Berlin-Es tut ein bisschen weh und es tut ein bisschen gut, den Musikclip von Richter Andreas Müller anzuschauen – und zu hören. Das Musikvideo eines Richters? Jawohl. Mit Schlips und schwarzer Robe bekleidet, federt der Jugendrichter aus Bernau bei Berlin in einem Clip auf und ab, singt vom grünen Cannabis, singt: „Kiffen ist nicht kriminell, Kiffen ist normal“, um wie zur Bekräftigung seines Urteils in Zeitlupe mit seinem Richterhammer auf einen Holzblock zu klopfen.
Es scheint bei Müller aus der Hüfte zu kommen, wenn er zu der klassischen Reggae-Melodie auf einem trashigen Dancehall-Beat wippt und wie ein echter MC mit betont tiefer Stimme raunt: „Ent-kriminalisierung – sofort“. Dazu schwärmt ein Rapper namens Greeny träumerisch: „Ich seh’ mich schon mit Pflanzen in meim’ Garten …“ – die fast vier Minuten machen jedenfalls eine Gänsehaut, die irgendwo zwischen Freude über die Leichtigkeit des Duos und Fremdscham ob eines auf Deutsch (!) rappenden Richters liegt.
Ich war mit @greeeny im Studio. Hier ein kleiner Vorgeschmack aus unserem Lied, dass am 20.04. heraus kommen wird! Liebe Grüße, wir sehen uns auf der Demo pic.twitter.com/Sm3dBgx2ET
— Jugendrichter Müller (@Richter_Mueller) April 18, 2022
In den digitalen Netzwerken verbreitet sich das Video rasch, mehr als 20.000-mal wurde es auf Youtube am Vormittag bereits angesehen. „Der ganze Song wird am 20.04. 24 Uhr veröffentlicht und dient der Legalisierung“, schrieb Jugendrichter Müller am Vorabend in einem Facebook-Post, mit dem er einen Trailer-Clip als Vorgeschmack auf das ganze Musikvideo betitelt hatte.
Ein „Smoke-in“ am 420Day auch in Berlin
Für seinen Kampf um die Legalisierung zog der Richter im vergangenen Jahr bis vors Bundesverfassungsgericht. Aus seiner Sicht sind nicht die Wirkungen von Cannabis, sondern die damit verbundene Strafverfolgung das Problem. „Ich finde übrigens, dass jeder Richter mal gekifft haben sollte“, sagte er im Interview mit der Berliner Zeitung.
Am Mittwoch ist der 20.04. – ein symbolisches Datum, das an einen US-amerikanischen Code für’s Kiffen angelehnt ist, der auch in Deutschland sehr verbreitet ist. Er kommt von der amerikanischen Uhrzeit 4.20 pm – auf Deutsch: 16.20 Uhr nachmittags –, symbolischer Ursprung ist laut Wikipedia womöglich eine Gruppe namens The Waldos, die sich um diese Uhrzeit zum Kiffen verabredete.
Und so finden weltweit am 20. April Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen statt, die für eine Legalisierung von Cannabis streiten. So auch am Mittwoch in Berlin, wo eine Demo am Pariser Platz startet, die am Nachmittag in ein „Smoke-in“ übergehen soll. Auch Jugendrichter Müller will bei der Demo sein, so kündigte er es auf Twitter an.
Die Bewegung für die Legalisierung von Cannabis konnte sich kurz nach der Bundestagswahl über das Versprechen der neuen Ampelkoalition freuen, die Substanz bald zu entkriminalisieren. Priorität scheint das Vorhaben allerdings nicht zu haben, schon im Dezember ruderten die Gesundheitszuständigen wieder zurück, der Kampf gegen die Pandemie sei wichtiger, wie die FAZ berichtete. Inzwischen dürfte sich die Priorisierung ob des Krieges in der Ukraine weiter verschoben haben.

