Nun stehen die Zahlen fest. Im vergangenen Jahr sind in Berlin Immobilien für rund 23,9 Milliarden Euro verkauft worden. Das geht aus dem Immobilienmarktbericht 2021/22 des Gutachterausschusses für Grundstückswerte hervor, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Der Bericht bestätigt damit in der Tendenz die bereits im Februar vorgelegten vorläufigen Verkaufszahlen, präzisiert diese jedoch im Detail. Anfang des Jahres war zunächst von einem Umsatz in Höhe von rund 23,8 Milliarden Euro die Rede. Dass die Zahlen nun noch etwas höher liegen, geht auf später gemeldete Verkäufe zurück.
Die Daten des Gutachterausschusses beruhen auf den notariell beurkundeten Kaufverträgen des vergangenen Jahres. Sie geben Auskunft über die tatsächlich erzielten Kaufpreise, nicht nur über Angebotspreise aus Immobilieninseraten. Die Zahlen sind damit die aussagekräftigsten, die es gibt.
Der Gutachterausschuss ist ein unabhängiges Expertengremium, das nach dem Bundesbaugesetz von 1960 eingerichtet wurde, um mit objektiven Informationen für Transparenz auf dem Immobilienmarkt zu sorgen. Dem Berliner Gremium gehören 43 Mitglieder an, darunter öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, Immobilien- und Bankkaufleute.
Bisherige Höchstmarke beim Umsatz deutlich übertroffen
Der Umsatz von fast 24 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist ein neuer Rekord. Noch nie seit der Wiedervereinigung wurden in der Bundeshauptstadt Häuser, Grundstücke und Wohnungen in dieser Größenordnung verkauft. Im Vergleich zum Jahr 2020, als Corona und Mietendeckel den Markt beeinflussten, zog der Umsatz im Jahr 2021 um rund 28 Prozent an. Die bisherige Umsatz-Höchstmarke wurde im Jahr 2019 mit 21,7 Milliarden Euro erreicht.
Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 27.646 Verkäufe, im Fachjargon „Kauffälle“ genannt. In „allen Marktsegmenten“ seien „erneut Preissteigerungen im zweistelligen Bereich zu beobachten“, erklärt der Vorsitzende des Gutachterausschusses Reiner Rössler in dem Bericht. Dabei sei offensichtlich nachgeholt worden, „was 2020 durch vorsichtiges Abwarten zunächst verschoben wurde“, so Rössler.
Die Bodenrichtwerte, die Auskunft über den Wert eines Quadratmeters unbebauten Bodens geben, wurden dem Bericht zufolge zum 1. Januar 2022 „in allen Teilmärkten je nach Ausgangsniveau zwischen 5 bis 30 Prozent“ angehoben. Für Käufer von Wohneigentum sind die steigenden Preise mit höheren Belastungen verbunden. Zugleich verteuern steigende Grundstückspreise den Bau von Wohnungen, wodurch es noch schwieriger wird, preiswerte Unterkünfte im Neubau anzubieten.
Eigentumswohnungen verteuerten sich um 14 Prozent
Eigentumswohnungen verteuerten sich im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf einen mittleren Preis von 5379 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Mit 7123 Euro je Quadratmeter Wohnfläche wurde das höchste Preisniveau im Ortsteil Dahlem ermittelt. Dahinter folgt der Ortsteil Mitte mit einem Preisniveau von 7001 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Der höchste absolute Kaufpreis für eine Eigentumswohnung wurde mit rund 9,6 Millionen Euro in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms gezahlt. Das entspricht laut dem Bericht einem Quadratmeterpreis von rund 30.000 Euro. In neu erstellten Wohnanlagen kletterte der mittlere Kaufpreis für Eigentumswohnungen auf 7296 Euro je Quadratmeter, ein Plus von 13 Prozent.
Für einen Autostellplatz wurde im vergangenen Jahr ein mittlerer Kaufpreis von 33.632 Euro gezahlt – ein Anstieg um sieben Prozent. Der höchste Preis für einen Stellplatz wurde mit rund 110.000 Euro in Charlottenburg-Wilmersdorf aufgebracht.
Am günstigsten waren Eigentumswohnungen in Hellersdorf mit einem mittleren Preis von 3034 Euro pro Quadratmeter. Unter 4000 Euro je Quadratmeter kosteten Eigentumswohnungen in Reinickendorf, Spandau, Tempelhof und Hohenschönhausen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 19.732 Eigentumswohnungen in Berlin verkauft, 14 Prozent mehr als im Jahr davor. Der Umsatz erhöhte sich um 27 Prozent auf rund 8,2 Milliarden Euro.
Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser ziehen um 18 Prozent an
Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sank die Zahl der Verkäufe im vergangenen Jahr um ein Prozent auf 2714. Der Umsatz stieg um 14 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. Der mittlere Kaufpreis stieg um 18 Prozent auf 4340 Euro je Quadratmeter „wertrelevante Geschossfläche“, wie es in dem Bericht heißt. Die wertrelevante Geschossfläche ist etwas größer als die reine Wohnfläche.
Bezogen auf die Wohnfläche beläuft sich das Preisniveau von Ein- und Zweifamilienhäusern im Mittel auf 4805 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Das höchste Preisniveau findet sich dabei mit 12.824 Euro je Quadratmeter im Ortsteil Grunewald, das zweithöchste im Ortsteil Schmargendorf mit 11.243 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Der höchste Kaufpreis wurde mit rund 12,5 Millionen Euro für ein Villengrundstück im Ortsteil Grunewald bezahlt. In Treptow, Köpenick, Marzahn und Neukölln waren Ein- und Zweifamilienhäuser mit einem Preisniveau unter 4500 Euro je Quadratmeter Wohnfläche stadtweit am günstigsten.
Die Zahl der Verkäufe von Wohn- und Geschäftshäusern stieg im vergangenen Jahr um sechs Prozent auf 984. Der Umsatz erhöhte sich dabei um 40 Prozent auf rund 7,2 Milliarden Euro. In 514 Fällen davon wurden reine Mietshäuser verkauft, also Häuser ohne Geschäfte im Erdgeschoss. Der Umsatz in diesem Segment stieg um 23 Prozent auf rund 2,7 Milliarden Euro.
Mietshäuser wechseln für die 32,1-fache Jahresmiete den Besitzer
Für Mieter sind die Kaufpreise interessant, weil sie einen Hinweis darauf liefern können, was die neuen Erwerber mit den Gebäuden vorhaben. Im Schnitt wechselten reine Mietshäuser für 5,9 Millionen Euro pro Haus den Besitzer. Der Kaufpreis pro Quadratmeter „wertrelevante Geschossfläche“ belief sich dabei im Schnitt auf 2465 Euro. Das entsprach umgerechnet der 32,1-fachen Jahresnettokaltmiete. Das heißt, der Kaufpreis wird mit den aktuellen Mieten erst nach 32,1 Jahren erwirtschaftet sein. Will der Eigentümer das Geld früher in die Kasse holen, was meist der Fall ist, muss er die Mieten anheben. Das geht durch Erhöhungen nach dem Mietspiegel, teurere Wiedervermietungen oder durch Modernisierungen – auch der Einzelverkauf der Wohnungen ist möglich.
Viele Vermieter haben im vergangenen Jahr die Voraussetzungen für einen späteren Verkauf geschaffen. So wurden 28.768 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt – ein Anstieg um 49 Prozent. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will darauf reagieren. Die gestiegenen Zahlen zeigten, dass „ein weiterer Schutz vor der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen notwendig ist“, erklärte die Staatssekretärin für Mieterschutz und Quartiersentwicklung, Ülker Radziwill.
Der Berliner Mieterverein (BMV) zeigt sich besorgt. „Diese Preisanstiege bei den Immobilien werden weiter zu deutlichen Mietsteigerungen führen“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Uns graut vor der Veröffentlichung des nächsten Mietspiegels.“ Der Druck auf die Erhöhung von Mieten entstehe verschärft nach einem Verkauf von Wohngebäuden oder vermieteten Eigentumswohnungen, „weil der Erwerber zur Refinanzierung seines Kaufpreises zumeist die Mieterhöhungsspielräume ausschöpft“.






