Stadtdebatte

Café Moskau: Bürger und Architekt Eisentraut lehnen Umbenennung in Café Kyiv ab

Der Nachbarschaftsrat der Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin findet, der ukrainische Botschafter solle sich nicht einmischen, denn: Denkmale seien Zeitzeugen. 

Der Schriftzug am Café Moskau ist Teil des Denkmalensembles wie auch der aufsteigende Sputnik.
Der Schriftzug am Café Moskau ist Teil des Denkmalensembles wie auch der aufsteigende Sputnik.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Das Ansinnen, das Café Moskau in der Karl-Marx-Allee auf Antrag des ukrainischen Botschafters in Café Kyiv umzubenennen, ruft ganz überwiegend Kritik hervor. Leserinnen und Leser ärgern sich darüber, wie der Vertreter eines anderen Staates derart in die Angelegenheiten der hiesigen Bürgerschaft eingreift und wie die Politik leichtfertig über den Wert des Baus als Gesamtkunstwerk hinweggeht.

Im Namen der Mitglieder Nachbarschaftsrates KMA II e.V., der sich im Gebiet Karl-Marx-Allee, Bauabschnitt II, für die Interessen der Bewohnerschaft einsetzt, schrieb Claudia Nier an die Berliner Zeitung. Der Nachbarschaftsrat habe sich mit der Forderung des ukrainischen Botschafters beschäftigt und dazu eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet.

Eigentlich befassen sich die engagierten Bürgerinnen und Bürger mit dem zurzeit laufenden Antragsverfahren zum Weltkulturerbe, zu dem die Wohngebiete der Nachkriegsmoderne Hansaviertel im Bezirk Mitte und die beiden Bauabschnitte Karl-Marx-Allee I und II in Friedrichshain gehören.

Der zweite Bauabschnitt entstand 1959 bis 1964 zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz im Stil der Moderne. Ein zentrales Bauwerk: das Café Moskau. Die Bewerbung um den Status Weltkulturerbe steht unter der Leitung des Landesdenkmalamtes.

Der Nachbarschaftsrat hat seine Kritik formuliert und der Berliner Zeitung geschickt. Vorweg das Prinzip: „Wir wollen Denkmale nicht nach dem Kriterium ‚Schönheit‘ beurteilen, sondern nach ihrem Status als ‚Zeitzeugen‘. Klar ist für die Beteiligten: „Man kann nicht immer alles umbenennen, sondern muss sich mit der Geschichte auseinandersetzen. Die Umbenennung ist Aktionismus und beendet den Krieg nicht.“

In der Stellungnahme verweist der Rat darauf, dass Deutschland seine Solidarität mit den Ukrainern und mit der Ukraine seit Beginn des Krieges auf sehr viel wirkungsvollere Weise gezeigt habe. Auch Menschen im Wohngebiet des KMA II hätten Ukrainerinnen und deren Kinder aufgenommen und würden sich in allen Belangen des Lebens um deren Wohlergehen kümmern. 

Sie kommen zu der Auffassung: „Die Umbenennung ist Augenwischerei und geht an den wirklichen Problemen vorbei. Selbst wenn das Café Moskau umbenannt würde, ist die Chance gering, dass daraus ein Treffpunkt für die Ukrainerinnen entstünde. Denn es befindet sich in Privatbesitz. Deshalb wäre die Umsetzung des Vorschlags weniger eine solidarische Geste und mehr eine Schaufenster-Solidarität.“

Blick aus den eleganten Räumen des Café Moskau auf das Kino International
Blick aus den eleganten Räumen des Café Moskau auf das Kino InternationalMartin Maleschka

Die Alternative, dass die Stadt das Café vom Besitzer der Immobilie, Nicolas Berggruen, für die nächsten Jahre mietet und zum ukrainischen Kulturzentrum umbaut, hält der Nachbarschaftsrat für „bei der gegenwärtigen Haushaltslage nicht realisierbar“. Es fehlten doch sogar die Mittel, „um dem Klimawandel durch die Schaffung grüner, schattiger Plätze oder die Aufstellung von sehr viel mehr Trinkwasserbrunnen zu begegnen“.

Falls eine solche Anmietung doch möglich würde, stelle sich allerdings die Frage, „wieso eine Anmietung durch die Stadt für die Bewohner und Bewohnerinnen bisher nicht möglich war“. Denn in dem Wohngebiet fehle es seit den Privatisierungen Anfang der 90er-Jahre an jeglichen Treffpunkten für soziale und kulturelle Aktivitäten.

Eisentraut: Das ist nicht irgendeine Kneipe

Der herausragende Architekt Prof. Dr. Wolf R. Eisentraut, der selbst einige der wichtigen jetzt unter Denkmalschutz stehenden Bauten der Ost-Moderne entwarf, äußert sich in einem Schreiben an die Berliner Zeitung irritiert, dass „in wohl unüblicher Weise“ ein Botschafter Anspruch auf die Namensgebung eines Restaurants seines Gastlandes erhebt – „nicht nur für eine beliebige Eckkneipe, sondern für das Café Moskau an der Berliner Karl-Marx-Allee fordert der Botschafter der Ukraine, Oleksii Makeiev, die Umbenennung zu Kiew in ukrainischer Schreibweise“.

Das ursprünglich als Restaurant Moskau bekannte Gebäude, beliebt mit Restaurant, Café und Bar, sei schon infolge eingeschränkter Nutzung als Eventlocation den Berlinern verloren gegangen, bedauert Eisentraut und fragt: „Soll nun auch der Name aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwinden? Will man das in Mode gekommene Russenbashing nun auf unschuldige Gebäude ausweiten?“

Das Café Moskau hat mit dem Überfall auf die Ukraine nichts zu tun, es trägt auch nicht Putins Namen.

Wolf R. Eisentraut

Hier der weitere Wortlaut des Briefes: „Der Wunsch zeugt von mangelndem Verständnis von Kultur und Geschichte des Gastlandes. Schließlich ist das Haus nicht nur eine Ikone der Ost-Moderne, die gleichsam als Gesamtkunstwerk Architektur, Bildende Kunst und Signaletik in sich vereint. Deshalb sollte der ikonische Schriftzug unantastbar sein. Vielmehr repräsentiert das Haus einen Stilwandel in der Architektur der DDR, wie er sich im Wechsel vom ersten und zweiten Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee und damit zur Moderne vergegenständlicht hat.

Darüber hinaus widerspiegelt es den damals gegebenen Zusammenhang von Städtebau und Inhalten. Der repräsentative Stadtraum wurde in seinem Verlauf flankiert von ebensolchen Gaststätten: die Häuser Bukarest, Warschau, Budapest, Berlin und eben Moskau in der Reihe beliebter und heute verlorener Einrichtungen. Das Café Moskau als letzte Erinnerung an dieses Ensemble ist kein Ort feindlicher Auseinandersetzung und hat mit dem Überfall auf die Ukraine nichts zu tun, es trägt auch nicht Putins Namen.

Mit Tilgung seines Namens Café Moskau und damit der Beschädigung eines Kulturgutes des Gastlandes wäre dem ukrainischen Volk in keiner Weise geholfen, anders wie die Stadt Berlin in tätiger Hilfe Geflüchtete in großer Zahl aufnimmt. Ich wünsche den Politikern Besonnenheit und der Denkmalbehörde Kraft.“