Es sah so aus, als ob manche Berliner es noch nicht glauben können. Vielleicht haben einige von ihnen auch schon vergessen, dass es die U2 gibt.
Auf jeden Fall waren die Züge dieser U-Bahn-Linie in Mitte Montagmorgen ziemlich leer, leerer als früher. „Es sind noch nicht ganz so viele Fahrgäste unterwegs“, sagte Rolf Erfurt, Betriebsvorstand der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Doch eine Erwartung ist eingetreten: Wie angekündigt fährt die U2 in Mitte wieder durch. Der Pendelverkehr, der nach einer Havarie im U-Bahnhof Alexanderplatz vor fast elf Monaten eingerichtet wurde, wurde beendet. Doch die nächsten Bauarbeiten sind schon in Sicht.
Als Dank gab es Cerealienriegel mit Früchten, zuckerreduziert mit Süßungsmitteln. So stand es auf den sonnengelben Verpackungen der „Danke-Riegel“, die im Auftrag der BVG im U2-Bahnhof unter dem Alexanderplatz verteilt wurden. Nachdem das Bauwerk um fast vier Zentimeter abgesackt war, wurde das Gleis 2 nach Pankow am 7. Oktober 2022 gesperrt. Seitdem mussten die Fahrgäste in den Stationen Senefelderplatz und Klosterstraße in einen Pendelzug umsteigen. Mehr als ein 15-Minuten-Takt war auf dem verbliebenen Gleis nicht möglich – was Fahrgäste veranlasste, Alternativen zu suchen.

„Früher waren hier rund 100.000 Menschen pro Tag unterwegs“, sagte Rolf Erfurt, der an diesem Montag in die U2 gekommen ist. Während der Teilsperrung sei die tägliche Fahrgastzahl auf 25.000 bis 40.000 zurückgegangen. Auch am ersten Morgen nach deren Ende sind die U-Bahnen fast leer. „Doch ich erwarte, dass es auf der U2 bald wieder die üblichen Fahrgastzahlen geben wird“, so der Manager des Landesunternehmens am Montag. „Ich bin froh, dass wir den Zeitplan halten konnten.“ Wie im Februar versprochen, ist das Pankow-Gleis nach den Sommerferien wieder ans Netz gegangen. Am Freitag hatte die Technische Aufsichtsbehörde des Senats grünes Licht gegeben.
Was bedeuten die weißen Aufkleber mit den schwarzen Dreiecken?
Der Tunnelschaden war ernst, so viel steht fest. Wer sich auf dem U2-Bahnsteig unterm Alex umsieht, merkt das sofort. Die U-Bahnen nach Pankow fahren vorsichtig ein, aus Sicherheitsgründen gilt Tempo 25. Die nördliche Hälfte des Bahnhofs ist gepflastert mit Messpunkten: weiße Aufkleber mit zwei schwarzen Dreiecken. Darunter steht: „Laser Scanning Product. Bitte nicht entfernen oder verändern“. Die Aufkleber, auch Zielmarkentafeln oder Targets genannt, sind Teil des Messsystems, das den U-Bahnhof mit Lasern überwacht. Wenn sich etwas verschiebt, schlägt das System Alarm.

Am Gleis 2 stehen grüne Holzkonstruktionen. Sie umhüllen Stahlpfeiler, die das aus unbewehrtem Beton bestehende Bauwerk von 1913 stabilisieren sollen. Ins Auge fällt auch, dass vor der Ausfahrt Richtung Pankow an der Tunnelwand viele Kacheln fehlen. Hier hatte sich der Schaden konzentriert. Gleich nebenan, wo das französische Immobilienunternehmen Covivio zwei 130 Meter hohe Häuser baut, dellte Grundwasser die Grubenwand ein. Das Erdreich kam in Bewegung, der U-Bahnhof sackte ab. Im Beton taten sich Risse auf, Feuchtigkeit drang ein. Schließlich zog die BVG Konsequenzen.
Es hätte auch anders laufen können, sagen Beobachter. Nicht ausgeschlossen, dass der Hochhaus-Investor auf stur geschaltet hätte. Doch die Covivio merkte bald, dass ihr die Havarie eine schlechte Presse zu verschaffen drohte. Zudem wollte das Unternehmen die Bauarbeiten zügig wieder aufnehmen. So fiel bald die Entscheidung, den abgesackten U-Bahnhof zu stabilisieren. Durch Lanzen wurde Zementemulsion unter das Bauwerk gespritzt. Dem Vernehmen nach hat Covivio rund zehn Millionen Euro investiert. Die Lanzen blieben im Untergrund – weitere Setzungen sind denkbar. Unterdessen läuft ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren, dessen Ende nicht absehbar ist.
Man habe mit Covivio „hart in der Sache“ verhandelt, berichtete Rolf Erfurt am Montag. Auf jeden Fall seien dem Land Berlin keine Kosten entstanden. Von einem Ausgleich für entgangene Fahrgelderträge ist bei der BVG aber nicht mehr die Rede. Zunächst müsse im Rahmen der regelmäßigen Gespräche mit dem Senat, die der Verkehrsvertrag mit dem Land vorsieht, das Ausmaß der Ausfälle ermittelt werden, so das Unternehmen.
Oppositionspolitiker fordern bessere Vorsorge gegen Tunnelhavarien
Das Hochhausprojekt am Alexanderplatz 7 ist nicht das einzige Bauvorhaben, das dem gemessen an der Fahrgastzahl wichtigsten Schienenverkehrsmittel Berlins nahekommt. Am Montag bekräftigten Oppositionspolitiker ihre Forderung an den Senat, die U-Bahn zu schützen und Havarien besser vorzubeugen. „Endlich fährt die U2 am Alex wieder durch“, so Antje Kapek (Grüne). „Noch ist allerdings nicht geklärt, ob die Schäden langfristig zum Problem werden könnten. Daher sollte auch der Karstadt-Ausbau am Hermannplatz überprüft werden!“ Kristian Ronneburg (Linke) kommentierte: „Wär’s nicht besser, wenn die Sicherheit der U-Bahn und die Interessen der Fahrgäste generell über den Interessen von Investoren mit Hochhausplänen stünden?“
Heute starten wir wieder.
— IGEB Fahrgastverband Berlin (@IGEB_Berlin) August 28, 2023
Und seit heute fährt endlich die U2 am Alex wieder durch.
Aber:
1. Der Tunnel ist dauerhaft geschädigt. Die Zukunft wird zeigen, ob weitere Reparaturen nötig sind.
2. Wie wird verhindert, das Bauvorhaben die sensiblen Bauwerke der U-Bahn beschädigen?
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Der Tunnel ist dauerhaft geschädigt, so der Fahrgastverband IGEB. „Die Zukunft wird zeigen, ob weitere Reparaturen nötig sind. Wie wird verhindert, das Bauvorhaben die sensiblen Bauwerke der U-Bahn beschädigen?“ Der Druck der Investoren wachse, Bauvorhaben schnell zu genehmigen. „Dieser Druck führte schon 2012 am Leipziger Platz und 2015 an der Grunerstraßen zu mehr oder weniger großen Einschränkungen an der U2. Neue Probleme drohen beim Signa-Bauvorhaben am Herrmannplatz.“ Die IGEB rief in Erinnerung, das eine weitere Verbindung in den Nordosten weiterhin beeinträchtigt sei. Die M1 erreiche seit vielen Monaten die Friedrichstraße nicht mehr.






