Cannabis-Legalisierung

Endlich: Es darf gekifft werden! Regierung entkriminalisiert Cannabis

Künftig soll vor allem der Schwarzmarkt schwarz sehen. Es ist durchaus sinnvoll, dass die Kunden nun zum Beispiel vor Heroin im Gras geschützt werden. Ein Kommentar.

Noch illegal: Cannabis im Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes Berlin.
Noch illegal: Cannabis im Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes Berlin.epd

Die Geschichte der Drogen ist zuerst immer eine Geschichte des Experimentierens und dann eine Geschichte der Verbote. Das soll sich nun ändern: Die Bundesregierung biegt nun auf die Straße des Erlaubens ab und will eine „progressive Cannabis-Politik“, wie es Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwoch bei der Vorstellung der Pläne nannte.

Die komplette Legalisierung der Droge und der generelle Verkauf in Geschäften ist erstmal vom Tisch, aber: Der Kauf und Besitz von 25 Gramm Cannabis sollen nicht mehr bestraft werden, maximal dürfen die Kunden pro Monat 50 Gramm kaufen. Privatleute sollen die Pflanzen anbauen dürfen. Die Rede ist von „nichtkommerziellem Anbau für den Eigenbedarf“. Außerdem soll in einem zweiten Schritt in Modellregionen der Verkauf der Droge an erwachsene Mitglieder von sogenannten „Cannabisclubs“ in lizenzierten Fachgeschäften getestet werden. Grundsätzlich ist die Idee zu begrüßen. Denn die bisherige Verbotspolitik hat wenig gebracht.

Berlin ist auch eine Hauptstadt der Drogen. Wer heute durch die Stadt läuft, ist Dauerzeuge des Konsums von Cannabis. Früher zogen Schwaden von Zigarettenqualm durch die Straße, heute riecht es oft nach Cannabis. 

Als Drogen gelten alle Wirkstoffe, die die Fähigkeit haben, die normalen Funktion des Organismus zu verändern: Das können etwa Alkohol oder Heroin oder Kokain. Gerade der Konsum von Kokain ist in den vergangenen fünf Jahren um 58 Prozent gestiegen. Das zeigen die Proben im Abwasser. Der Konsum von Crystal Meth stieg um 70 Prozent. Cannabis ist die beliebteste Droge: In Deutschland haben sie 4,5 Millionen Menschen in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert.

Acht Euro für eine Flasche Korn

Das sorgt bei vielen für besorgtes Kopfschütteln, ist aber eine gesellschaftliche Realität. Die Politik kann diese Realität ignorieren oder mit Verboten reagieren. Dass Verbote wenig bringen, zeigt genau diese Realität.

Dass nun die weiche Droge Cannabis entkriminalisiert wird, ist eine folgerichtige Idee. Es ist durchaus absurd, dass wir völlig problemlos eine tödliche Dosis Alkohol im Supermarkt kaufen können – eine Flasche Korn kostet nicht mal acht Euro. Dass wir bei den Zutaten für einen vergleichsweise harmlosen Joint aber auf dubiose Typen im Stadtpark angewiesen sind. 

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) stellten ihre Pläne am Mittwoch vor.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) stellten ihre Pläne am Mittwoch vor.Tobias Schwarz/AFP

Ich habe noch nie Cannabis gekauft, es aber auch mal probiert. Bei mir war die Wirkung eher zu vernachlässigen. Aber ich halte es für konsumentenfreundlich, dass alle, die kiffen wollen, diese leichte Droge künftig offiziell kaufen dürfen und damit geschützt sind vor dubiosen Geschäftemachern. Denn die Befürworter weisen darauf hin, dass Kriminelle ihre illegale Ware nicht nur mit Gewürzen und Zucker strecken, sondern gern auch mal Heroin beimischen, um die Kundschaft so mit der viel gefährlicheren Droge anzufüttern und unwissentlich abhängig zu machen. Solche Machenschaften wären in legalen Läden nicht möglich.

Die Entkriminalisierung ist auch eine Wohltat für all jene Patienten, die aus medizinischen Gründen kiffen wollen. Diese Pflanze ist nun mal nicht nur ein Rauschmittel, sondern auch ein altes Heilmittel, das hilft, Schmerzen zu lindern und den Appetit anzuregen. Eine Wirkung, auf die auch Krebspatienten setzen.

Der Staat soll nun mitverdienen

Dazu kommt auch eine Kostenfrage: So weist der Brandenburger Richter Andreas Müller seit langem darauf hin, dass seit Anfang der 1970er-Jahre etwa eine halbe Million Haftstrafen in Deutschland abgesessen werden mussten, weil Leute mit Cannabis erwischt wurden. Ein Haftplatz kostet die Steuerzahler knapp 110 Euro – pro Tag. Da klingt es logischer, die weiche Droge Cannabis zu entkriminalisieren, damit die dauergestresste Justiz zu entlasten und auch noch Steuern einzunehmen. Denn am bislang illegalen Handel mit Cannabis verdient der Staat nichts. Agrarminister Cem Özdemir sagte am Mittwoch: „Der Schwarzmarkt wird sich heute schwarz ärgern.“

Natürlich muss auch bei Cannabis gegen den Missbrauch gekämpft werden. Das ist aber nicht Aufgabe von Polizei und Justiz, sondern der Gesundheitspolitik. Die muss auch darauf reagieren, dass es 1,8 Millionen Alkoholkranke gibt. Alkohol kann tödlich sein, Cannabis fast nie. Aber: Etwa 50.000 Menschen lassen sich jedes Jahr behandeln oder beraten wegen psychischer oder sozialer Probleme durch Cannabis.

Natürlich ist zu erwarten, dass es mehr Cannabis-Abhängige geben wird. Deshalb ist es eine ständige Aufgabe der Gesamtgesellschaft, vor allem Kinder und Jugendliche bereits in der Schule über die Gefahren von Drogen aufzuklären. Egal, ob es sich um den Joint nach der Schule handelt oder um harte Drogen. Es geht um die alltäglichen Suchtgefahren aller Art: Zigaretten, Wein, Wodka, aber auch Zucker oder Arbeit oder das stundelange Daddeln von Computerspielen. Alle müssen bei allem lernen, wie viel zu viel ist.