Ein paar Hundert Menschen stehen vor dem Brandenburger Tor, auf der Bühne vor ihnen spielen die Rapper Maxwell und LX, beide Mitglieder der berüchtigten Hamburger Rapgruppe 187 Straßenbande.
Sonst füllen sie die größten Konzerthallen Deutschlands und spielen vor Tausenden, doch das heute ist für sie eine Herzensangelegenheit. „Marihuana … auf dem Fahrrad … gar kein Drama“, singen die Musiker und die Menge mit ihnen. Dann kommen LX und Maxwell zur Stelle, die hier alle am lautesten mitsingen: „Wann wird das Ot legal?“
4/20, „Four twenty“ ausgesprochen, ist das Codewort für regelmäßigen Cannabiskonsum. Deswegen ist der 20. April (in Amerika 4/20) weltweit der inoffizielle Feiertag der Kifferszene und wird in vielen Ländern mit Veranstaltungen gefeiert. In Berlin treffen sich 500 bis 600 Menschen gute zwei Stunden zu früh, schon um 14 Uhr, vor dem Brandenburger Tor zu einer Demonstration. Sie fordern die Entkriminalisierung von Cannabis und eine liberalere Graspolitik der Bundesregierung.

Für Punkt 16.20 Uhr ist der gemeinschaftliche sogenannte Smoke-in angekündigt. 16.20 Uhr am 20. April, also doppelt four twenty. Das Motto prägt den ganzen Tag. Immer wieder rufen sich die Demobesucher „happy four twenty“ zu. Doch wieso sie das sagen, wissen viele nicht so genau. Über den Ursprung der Kiffer-Chiffre ranken sich viele Mythen, die meisten von ihnen entstanden in den USA. Eine Erklärung besagt, dass „420“ für US-Polizeibeamten ein Code für Marihuana-Konsum sei. Ein anderer Erklärungsmythos geht auf Bob Dylans Lied „Rainy Day Women #12 & 35“ zurück, weil 12 multipliziert mit 35 gleich 420 ist.
Auch Wolfgang Oliveira-Fröhlich ist hier, der sich zuerst unter seinem Künstlernamen VVolf 161 vorstellt. Er sei Musiker, Technohop nennt er seine Musik. Er sei gerade vom Feiern gekommen, um 14 Uhr, da habe ihn ein Freund mit zu der Demo genommen. Die aktuelle Drogenpolitik der Bundesregierung sei eine Schande, sagt Wolfgang, „zu repressiv und zu langatmig“. Deswegen nehme er gerne spontan an der Demo teil. „Happy four twenty und so“. So richtig weiß er auch nicht, wo der Code seinen Ursprung hat. „Wahrscheinlich aus den USA, ne?“, sagt er. Er habe es zwar schon häufig gehört, aber nie so wirklich darüber nachgedacht, woher es kommt.

Die mittlerweile gemeinhin anerkannte Erklärung, woher der Code kommt, geht auf eine Gruppe Studierende aus San Rafael in Kalifornien zurück. Die sollen im Jahr 1971 auf der Suche nach einer stillgelegten Cannabisplantage gewesen sein und trafen sich stets um 16.20 Uhr, also „4.20 p.m.“, um gemeinsam auf die Suche zu gehen. Die Geschichte über diese Gruppe wurde später unter anderem in der US-Branchenzeitschrift „High Times“ erzählt und erlangte so Kultstatus in der Stoner-Community weltweit.
Die Gesundheits- und Agrarminister Karl Lauterbach (SPD) und Cem Özdemir (Grüne) stellten am 12. April die Pläne der Bundesregierung zur Cannabis-Legalisierung vor. Geht es nach den beiden Bundesministern, sollen in Deutschland zukünftig alle volljährigen Menschen bis zu 25 Gramm „Genusscannabis“ für den Eigenbedarf straffrei erwerben und mit sich führen dürfen. Auch das Züchten von bis zu drei weiblichen Cannabispflanzen soll allen Volljährigen gestattet werden, nur weibliche Pflanzen produzieren viel THC, den Stoff, der „high“ macht.

Er sei schon lange dabei, erzählt Ronny Grunzke. „Ich weiß gar nicht, wie häufig ich schon am 20. April demonstriert habe für die Legalisierung.“ Er wisse aber nicht, ob dieses Ziel der kompletten Legalisierung mal erreicht werde. Er sei ja auch schon 62. Die Pläne der aktuellen Bundesregierung halte er für Blödsinn. „Das, was die vorschlagen, ist ja höchstens ein kleiner Schritt“, sagt Grunzke, „wenn, dann ganz.“
Für den Anbau und Vertrieb in größerem Maße, sehen Özdemir und Lauterbach zukünftig sogenannte Cannabis-Clubs vor. Diese sollen nicht-gewinnorientiert Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an volljährige Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben dürfen. Bis zu 500 Mitglieder dürfen diese Clubs haben und maximal 50 Gramm pro Monat sollen die Mitglieder hier erhalten können. Konsumiert werden darf in den Clubs jedoch nicht, so planen Lauterbach und Özdemir. Der Verkauf in lizensierten Fachgeschäften ist in einem zweiten Schritt vorgesehen, allerdings nur in regionalen Modellprojekten und wissenschaftlich begleitet.
Es brauche vollständige Entkriminalisierung, sagt Maria Wehling. „Mit dem Vorschlag wollen Lauterbach und Özdemir die Leute nur ruhigstellen.“ Die angehende Erzieherin mache gerade eine Ausbildung in Religionspädagogik. Die Idee mit Cannabis-Clubs halte sie zwar an sich für sinnvoll, jedoch sollten diese auch genutzt werden, um aufzuklären, zu informieren und Präventionsarbeit zu leisten. „Da wird eine Möglichkeit verschenkt.“ Sie gebe selbst Workshops zu Sucht- und Drogenprävention an Schulen und es sei doch eigentlich klar, dass Jugendliche eher einer Sozialarbeiterin wie ihr von Sucht- oder Drogenproblemen erzählen als der Polizei.
Ganz pünktlich um 16:20 Uhr, also genau „four twenty “, sollte am Donnerstag dann auch der offizielle sogenannte Smoke-in stattfinden. Das untersagte die Polizei allerdings, die Veranstalter dürfen nicht zum gemeinsamen Kiffen anstiften. Ganz gesetzestreu heißt es dann auch von der Bühne „wenn wir genau 4/20 haben und wir von zehn runterzählen, macht euch bitte keinen Joint an“.




