Die Straßenblockaden der Letzten Generation nehmen die Berliner Polizei massiv in Anspruch. Seit Beginn der Aktionen Anfang vergangenen Jahres leisteten die Beamten bereits 484.713 Einsatzstunden. Das war mehr, als die Betreuung sämtlicher Fußballspiele im vergangenen Jahr verlangt hat. Diese Zahlen nannte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses.
„Ich würde meine Polizei lieber dafür einsetzen, um gegen Drogendealer vorzugehen und, und, und“, sagte Spranger. Sie verwies darauf, dass die Strafbarkeit dieser Blockadeaktionen durch mehrere Gerichtsentscheidungen bekräftigt worden sei. Das entsprechende Urteil des Berliner Kammergerichts zeige, dass die Grenzen des legitimen Protests deutlich überschritten seien. Nicht hinnehmbar sei auch, wenn Rettungswagen durch die Blockaden im Stau stünden.
Aus den 619 bisherigen Blockadeaktionen in Berlin resultieren laut Polizeipräsidentin Barbara Slowik bislang 4891 Strafanzeigen gegen Blockierer. Davon richten sich 4583 gegen Mitglieder der Letzten Generation und 273 gegen Mitglieder von Extinction Rebellion. Bei der Staatsanwaltschaft liegen derzeit 2685 Verfahren. Die Polizei führte 465 sogenannte Gefährderansprachen bei sogenannten Klimaaktivisten durch. Die Polizei verschickte 1294 Gebührenbescheide, die die Aufwendungen der Polizei betreffen.
Hinter der Letzten Generation stehen laut Innensenatorin Spranger auch Geldgeber, „die durchaus wirtschaftliche Interessen haben, das darf man nicht vergessen“. Spranger erinnerte daran, dass die Bezahlung der Gebührenbescheide über „entsprechende Strukturen“ erfolgt sei.
Berlins Polizeipräsidentin und die Innensenatorin warnen vor Selbstjustiz
„Die Polizei bewertet die Blockaden nicht als zivilen Ungehorsam, sondern als das, was sie nach Versammlungsfreiheitsgesetz sind: als nicht angezeigte Versammlungen“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Nicht nur auf der Straße, auch im LKA und in der Bußgeldstelle würden die Kolleginnen und Kollegen bis an die Belastungsgrenze arbeiten.
„Wir befinden uns jetzt in der Hochphase der Vorbereitung auf die nächsten angekündigten Aktionen der Letzten Generation“, sagte Slowik in Bezug auf Ankündigungen, die Blockaden im Herbst verstärkt wieder aufzunehmen. „Wir werden sehr konsequent und sehr zügig vorgehen, mit unseren Erfahrungen, die wir lange Zeit gesammelt haben.“ Man werde die bekannten Verkehrsknotenpunkte im Auge haben, mit Raumschutzmaßnahmen und offener sowie verdeckter Präsenz arbeiten, sagte Slowik. „Aber man sollte im Auge behalten, dass das öffentliche Straßennetz in Berlin 5342 Kilometer lang ist. Das macht vielleicht auch deutlich, vor welcher Herausforderung wir stehen.“
Sowohl die Polizeichefin als auch Innensenatorin Spranger warnten vor Selbstjustiz. Inzwischen hat die Polizei 81 Strafanzeigen wegen Nötigung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung erstattet gegen Autofahrer, die auf eigene Faust versucht hatten, Klimakleber vom Asphalt zu holen. Es sei Aufgabe der Polizei, die Blockaden aufzulösen, sagten Slowik und Spranger.
Der Linkspartei-Abgeordnete Ferat Kocak sagte: „Wir müssen den Klimaaktivisten danken, dass endlich über Rettungsgassen gesprochen wird.“ Kocak beklagte eine „Stimmung der Kriminalisierung“ durch Parteien der Mitte. „Anwendung des Unterbindungsgewahrsams und andere Repressalien sind nichts anderes als Kriminalisierung von Menschen, die sich für die Zukunft von uns allen einsetzen.“ Er kritisierte aus seiner Sicht unzulässige Polizeigewalt wie etwa Schmerzgriffe.
Letzte Generation versucht, Berliner Polizisten zu rekrutieren
Slowik widersprach Vorwürfen, auch seitens der Grünen, dass ihre Beamten „Schmerzgriffe“ anwendeten: „Das gibt es als Fachbegriff bei der Polizei nicht“, sagte sie. Es gebe keine Techniken bei der Polizei, die als Ziel das Erzeugen von Schmerzen hätten. Es gebe Zug-, Druck- und Transporttechniken, sagte sie.
Unterdessen versucht die Letzte Generation, bei der Polizei Anhänger zu gewinnen. Sie verschickte eine Mail an die Polizeibehörden, in der Beamte gebeten werden, einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu unterzeichnen. „Als Polizist:innen seid ihr auf besondere Weise betroffen“, heißt es in dem Anschreiben unter anderem. „Gerade Menschen mit einem beruflichen Hintergrund bei der Polizei haben durch ihre besondere Verantwortung über ihre privaten Sorgen hinaus wichtige Gründe dafür, die Folgen der Klimakrise zu benennen und Abhilfe zu fordern.“


