Drogenpolitik

Berlin: Wie sich Cannabisclubs auf die Legalisierung des Kiffens vorbereiten

Die Bundesregierung plant die Abgabe von Hanfprodukten zunächst durch Vereine. In Berlin gibt es solche Cannabisclubs bereits. Ein Besuch.

Oliver Waack-Jürgensen ist Vorsitzender des Cannabis Social Clubs High Ground in Berlin.
Oliver Waack-Jürgensen ist Vorsitzender des Cannabis Social Clubs High Ground in Berlin.Gerd Engelsmann

Ein süßlicher Duft hängt in den Gängen des Berliner Hanfmuseums im Nikolaiviertel. Nutzhanf verbreitet den Geruch, der Berlinern sonst gelegentlich beim Sonnenbad im Volkspark Hasenheide oder im Görlitzer Park in die Nase steigt. Die ausgestellten Pflanzen dürften Kiffer enttäuschen. Kommerziell genutzter Hanf enthält in Deutschland nur einen Bruchteil des berauschenden Tetrahydrocannabinols (THC). 

Der potente Stoff findet sich bisher nur in den Asservatenkammern der Polizei, den Tresoren für Betäubungsmittel von Apotheken und in den Taschen von Dealern. Das soll sich nach den Plänen der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis ändern, allerdings Schritt für Schritt.

Oliver Waack-Jürgensen, Vorsitzender des im Hanfmuseum ansässigen Berliner Cannabis Social Clubs High Ground, betritt einen Mitarbeiterraum des Museums wie der Sieger eines langen und auszehrenden Sportturniers. Sein gewinnendes Lächeln, der feste Händedruck und eine betont entspannte Haltung wirken wie eine Gewinnerpose. Das dürfte kein Zufall sein. Die Hanfbewegung kämpft seit Jahrzehnten für eine Legalisierung der Droge.

Cannabisvereine sollen Hanf an Mitglieder abgeben

Die Ampel wählte – anders als geplant – bei der Legalisierung von Cannabis einen Weg, den die Bewegung der Cannabisvereine seit Jahren gefordert hat. Den legalen Rausch soll es zunächst nur für Mitglieder von Anbauvereinen geben, erklärten Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nach Ostern. Die als Cannabis Social Clubs (CSC) bezeichneten Vereine stehen nun im Mittelpunkt einer auf den Kopf gestellten Drogenpolitik.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sah im Herbst zunächst eine flächendeckende Versorgung von Cannabiskonsumenten durch lizensierte Fachgeschäfte vor. Es hakte aber bald mit seinem Plan, weil die EU das Verbot vom Import und Export von Cannabis über die nationalen Grenzen der EU-Staaten hinweg in Gefahr sah. Die Beschränkung der Versorgung auf Mitglieder von Vereinen verringert aus Brüsseler Sicht das Risiko eines grenzüberschreitenden Handels. Die EU duldet den legalen Cannabiskonsum in Anbauclubs seit 2017 in Spanien und seit 2021 in Malta.  

Bundesregierung musste Legalisierungspläne abändern

„Mir war schon im Herbst klar, dass Lauterbach seine Pläne so bei der EU nicht durchbekommt. Die Entkriminalisierung ist die nächstliegende Lösung“, sagt Oliver Waack-Jürgensen. So sieht es nun offenbar auch die Bundesregierung nach Gesprächen mit der Brüsseler Kommission. 

Die Entkriminalisierung ist die nächstliegende Lösung.

Oliver Waack-Jürgensen, CSC High Ground

Die Clubs dürfen nach Vorgaben zur Qualität und bisher noch nicht geklärten Höchstmengen an THC für die Mitglieder die Pflanzen anbauen, deren Blüten dann in Joints geraucht werden. Maximal 50 Gramm im Monat dürfen an über 21-Jährige abgegeben werden. Die Mitglieder bezahlen eine Gebühr und einen kostendeckenden Preis für das erworbene Cannabis. Nichtmitgliedern bleiben der straffreie Anbau von bis zu drei Pflanzen in den eigenen vier Wänden oder der gewohnte Weg zum Dealer.

Erst in einem zweiten Schritt soll ein wissenschaftlich begleiteter Versuch die Abgabe von Cannabis in regional beschränkten Modellen in Fachgeschäften erproben. Für den legalen Drogenkauf in Vereinsstrukturen könnte es dagegen schnell gehen. Der Gesetzentwurf soll bis zum Spätsommer durch den Bundestag. Nach der Verabschiedung im Bundestag könnte die Versorgung durch die Cannabis Social Clubs in der Theorie sofort beginnen. 

„Wir sind vorbereitet“, sagt Waack-Jürgensen. Sein Verein gründete sich 2022, nachdem die Ampel erste Rauchzeichen für eine Legalisierung von Cannabis erkennen ließ. Die Ausrüstung für den Anbau von Cannabis zu besorgen, sei kein Problem. Die Pflanze wachse schnell, sagt er.

Clubs allein sind für Kiffer keine Alternative zum Schwarzmarkt

Aus Sicht des Vorsitzenden sind allerdings einige Fragen offen. Sein Verein erlebe seit der Erklärung der Ampelminister Lauterbach und Özdemir eine Flut von Mitgliedsanträgen. Maximal 500 Personen sollen sich nach den Plänen der Bundesregierung in einem Cannabis Social Club organisieren dürfen. Sein Verein dürfte künftig nur ein Bruchteil der Berliner Kiffer versorgen.

„Es bräuchte Hunderte Clubs in Berlin“, sagt Waak-Jürgensen. Um der Organisierten Kriminalität den lukrativen Handel zu entreißen, müssten weitere Abgabestellen wie Fachgeschäfte rasch folgen. „Ich sehe die Cannabis Social Clubs als Brückentechnologie“, sagt Oliver Waack-Jürgensen.

Er warnt, dass sich die Bundesregierung zu sehr an dem maltesischen Modell mit engen Grenzen für die Vereine orientiere. So will die Bundesregierung wie in Malta einen Konsum in den Clubs verhindern.

Torsten Dietrich vom 2017 gegründeten Berliner Cannabis Social Club hält die geplante Regelung für die Abgabe ohne Konsummöglichkeit vor Ort für widersinnig. „Wo sonst wäre es besser möglich, mit Beratungsangeboten der Suchtprävention Menschen mit einem problematischen Konsum zu erreichen?“, fragt der Vorsitzende.

Torsten Dietrich vom 2017 gegründeten Berliner Cannabis Social Club
Torsten Dietrich vom 2017 gegründeten Berliner Cannabis Social ClubGerd Engelsmann

Auch sein Verein wird mit Mitgliedsanfragen überrannt. Diejenigen, die sich für eine Mitgliedschaft bewerben, seien in der Regel starke Konsumenten. „Gerade deshalb wäre es wichtig, die Menschen vor Ort intensiv zu beraten“, sagt Dietrich.

Sein CSC hat vor einigen Jahren bereits eine acht Hektar große Anbaufläche für Cannabis in Erwartung einer Freigabe erworben. Nun gehe es darum, schnell weitere Vereine zu gründen, am besten in allen zwölf Berliner Bezirken, erklärt Dietrich. Der Vorsitzende strebt eine Hanfgenossenschaft an, um Kosten zu teilen. 

Das Modell von unabhängigen Clubs, wie es der CSC High Ground vertritt, könnte wie in Spanien der nicht gewollten Kommerzialisierung Tür und Tor öffnen, fürchtet Dietrich. Vor allem in Barcelona werben Clubs in harter Konkurrenz zueinander inzwischen Touristen mit Kurzmitgliedschaften. Ziel der Cannabisfreigabe sollte es aber sein, Schäden für Konsumenten und die Gesellschaft zu verringern. „Mit Cannabis muss man sehr verantwortungsvoll umgehen“, sagt Dietrich.