Mobilität

Abgesackter U-Bahn-Tunnel am Alex: Arbeiten im Plan – aber es gibt neue Zweifel

Das Versprechen gilt: Kurz nach den Sommerferien soll die U2 nach vielen Monaten wieder normal fahren. Doch nicht jeder Beobachter vertraut darauf. 

Kein Zutritt: Im Bahnhof der U-Bahn-Linie 2 unter dem Alexanderplatz sind das Gleis nach Pankow und die dazu gehörige Bahnsteigseite seit Oktober 2022 gesperrt.
Kein Zutritt: Im Bahnhof der U-Bahn-Linie 2 unter dem Alexanderplatz sind das Gleis nach Pankow und die dazu gehörige Bahnsteigseite seit Oktober 2022 gesperrt.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

Kennt jemand noch die U2? Genau, jene U-Bahn-Linie, die unter dem Alexanderplatz in Mitte wegen einer Havarie teilweise gesperrt werden musste. Weil ein Pendelverkehr seit Monaten die Reisezeit spürbar verlängert, haben sich viele Stammfahrgäste andere Wege gesucht, und die Zahl der Nutzer ist auf die Hälfte gesunken. Offiziell heißt es, dass die Stabilisierung des abgesackten Tunnels auf einem guten Weg ist. Doch es gibt Zweifel, ob die U2 tatsächlich wie versprochen nach den Sommerferien 2023 wieder normal fährt.

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) sieht man das Projekt, den Tunnel wieder ins Lot zu bringen, nach Informationen der Berliner Zeitung im Plan. Wenn das so bleibe, werde eine Inbetriebnahme des gesperrten zweiten Gleises nach den Ferien angestrebt. Auch das Immobilienunternehmen Covivio gab sich gelassen. „Die Arbeiten laufen planmäßig“, teilte Barbara Lipka, die Sprecherin, der Berliner Zeitung mit. Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) zeigte sich ebenfalls zuversichtlich.

Der 110 Jahre alte U-Bahnhof ist ins Rutschen gekommen, und wahrscheinlich liegt es daran, dass die Covivio nebenan ein Hochhaus errichtet. Ein Luxemburger Ableger des französischen Konzerns ist Bauherr der 130 Meter hohen Zwillingstürme, die am Alexanderplatz 7 entstehen sollen. Die 17 Meter tiefe Baugrube kommt dem U2-Tunnel bis auf zwei Meter nahe. Obwohl die Grubenwand einen Meter dick ist, hat sie sich unter dem Druck des Grundwassers verformt. Nach innen gibt es eine große Delle. Folge war, dass der Untergrund in Bewegung geriet – und damit auch der Tunnel. 

U2-Tunnel: Erst Risse in der Wand, dann Grundwasser am Boden

Wie sehr das unterirdische Bauwerk aus unbewehrtem Beton unter Stress steht, zeigte sich im vergangenen Juli, als Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Risse entdeckten. Im September stieß man dann auf Grundwasser, das in die Tunnelsohle eindrang. Der U2-Bahnhof sackte ab, das wurde immer klarer. Als die Setzung 3,5 Zentimeter erreichte, entschieden die BVG und die Technische Aufsichtsbehörde des Senats, das Gleis nach Pankow vom Netz zu nehmen. Die Standsicherheit des Tunnels sei gefährdet, und es bestünde die Gefahr, dass U-Bahnen entgleisen, hieß es.

Seit dem 7. Oktober ist also nur noch das Gleis in Richtung Ruhleben in Betrieb. Mehr als ein Pendelverkehr im 15-Minuten-Takt ist auf diesem Teil der U2 nicht mehr möglich. Fahrgäste müssen in den Stationen Klosterstraße und Senefelderplatz umsteigen, was die Reisezeit deutlich verlängert. Weil inzwischen viele von ihnen abgewandert sind, sind die Züge längst nicht mehr so voll wie früher – ein enormer Schaden für die BVG.

Als Nächstes soll das unterirdische Bauwerk angehoben werden

Berichten zufolge ist der U-Bahn-Tunnel am Baufeld D3 seit Herbst weiter abgesackt. Im Februar war davon die Rede, dass die Setzung bereits 3,8 Zentimeter erreicht habe. Im März begannen die Arbeiten zur Stabilisierung des Bereichs. „Der Boden/Untergrund wurde mittels Kontaktinjektionen verfestigt und somit ertüchtigt“, bestätigte Barbara Lipka. Durch schmale Rohre, die einen Durchmesser von 6,5 Zentimeter haben, ließ die Covivio Zementsuspension ins Erdreich pumpen. „Insgesamt wurden 60 Injektionslanzen in dem Untergrund unter dem Tunnel eingebracht“, so die Sprecherin.

Mithilfe des flüssigen Zements wurde der Boden am Rand des Alexanderplatzes nicht nur verfestigt. Es entstand auch die Unterlage, von der aus der U2-Tunnel nach oben gedrückt werden soll. „Der Hebungskörper ist hergestellt“, berichtete Lipka. „Wir sind in enger Abstimmung mit den Sachverständigen, der Technischen Aufsichtsbehörde und der BVG für die Planung zur Hebung.“

„Ich würde zu 99,98 Prozent sagen, dass es klappt“

Damit beginnt die wirklich spannende Phase des Projekts. Das unterirdische Bauwerk muss wieder in die ursprüngliche Lage kommen, damit es nicht mehr unter Stress steht. Wenn das gelungen ist, wird die BVG in Aktion treten, um die Gleislage und andere Themen zu prüfen. Bei dem Landesunternehmen hält man sich bedeckt und äußert sich nicht. Doch dem Vernehmen nach sieht die Linie dort so aus, dass sich die „zeitlichen Aspekte nicht geändert“ haben. Alles im Plan – das ist auch dort die Botschaft. 

„Ich würde zu 99,98 Prozent sagen, dass es klappt“, sagte Daniel Frey, der Deutschland-Chef der Covivio, im Februar. Damals wurden Berichte, wonach Abriss und Neubau des U-Bahn-Tunnels unumgänglich seien, zurückgewiesen. Zum Stabilisierungsprojekt sagte Covivio-Ingenieur Andreas Tichay: „Technisch ist das ein sehr komplexes Verfahren“, die meisten Referenzen gebe es „nur in deutlich kleinerem Maßstab. Doch in Berlin seien auch größere Bauwerke mit Hebungsinjektionen wieder in die richtige Lage gebracht worden – etwa die Kommandantur Unter den Linden 1.

Es werden aber auch andere Stimmen laut. „Offenbar gibt es mehrere Versionen zu diesem Thema“, sagte ein Beobachter, der sich seit Monaten mit dem Vorhaben befasst, am Freitag der Berliner Zeitung. Er jedenfalls höre „nichts Gutes“ von der U2 unter dem Alexanderplatz, berichtete er. So gebe es Hinweise darauf, dass das unterirdische Bahnhofsbauwerk stärker in Mitleidenschaft gezogen worden ist, als dies bislang nach außen kommuniziert werde. Die Sanierungsarbeiten, die sich in einer zweiten Stufe an die Stabilisierung des U-Bahnhofs anschließen, würden aufwendiger als erwartet.

Ist der U-Bahn-Tunnel ein „Totalschaden“? Stadtrat weiß davon nichts

Ein Gesprächspartner habe sogar von einem „Totalschaden“ gesprochen, sagte er. Nach dessen Darstellung seien Tunneldecke und Tunnelwände zum Teil nicht mehr miteinander verbunden. Von Brüchen im Beton ist die Rede. Falls weitere Untersuchungen zusätzlichen Handlungsbedarf ergeben, könnte der Betrieb nach den kommenden Sommerferien noch nicht wieder normalisiert werden, hieß es.

Baustadtrat Ephraim Gothe weiß nichts von solchen Bedenken. Er halte die Einschätzung von Covivio für „belastbar“ und seine Ansprechpartner in dem Unternehmen für „seriös“, wie der SPD-Bezirkspolitiker der Berliner Zeitung am Freitag auf Anfrage mitteilte. Das jüngste Gespräch liege fünf Wochen zurück.

Die Zeitung nd.der Tag berichtete über einen Tunnelschaden, der im benachbarten Bahnhof der U5 sichtbar geworden sei. Schauplatz ist der Bahnsteig, an dem die Züge zum Hauptbahnhof abfahren. Am Ende, über dem ungenutzten Gleis, sickere Feuchtigkeit durch die Decke. Es handele sich um Grundwasser, heißt es. Der Schaden sei im zeitlichen Zusammenhang mit dem Covivio-Projekt entstanden. Ursache könnte sein, dass die Verbindungsfuge zwischen den U-Bahnhöfen der Linien U2 und U5 gerissen ist.

Kann es also Ende August 2023 klappen mit der Wiederinbetriebnahme? Für die Fahrgäste wären das gute Nachrichten. Wenn sie sich überhaupt noch an die U2 erinnern.