Klima-Protest

„Ich werd langsam rechts“: Hitzige Stimmung, Anfeindungen gegen die Letzte Generation

Aggressive Zwischenrufe von Passanten überschatten den Protestmarsch der Letzten Generation in Friedrichshain. Am Ende gab es zudem noch zwei Festnahmen. 

Polizisten begleiten am Mittwoch den Marsch der Letzten Generation, die Aktivisten werden dabei häufig vom Straßenrand bepöbelt.  
Polizisten begleiten am Mittwoch den Marsch der Letzten Generation, die Aktivisten werden dabei häufig vom Straßenrand bepöbelt. Volkmar Otto

Als der Protestzug der Letzten Generation am Mittwochabend auf der Frankfurter Allee an dem Späti Regenbogen vorbeiläuft, ruft von den Bierbänken ein Mann: „Wieder so ’ne wichs links-grünen Scheiß-Aktivisten, ich werd langsam rechts!“ Von den rund 90 Teilnehmern der Demonstration nimmt davon niemand Notiz, es sind nicht die ersten und nicht die letzten Anfeindungen, die sie an diesem Abend hören werden.

Um kurz nach 17 Uhr hatte sich der Protestmarsch langsam in Bewegung gesetzt. Stumm und ohne Eile begann die Gruppe ihren Weg stadtauswärts zu nehmen. Vor der Gruppe fahren sechs Polizeifahrzeuge, dahinter sieben. Ein Polizist wird später mithilfe seines Mobiltelefons die Geschwindigkeit schätzen: Er kommt auf zwei Kilometer pro Stunde. 

Marlee, 20 Jahre alt, teilt am Rand des Protests Flyer aus. Einige Menschen nehmen die Flyer gerne an, einige winken von weitem ab. Trotzdem muss sie mehrmals Nachschub holen. Hin und wieder überzeugt sie auch Menschen davon, sich in den Protestmarsch einzureihen. Sie zeigt auf einen Polizeiwagen, den sie wiedererkennt: „Das ist die technische Einheit“, sagt sie. „Sie sind für das Abflexen oder Herausmeißeln von Betonhänden vor Ort zuständig.“

Von einigen Passanten hört man aber auch Kommentare wie: „Ich würde euch als meine Kinder nicht akzeptieren!“ oder „Wegen euch kann hier keiner fahren!“ Als Marlee einem Autofahrer in Höhe der Jessnerstraße einen Flyer anbieten will, schreit er: „Haut bloß ab!“ Er wartet darauf, dass er endlich weiterfahren kann.

Kleiner Protest: Rund 90 Demonstranten haben den Feierabendverkehr auf der Frankfurter Allee aufgehalten und halten Transparente zum Klimaschutz in den Händen.
Kleiner Protest: Rund 90 Demonstranten haben den Feierabendverkehr auf der Frankfurter Allee aufgehalten und halten Transparente zum Klimaschutz in den Händen.Volkmar Otto

Im Frühjahr dieses Jahres hatte die Letzte Generation mit dieser Art des Protests in der Innenstadt begonnen. Manchmal kamen Tausende, manchmal weniger, doch so wenig wie zu diesem Protest waren bisher noch nicht gekommen. Gleichzeitig ist auch die Stimmung in der Bevölkerung spürbar eine andere: Im Internet kursieren Videos, die immer wieder zeigen, wie brutal Passanten Klimaaktivisten von der Straße zerren oder sie verprügeln.

Zum Teil scheinen die Zuschauer allerdings enttäuscht zu sein, so sagt am U-Bahnhof Samariterstraße ein Schaulustiger zu seinem Freund: „Die kleben ja gar nicht – die bewegen sich ja.“ Er antwortet: „Aber ganz schön langsam.“ Auch die Punks unter der S-Bahn-Brücke Frankfurter Allee stimmen einen Chor an: „Klebt euch fest!“

Als der Protestmarsch am Ostkreuz ankommt, gibt es dann die abschließenden Redebeiträge. Einer kommt an diesem Mittwoch von Judith Beadle, 43, aus Wedding. Sie spricht die Waldbrände auf Rhodos an und die Kipppunkte, die laut Meinung vieler Wissenschaftler immer näher rücken.

Kurz darauf erklärt die 21-jährige Aktivistin Regina aus Kreuzberg die Kipppunkte des Klimas mit hart gekochten Eiern. „Wenn sie einmal hart gekocht sind“, sagt sie, „kann sie nichts wieder flüssig machen“. Überhaupt ist sie trotz der Anfeindungen und Kritik gut gelaunt. Sie sagt zu den Methoden der Letzten Generation: „Feuermelder sollen schon laut sein.“ Gleichzeitig könne sie den Frust verstehen, wenn sie einen wichtigen Termin hätte, würde sie auch nicht in einer Straßenblockade sitzen wollen. Allerdings: „Uns bekommt man nicht mit Gewalt oder Repression von der Straße, sondern mit effektiven Klimaschutzmaßnahmen.“

Sobald die Versammlung am Ostkreuz aufgelöst wurde und nach ausdrücklichem Dank an die Polizei während der Abschlusskundgebung, wurden zwei der Aktivisten aus der Menge gezerrt und festgenommen. Die Polizei stelle die Personalien fest, teilte sie den Veranstaltern mit. Zu Details wollte sich die Polizei nicht äußern.


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