Tagebuch

Flughafen BER: Was geschah, als ich es wagte, abends einen Cappuccino zu bestellen

Unser Autor hatte Lust auf ein milchhaltiges Kaffeegetränk. Abends am Berliner BER. Der italienische Flughafen-Wirt fand das gar nicht lustig.

Eigentlich nur ein Getränk für den italienischen Vormittag: Cappuccino
Eigentlich nur ein Getränk für den italienischen Vormittag: Cappuccinoimago

Alles fing damit an, dass mein Flug nach Paris Verspätung hatte, wieder einmal. Was für ein Start ins Wochenende! Kurz nach sieben, Frühlingsabendsonne durch die Glasfassaden. Ich wollte noch ein bisschen lesen, fühlte mich aber schon etwas müde von der Woche. Mein Gedanke: Jetzt ein Cappuccino, das wär’s doch!

Ich hatte meine Rechnung allerdings ohne den Wirt gemacht. Es war ein Italiener, unschwer am Akzent erkennbar. „Cappuccino?“, fragte er auf eine entrüstete Weise – fast so, als hätte ich eben „einmal Fegefeuer mit Kakerlaken“ bestellt. „Cappuccino?!“ Also wirklich, mamma mia, nein, das gehe nicht.

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Ehrlich gesagt: Mir war klar, dass echte Italiener in Italien grundsätzlich nur vormittags Cappuccino trinken. Andererseits haben selbst in Italien die meisten Kellner meine nachmittäglichen Cappuccino-Bestellungen in der Regel amüsiert zur Kenntnis genommen. So als würde man abends in der Berliner Eckkneipe einen Kakao bestellen: etwas schrullig, aber na ja, der Kunde ist König. Zumal der Cappuccino am BER absurd teuer war, ein guter Deal für diesen Laden.

Aber all dies war dem italienischen Wirt am BER von Herzen egal: Ich würde die italienische Kultur beleidigen: seine Mama, Dante, Pasolini … ach je. Das wollte ich nun nicht. Insgeheim wartete ich darauf, dass er in Lachen ausbrechen würde und dass alles nur ein Scherz wäre. Aber er meinte es todernst.

Er, so der Wirt weiter, würde mir stattdessen, jetzt um 19 Uhr, eher zu einer Aufschnitt-Platte mit Salami raten. Und einem Aperitif. Nun ja, ich sei Vegetarier und in Paris zum Apéro und Abendessen eingeladen. Dann habe ich einen Satz gesagt, der mir schon in dem Moment, als er meine Lippen verließ, peinlich war: „In Deutschland trinken wir Cappuccino halt zu jeder Tageszeit.“ Eigentlich sind mir Sätze im Stil von „In Deutschland machen wir das so und so“ ziemlich zuwider. In dem Moment habe ich mich selbst etwas verachtet.

Andererseits wollte ich diesen Cappuccino wirklich haben. Letztlich hab ich ihn sogar bekommen und ein wenig genossen. Auch wenn der Wirt („Ihr Deutschen versteht nicht die Essenz von Cappuccino, mamma mia, Cappuccino ist kein Drink!“) mich angesichts des abendlichen Milchschaums so angesehen hat, als würde ich gefrorene Tiefkühlpizza mit Fischstäbchen und Spaghetti-Eis drauf essen. Dante und Pasolini werden es vermutlich nie erfahren. Aber auch seiner Mama erzählt der Wirt hoffentlich nichts davon – um seines und ihr Herz zu schonen, grazie mille.


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