der U-Bahn-Strecke und des U-Bahn-Betriebs oder verlängerte Betriebspausen gestattet, verpflichtet sich der Bauherr dazu, Kosten etwa für SEV zu erstatten. Muss der Betrieb auf der U5 unplanmäßig unterbrochen werden, wird eine Entschädigung fällig.








