Krawalle zu Silvester, Schlägereien und Randale in Freibädern, offener Drogenkonsum und Verelendung am Leopoldplatz in Wedding – und immer wieder der Görlitzer Park in Kreuzberg mit seiner fatalen wie langjährigen Mischung aus krimineller Dealerei und anderen Straftaten. Als in diesem Frühsommer dort eine Frau vergewaltigt wurde, reagierte Kai Wegner. Der Regierende Bürgermeister von der CDU kündigte einen Sicherheitsgipfel an, bei dem es um die Sicherheitslage in der Stadt gehen soll. Am Freitag soll es so weit sein. Doch was kann so ein Gipfel angesichts des doch sehr offenen Themas bringen? Mehr als wohlfeile Allgemeinplätze?
Die wenig konkrete Ankündigung mag auch damit zusammenhängen, dass Wegner versucht, eine möglichst große Runde aus der Politik zusammenzustellen. Außer ihm selbst sind Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) eingeladen, dazu die Bezirksbürgermeisterinnen Stefanie Remlinger aus Mitte (Leopoldpatz) und die für den Görlitzer Park zuständige Clara Herrmann aus Friedrichshain-Kreuzberg. Auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Feuerwehrchef Karsten Homrighausen sind eingeladen.
Die Rund ist also groß, ob sie zu groß ist, muss sich noch zeigen. Denn selbstverständlich gehen gerade bei der Frage nach der Bekämpfung von und im Umgang mit Kriminalität die Meinungen weit auseinander. Wie es am Ende zu einer gemeinsamen Position kommen soll, ist eine der spannenden Fragen rund um den Gipfel.
Ein Bericht der @NZZ über den Görlitzer Park, u.a. mit meinem Statement: "Die verbleibenden Zugänge sollen Sicherheitsfirmen kontrollieren. Das ist wie in der Disco. Wer die Eingänge kontrolliert, kontrolliert auch den Park." Viel Spaß bei der Lektüre https://t.co/pCPAhSBE1f
— Timur Husein, MdA (@TimurHusein) September 4, 2023
Von der CDU etwa ist bekannt, dass sie den Görli einzäunen und nachts schließen will, auch Videoüberwachung und mehr Polizeikontrollen seien erforderlich. Das haben unter anderem Fraktionschef Dirk Stettner und der innenpolitische Sprecher Burkard Dregger immer wieder betont. Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Timur Husein brachte sogar den Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstes an den Eingängen ins Spiel. Frei nach dem Motto: „Wem die Tür gehört, dem gehört der Club“.
Vielen in der SPD geht das deutlich zu weit. Zwar gilt vor allem Innensenatorin Iris Spranger als Verfechterin eines harten Kurses, innerhalb ihrer Partei gibt es aber auch andere Stimmen. So erinnert der SPD-Innenpolitiker Martin Matz daran, dass es mit stärkerer Repression am Kriminalitäts-Hotspot Görlitzer Park alleine nicht getan sei. Zumal etwa eine flächendeckende Videoüberwachung technisch unmöglich und unpraktikabel sei, schon weil es nicht genug Polizisten gäbe, die die Aufnahmen auswerten müssten.
„Es braucht ein Bündel an Maßnahmen“, sagt Matz im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Dazu könnten Zäune gehören, ein schnelleres Abarbeiten der Fälle durch die Justiz, im Zweifel auch mehr Abschiebungen von Straftätern, zum Beispiel aber auch therapeutische und sozialmedizinische Angebote für die oft selbst suchtkranken Dealer. Außerdem müsse man über Konsum- und Therapieräume sprechen.
Die SPD liebt #Kreuzberg :
— Vasili Franco (@VasiFranco) September 6, 2023
Zur Wahrheit gehöre, dass „auch die Drogennachfrage der in Kreuzberg ansässigen Bevölkerung als Ursache für das Drogenangebot benannt wird“.
Wer kennt sie nicht, die cracksüchtigen Familien und heroinspritzenden Kinder im Wrangelkiez? Euer Ernst?
Natürlich könne – und im Zweifel müsse – man jede Menge Strafanzeigen schreiben, so Matz, „aber vor allem reden wir da über eine Menge Leute, die Hilfe brauchen“. Und in einer Resolution der SPD-Fraktion heißt es: Es gehöre zur Wahrheit, dass „auch die Drogennachfrage der in Kreuzberg ansässigen Bevölkerung als Ursache für das Drogenangebot genannt wird“.
Auch bei anderen Maßnahmen mahnt Matz zur Differenzierung. Wenn man den Görli abschließe, könne das nicht wie beim Tempelhofer Feld gleich nach Sonnenuntergang geschehen, sondern erst nach Mitternacht, sagt er. Ohnehin möchte Matz eine Einzäunung als eine temporäre Maßnahme verstanden wissen. Wenn etwa Sprangers Vision eines „Musterparks“ erst Realität sei, könne man auch über einen Abbau der Zäune sprechen, so der Politiker.
Insgesamt aber gelte für die SPD: „Wir wollen nicht akzeptieren, dass es nachts Zustände gibt, vor denen wir warnen müssen.“ Darin sieht er sich einig mit seinen Kollegen vom Koalitionspartner CDU. Nicht umsonst hat sich Schwarz-Rot auf mehr Rechte für die Polizei und weitere Maßnahmen gegen Kriminalität geeinigt.
Schwarz-Rot in Berlin will das Polizeirecht verschärfen
Noch im Herbst sollen erste Änderungen im Polizeirecht vorgenommen werden. Dabei soll es unter anderem um den verstärkten Einsatz von Bodycams, also Kameras an Uniformen von Polizisten, sowie die Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Elektroschock-Waffen, sogenannte Taser, gehen. Ein Thema ist auch die Verlängerung des vorbeugenden Einsperrens möglicher Straftäter auf bis zu fünf Tage. Dabei ist aber noch umstritten, ob das auch für die Klima-Kleber gelten soll.
Grüne und Linke kritisierten die Pläne teilweise scharf. Sie wollen vor allem mehr Geld für Sozialarbeiter und Therapieangebote. Umso interessanter dürfte das Auftreten der Bezirks-Chefinnen Remlinger und Herrmann am Freitag werden.


