Ein Berliner Skandal, der sich auf die Unschuldigen auswirkt: Eine Frau veruntreute jahrelang die Pachten von Berliner Kleingärtnern – und genau diese müssen darunter leiden, werden gekündigt. Doch es gibt Hoffnung – und eine Lösung, die die Gärtner jetzt doch noch retten kann.
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner lehnte sich noch Anfang Juni in seinem Grußwort beim Tag des Gartens weit aus dem Fenster: „Das kann auch morgen in der Zeitung stehen: Kai Wegner verspricht, bis 2026 wird sichergestellt, dass alle Kleingärten in dieser Stadt erhalten bleiben.“ Doch prompt folgte die Einschränkung –aus „alle Kleingärten“ wurde im nächsten Satz „zumindest die allerallermeisten“. Was steckt hinter dieser Angst um die Gärten der Hauptstadt?
Bildstrecke
Veruntreuungsskandal im Pankower Bezirksverband: Was bisher geschah
Der Skandal um die Berliner Kleingärten im Bezirk Pankow könnte mit einer verwucherten Hecke, einem verwelkten Rosenbeet, einer von Flöhen besetzten Flora und Fauna nicht besser beschrieben werden. Rund 45 Kleingartenanlagen und mehr als 5000 Kleingärtner sind von dem Betrugsfall betroffen. Um aber zu verstehen, wie es dazu kam, muss man sich die Strukturen des Berliner Kleingartenwesens genauer anschauen.
Der Landesverband Berlin der Gartenfreunde agiert als zentrale und berlinweite Interessenvertretung der Berliner Kleingärtner, doch die Verwaltung der Pachtverhältnisse läuft über die jeweiligen Bezirksverbände der Gartenfreunde. Sie sind Pächter und Verpächter zugleich, agieren als Zwischenpartner, indem sie die Kleingartenflächen von privaten und öffentlichen Eigentümern pachten und sie an die Bürger verpachten – eine seit Jahrzehnten geübte Praxis.
Die Praxis war anscheinend zu eingespielt, zu eingesessen, zu vertraut. Die zurückgetretene Vorsitzende des Bezirksverbandes der Gartenfreunde Pankow soll die erhaltenen Pachten der Kleingärtner nicht korrekt an die Eigentümer überwiesen haben. Noch ist sie nicht verurteilt, es gilt die Unschuldsvermutung, doch eine hohe sechsstellige Summe fehlt. Nachdem erste Vorwürfe laut wurden, soll die ehemalige Vorständin zahlreiche Akten beseitigt und die frisierte Buchhaltung geschreddert haben. Doch war sie nicht ganz gründlich in ihrer Säuberung. Ein Ordner tauchte laut der Kleingartenanlage Alte Baumschule dann doch noch auf: monatliche Überweisungen in Höhe von 54.000 Euro an die eigene Familie.
Was danach folgte, waren Drohbriefe mit Rasierklingen und sogar Todeslisten. Gegen die ehemalige Vorsitzende wird mittlerweile ermittelt und der Pankower Bezirksverband hat das Insolvenzverfahren eingeleitet. „Wir wollen die Chancen nutzen, die die Insolvenzordnung uns bietet, um den Bezirksverband nachhaltig zu sanieren“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Torsten Martini in einer Mitteilung des Verbandes Ende Juni. „Natürlich werden wir auch gemeinsam im zweiten Schritt die Vergangenheit aufarbeiten, aber im Moment geht es erst einmal um die Zukunft und die Neuaufstellung des Bezirksverbandes als verlässlichen Partner für Grundstückseigentümer und die Vereine und ihre Mitglieder.“ Erst im März kommenden Jahres soll ein neuer Vorstand im Pankower Bezirksverband gewählt werden.
Bezirksstadträtin zum Skandal: „Keine Eingriffsmöglichkeit“ auf Privateigentum
Eine der größten und ältesten Kleingartenanlagen Berlins ist die 1913 gegründete Alte Baumschule in der Pankower Hermann-Hesse-Straße. Auf der Fläche von fast 130.000 Quadratmetern befinden sich 314 Parzellen – also Platz für jede Menge Blumen, Bäume und Gartenliebe. Dennoch haben die Grundstückseigentümer aufgrund des Skandals eine Kündigung ausgesprochen. Kai Wegners Zusicherung klingt zwar gut, doch kann sie bei dieser Anlage kaum greifen: Große Teile befinden sich nicht auf senatseigenem Land, sondern auf Privateigentum.
Der Bezirk Pankow habe ein großes Interesse am Erhalt der Kleingärten, schrieb auch Manuela Anders-Granitzki, Bezirksstadträtin für Ordnung und Öffentlichen Raum. „Soweit sich die Kleingärten allerdings auf Flächen in Privateigentum befinden, hat der Bezirk jedoch keine Eingriffsmöglichkeit.“
So pachtet der Bezirksverband Pankow in der Alten Baumschule circa 87 Prozent der Flächen, die der Spree Bridge GmbH gehören, und verpachtet sie wiederum an die Kleingärtner. Was Letztere aber nicht wussten: Zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Bezirksverband Pankow fand ein Gerichtsverfahren aufgrund ausstehender Pachtzahlungen statt.
Die Mahnungen gingen schon vor einem Jahr ein. Doch die Kleingärtner bekamen davon nichts mit, bis schließlich am 10. Mai erstmals eine E-Mail der Anwältin des Bezirksverbands an sie ging. Es war von überfälligen Pachten und Vorleistung die Rede. Mittlerweile hat die Spree Bridge den Pachtvertrag rechtmäßig gekündigt. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
Bebauungsplan im Eiltempo: Eine „Herausforderung“
Will der Eigentümer die Fläche nun bebauen lassen, sie als Erholungsanlage ausweisen oder dort Wochenendhäuser errichten, könnte das die Pacht – entgegen einfacher Lauben – verdreifachen. Doch mit einem Trick kann das verhindert werden: Die Anlage kann schon allein durch die Aufstellung eines Bebauungsplans (B-Plan) geschützt werden, der Plan allein reicht dafür aus.
Derzeit ist die Alte Baumschule als Grünfläche ausgewiesen, damit liegt sie laut Baugesetzbuch in einem sogenannten Außenbereich. Wird noch jetzt im B-Plan eine Nutzung einzig und allein als Kleingartenanlage festgeschrieben – und damit der Istzustand als Gartenland konsolidiert –, wäre eine gewinnbringende Vermarktung der Fläche ausgeschlossen. Schon ein diesbezüglicher Beschluss könnte laut Mike Szidat (SPD), Jurist und Bezirksverordneter in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin (BVV Pankow), die Spree Bridge zum Abschluss eines neuen Vertrages mit den Kleingärtnern bringen. Kritik bleibt aber nicht aus.
Die Erstellung eines B-Plans über die Sommerpause ist laut Bezirksstadtrat Cornelius Bechtler (Grüne) eine „Herausforderung“. Seine Verwaltung sei aufgrund von Großprojekten schon ausgelastet. Dennoch sei er bereit, jederzeit zu handeln, sollte es zur Sicherung der Alten Baumschule notwendig sein. Hilfe sagte auch Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) zu. Aber erst im Herbst dieses Jahres will sie konkreter dazu werden, welche Lösung der Senat zur Kleingartensicherung favorisiert.
Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de













