Was wünscht sich ein auf der Straße lebender Drogenabhängiger vom Leben? Wie definiert sich Glück auf einer Matratze, Feuerzeug und die Folie zum Rauchen von Heroin griffbereit? Die 1991 geborene Filmemacherin Lilith Kugler hat sich zweieinhalb Jahre Zeit genommen, um Antworten zu finden.
Kuglers Beitrag „Hausnummer Null“ war in diesem Jahr auf dem Max-Ophüls-Festival in der Sparte Dokumentarfilm nominiert. Er räumte auf dem Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern einen Preis für die beste Bildgestaltung ab. Dabei hätte der auf 95 Minuten Kinolänge erzählte Film auch scheitern können. Geschichten von Drogenabhängigen in Berlin scheinen auserzählt. Die Stadt nimmt das Elend in ihrem Unterleib hin. Nur Sozialverbände stellen angesichts von Mittelkürzungen die Frage, was dort noch ankommen soll. Für Berliner gehört verstörende Verwahrlosung in vielen Bezirken zum Alltag. Sie verschwindet im Filter.
Die Filmemacherin studiert in Babelsberg
Kugler zog im Corona-Jahr 2020 wegen ihres Masterstudiums der Dokumentarfilmregie an der Filmakademie Babelsberg von Stuttgart nach Berlin. Die Filmemacherin hatte 2019 auf dem renommierten Snowdance-Filmfestival mit dem Beitrag „La Maladie du Démon“ den Preis für die beste Dokumentation bekommen. Sie folgte mit der Kamera Menschen, die über den Rand der Gesellschaft gefallen sind. Epileptiker und psychisch Kranke gelten in der traditionellen Gesellschaft Burkina Fasos als von Dämonen besessen. Sie werden aus Dörfern verjagt. Kuglers Beitrag schildert den Kampf eines Pfarrers und eines Krankenpflegers gegen die unmenschliche Behandlung.
Vielleicht fehlt der Filmemacherin der Filter, der vermeintlich unabänderliche Zustände einfach hinnimmt. Kugler schloss an ihrem neuen Wohnort in Friedenau Freundschaft mit einem obdachlosen Heroinabhängigen. Er campierte an der S-Bahn-Haltestelle. Kugler schildert in einem Interview, wie herausfordernd die Dreharbeiten bei Minusgraden waren.
Gedreht wurde auch bei Minusgraden
Ihre Finger gefroren an der Kamera, während der Heroinsüchtige Chris sich sein Nachtlager bereitete. Nach dem Dreh konnte sie in ihre warme Wohnung zurück, während Chris in der Kälte übernachtete. Das sei hart gewesen, sagt Kugler.
Die Regisseurin erzählt in „Hausnummer Null“ die Lebensgeschichte von Chris. Ihr Film kommentiert ohne Fingerzeig aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Elend. Sie ist eine bewusste Entscheidung, zu der es durchaus Alternativen gibt: Nachbarn bilden im bürgerlichen Friedenau ein Netzwerk, um den Obdachlosen zu versorgen. Sie handeln und zeigen: Menschlichkeit ist möglich.




