Für die Verdrängung der Drogenszene haben Polizisten einen zynischen Begriff: „Junkie-Jogging“. Damit ist gemeint, wenn irgendwo massive Polizeipräsenz auffährt, ziehen Drogenkonsumenten und Dealer eine Straße weiter und gehen dort ihren Tätigkeiten nach. In Berlin gibt es jetzt einen neuen Anlauf, das Problem zu lösen: Dafür hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Freitag zu einem Sicherheitsgipfel geladen.
Es versammelten sich neben dem Regierungschef Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU), Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD), die Bezirksbürgermeisterinnen von Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg (beide Grüne) und die Polizeipräsidentin.
Und was kam dabei heraus? Einen Dreiklang von Prävention, Repression und Intervention solle es geben, teilten die Gipfelteilnehmer anschließend mit. Hilfe für Süchtige und Härte für Kriminelle. „Es ist nicht das Problem von zwei Bezirken, sondern ein stadtweites“, so Wegner.
Die Vergewaltigung einer Frau im Görlitzer Park ließ im Sommer die Emotionen hochkochen. Dieser Fall war auch mit der Anlass für Wegners Sicherheitsgipfel.
Die Lage am Kottbusser Tor hat sich „erfreulich entwickelt“
„Der Görlitzer Park ist ein Symbol für Ignoranz und falsch verstandene Toleranz“, sagte Wegner. Viel zu lange habe man „weggeguckt und schöngeredet“. Diese Zeit sei jetzt vorbei. Jetzt sollen Büsche beschnitten und Teile der alten Begrenzungsmauer abgebaut werden, um besser sichtbar zu machen, was dort geschieht. An den Eingängen soll es Videoüberwachung geben. Zudem soll der Park eingezäunt werden. „Da sind wir nicht ganz einig mit dem Bezirk“, schränkt Spranger jedoch ein.
Was mehr Polizeipräsenz, Videoüberwachung und ähnliche Maßnahmen bringen können, ist zurzeit am Kottbusser Tor zu besichtigen. Dort habe sich die Lage aus Sicht von Spranger erfreulich entwickelt. Die im Februar eröffnete Polizeiwache dort werde von Anwohnern und Gewerbetreibern begrüßt, sagte sie in der vergangenen Woche.
Die Gesamtsituation habe sich wegen der stärkeren Polizeipräsenz sehr gebessert. 23.000 Arbeitsstunden hätten Polizisten dort in diesem Jahr absolviert, im Vorjahr seien es 18.000 Stunden gewesen. Was heißt das für andere problematische Gebiete? Man müsste jede Nebenstraße mit Polizisten besetzen.
Null-Toleranz-Zone: Straftaten im Görlitzer Park gingen zurück
Mit dem Drogenhandel einher gibt es Begleitkriminalität wie Diebstähle, Prügeleien und Raubüberfälle. Für die Befriedung des Görlitzer Parks kursierten seit langem verschiedene Ideen. Von Einzäunung über nächtliche Schließung bis zu flächendeckender Videoüberwachung.
Doch was dann?
Ab dem 1. April 2015 machten der damalige Innensenator Frank Henkel und Justizsenator Thomas Heilmann (beide CDU) den Görlitzer Park zur „Null-Toleranz-Zone“: Wer dort auch nur mit geringen Mengen Marihuana erwischt wurde, gegen den wurde das Verfahren nicht wie bisher eingestellt, sondern es kam zur Anklage. Damals wie heute benutzen Drogenhändler oft die Ausrede „Eigenbedarf“, wenn Polizisten bei ihnen Cannabis oder Marihuana finden. Und so war die „Null-Toleranz-Zone“ als Instrument gegen die Dealer gedacht.
Tatsächlich stieg die Zahl der Festnahmen und Haftbefehle. Von April 2015 bis Herbst 2016 gab es mehr als 500 Verurteilungen wegen Drogendelikten. Andere Straftaten im Park waren ebenfalls rückläufig. 2016 verzeichnete die Polizei noch 321 Gewaltdelikte, 2017 nur noch 251. Die Eigentumsdelikte gingen von 720 auf 465 Fälle zurück. Ein Extra-Staatsanwalt war nur für den Görlitzer Park aktiv. „Das hat extrem gut geklappt“, sagt ein leitender Ermittler noch heute.
Wrangelkiez und Warschauer Brücke wurden zu Drogen-Hotspots
Doch zwei Phänomene waren zu beobachten: Ein Teil der Dealer blieb dem Park treu und passte sein Vorgehen an. „Der Personenkreis ist mittlerweile verstärkt dazu übergegangen, Bunker so anzulegen, dass diese nicht sofort einem konkreten Händler zugeordnet werden können“, hieß es in einem internen Bericht der Polizei. Repressive verdeckte Maßnahmen würden damit zunehmend zeitintensiver.
Andere Rauschgifthändler wiederum fingen an, in den Nebenstraßen ihre Drogen anzubieten. Dort wurde zwar vorher auch schon gedealt. Aber jetzt nahm der Drogenhandel im Wrangelkiez und auch an der Warschauer Brücke zu.




