Artenschutz

Echter Tiger auf Clan-Hochzeit in Berlin: Der Zirkus erklärt, wie es dazu kam

Nach dem SEK-Einsatz in Neukölln ist klar: Es war tatsächlich ein geschütztes Tier. Aber was ist bei exotischen Arten eigentlich verboten und was ist ratsam?

Tiger – hier nicht bei einer Party, sondern in einem Zoo
Tiger – hier nicht bei einer Party, sondern in einem Zooimago/Steffen Schellhorn

Fotos mit einem jungen Tiger haben für Schlagzeilen gesorgt. „Tigerbaby bei Clan-Hochzeit“, titelten am Mittwoch viele Zeitungen. Bei einer Familienfeier eines arabischstämmigen Berliner Clans wurden offensichtlich Fotos gemacht, auf denen Leute mit einem Tigerjungen zu sehen sind. Mitglieder der Familie posteten die Fotos im Internet. In einem Film ist zu sehen, wie ein kleiner Tiger aus einer grauen Box läuft. Aber was ist bei exotischen Arten eigentlich verboten? Was ist ratsam?

Das zuständige Neuköllner Veterinäramt rückte jedenfalls sogar mit Unterstützung von SEK-Leuten an. Der Grund steht auf der Internetseite des Senats: „Gefährliche Tiere wildlebender Arten dürfen in Berlin nicht von Privatpersonen gehalten werden, egal ob in der Wohnung oder anderswo. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Menschenaffen, große Raubkatzen, Panzerechsen, Giftschlangen, giftige Spinnen und Skorpione.“

Der Polizeieinsatz wurde auch damit gerechtfertigt, dass eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden habe. Das Tier hätte vom Villen-Grundstück der Familie entkommen können. Als die Polizei eintraf, war der Tiger längst weg. Familienangehörige sagten der Polizei, sie hätten das Tier von einem Zirkus gemietet.

Ein Sprecher des Zirkus Berolina sagte der Berliner Zeitung, dass alles ganz regulär abgelaufen sei. „Das Tier stammt aus einer eigenen Nachzucht“, sagte der Sprecher. „Da lief alles rechtens.“ Es handele sich auch nicht um ein Tigerbaby, sondern um ein Jungtier von knapp einem Jahr. „Man kann und darf solche Tiere zur Schau stellen. Dafür haben wir die entsprechenden Genehmigungen.“ Auch können solche Vorführungen oder Streicheleinheiten bei Privatleuten gebucht werden. „Das ist hier geschehen“, sagte er. Der Zirkus habe aber nicht gefragt, was die Privatperson denn so beruflich mache. Und so ein Auftritt sei auch nicht das erste Mal gewesen. „Unsere Tiere waren auch schon mal bei Fernsehproduktionen von ARD und dem ZDF dabei.“

Tiger sind eine stark gefährdete Tierart

Tiger zählen weltweit zu den stark gefährdeten Tierarten. Drei Unterarten sind bereits ausgestorben. Es wird geschätzt, dass nur noch maximal 5000 Tiger wild leben. In den allermeisten Fällen in isolierten Schutzgebieten in Asien.

Grundsätzlich ist das Halten von bedrohten und von seltenen Arten verboten. Das wurde erstmals 1975 im Washingtoner Artenschutzabkommen Cites geregelt. Die Liste der Tier- und Pflanzenarten, die nicht gehandelt oder von Privatleuten gehalten werden dürfen, wird immer wieder aktualisiert. Ende November ging in Panama die 19. Konferenz mit 184 Vertragspartnern und Staaten zu Ende.

Doch in Ausnahmefällen dürfen auch geschützte Tiere in Deutschland gehalten werden. Dafür ist eine Sondergenehmigung nötig, heißt es beim Berliner Senat. Das Halten gefährlicher Tiere von wild lebenden Arten sei an mehrere Voraussetzungen geknüpft, etwa die Sachkunde des Halters und die räumlichen Voraussetzungen. Auch müsse ein Führungszeugnis vorgelegt werden. „Der Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung kann beim zuständigen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt gestellt werden“, heißt es. Zirkusse haben so etwas üblicherweise.

„Grundsätzlich ist aber von der Haltung exotischer Arten abzuraten“, sagt Christiane Schröder vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) der Berliner Zeitung. „Denn in Gefangenschaft kann nun mal der Lebensraum der Tiere nicht nachgebildet werden und deshalb kann auch keine artgerechte Lebensweise gewährleistet werden.“ Bei Tigern gehöre zum Beispiel auch dazu, dass sie großräumige Reviere haben, in denen sie jagen und sich fortpflanzen. Die Tiere würden meist nur auf kleinem Raum eingesperrt. „Das ist so, als würden wir Menschen unser ganzes Leben lang immer nur in unserer Wohnung bleiben müssen“, sagt Christiane Schröder vom Nabu in Brandenburg.

Das Problem hat weiter zugenommen

Die Haltung wird mit Sondergenehmigungen meist dann erlaubt, wenn die Tiere nicht in der Natur gefangen wurden, sondern aus Nachzuchten stammen oder in Zoos überzählig sind.

Christiane Schröder sagt allerdings auch, dass das Problem nicht abgenommen hat. „Die Tendenz ist leider nicht rückläufig. Im Gegenteil. Während der Corona-Zeit haben viele Leute ganz neu angefangen, exotische Tiere zu halten.“ Egal ob Vögel oder Reptilien, Fische oder Großkatzen.

Reptilien müssten offiziell zum Beispiel alle gechipt sein. Sie haben unter der Haut einen Chip, der ein Leben lang beweist, dass das Tier aus einer Nachzucht stammt. „Leider kann man im Internet sehr vieles bestellen“, sagt sie. „Und da wird oft nicht darauf geachtet, ob das Nachzuchten sind.“ So können auch exotische Tiere nach Deutschland kommen, die illegal in der Wildnis gefangen wurden.

Eine Python in Gefangenschaft
Eine Python in Gefangenschaftimago

Die Fachfrau sieht noch ein weiteres Problem: „Wenn die Python nicht mehr ins heimische 60-Liter-Becken passt, wird die Schlange von manchen Leuten einfach ausgesetzt.“ Wenn es sich um invasive Arten handelt, also um Tiere, die bei uns keine natürlichen Feinde haben, kann es sein, dass sie schnell zum Problem werden und den Lebensraum für andere Arten zerstören können.

Und es werden sehr viele exotische Tiere gehalten. Nach Angaben des Bundesverbandes für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz wurden zwischen 2008 und 2018 jedes Jahr 70.000 geschützte Reptilien nach Deutschland gebracht. Damit gehört Deutschland nach Italien zu den größten Importeuren von geschützten Reptilien in Europa.

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