Ein Künstler ohne Fans? So was gibt es nicht! Wer geht schon auf ein Konzert und bezahlt 60 Euro für ein Ticket, ohne die Musik zu mögen? Niemand, sollte man meinen. Vom Gegenteil überzeugen konnte man sich jedoch am Freitagabend in den Gärten der Welt. Denn viele möchten sich dort nicht so richtig als Fan von Giovanni Zarrella outen. Tenor: Die Musik sei ganz nett, aber mehr auch nicht. Sobald der in Deutschland geborene Italiener jedoch die Bühne betritt, scheint das alles vergessen zu sein. Jeder wird zum Fan. Ob er will, oder nicht.
Doch bevor Zarrella, der vielen noch als ehemaliges Mitglied der Band Bro’Sis bekannt ist, die Bühne betritt, herrscht ein großes Chaos. Die Location des Open-Air-Konzerts könnte kaum besser sein; die Beschilderung lässt jedoch stark zu wünschen übrig. Am Haupteingang der Gärten der Welt bildetet sich kurz nach 18 Uhr eine kleine Schlange. Langsam spricht sich herum, dass dieser Eingang wohl der falsche ist. „Sie müssen alle die Straße runter und dann nach links“, sagt der Wärter am Haupteingang. Sogleich kommt Bewegung in die Gruppe. Mit dabei ist Romina.
Publikum beim Konzert von Giovanni Zarrella: „Ach was, ich bin doch kein Fan“
Sie ist extra aus Köln angereist und die Einzige, die sich an diesem Abend uns gegenüber als Zarrella-Fan bezeichnet. In ihrer Hand hält sie eine kleine Tüte. „Ich habe für Giovanni ein paar Armbänder selbstgemacht“, sagt sie. Zudem habe sie im Zug, auf dem Weg von Köln nach Berlin, einige Bilder gemalt. Ihr größter Wunsch: Giovanni die Tüte mit den Geschenken zu übergeben. Es gibt sie also doch, die treuen Fans, die ihren Lieblingskünstler, Giovanni Zarrella, von Konzert zu Konzert begleiten. Dennoch scheint Romina an diesem Abend die Ausnahme zu sein.
Sobald der richtige Eingang gefunden ist, begeben sich die meisten Besucher zu den Sitzplätzen. Direkt vor der Bühne, in der ersten Reihe, steht Romina. Ihre Tüte hält sie fest umklammert. Fragt man die Personen, die neben ihr stehen, ob sie sich als Fan bezeichnen würden, folgt nur ein kurzes „Ach was, ich bin doch kein Fan“. Letztlich begleite man nur eine andere Person, die unbedingt auf das Konzert wolle; und Schlager, so was höre man privat auf keinen Fall.
Das Erfolgsrezept: Mit Helene Fischer raus aus der Abwärtsspirale
Altbacken, verstaubt und allenfalls fürs Bierzelt geeignet? Der deutsche Schlager hat es nicht immer leicht. Die Melodien sind zwar den meisten bekannt, aber sich offen als Schlagerfan zu outen – niemals. Künstlerinnen wie Helene Fischer verhalfen dem Schlager jedoch zu neuem Auftrieb. Zarrella, der bis dato vorwiegend Pop- und R&B-Songs veröffentlicht hatte, schlug vor knapp vier Jahren eine ganz neue Richtung ein: Er ergriff die Chance, wandte sich dem Schlager-Universum zu und übersetzte bekannte Schlagerhits ins Italienische. Mit seinen Coverversionen landetet der Musiker 2019 auf Anhieb auf Platz 2 der deutschen Album-Charts („La vita è bella“). Die beiden Alben danach („Ciao!“ 2021 und „Per sempre“ 2022) gingen sogar auf Platz 1.
Auf den ersten Blick wirkt alles perfekt. Doch hinter dem Strahlemann Zarrella liegen schwere Zeiten. Nach der Trennung seiner Band Bro’Sis (2006), die aus der Castingshow „Popstars“ hervorging, wurde es erst mal still um ihn. Dann arbeitete er als Moderator, nahm gemeinsam mit seiner Frau Jana Ina Zarrella an mehreren Doku-Soaps teil und versuchte sich als Solo-Künstler. Der große Erfolg blieb jedoch anfangs aus. In Interviews spracht Zarrella selbst von einer Abwärtsspirale, in der er sich damals gefangen sah. Fast zwei Jahrzehnte mussten vergehen, bis Zarrella der ganz große Durchbruch als Solo-Künstler gelang. Auf musikalischen Erfolg folgte eine eigene ZDF-Musikshow, die „Giovanni Zarrella Show“, mit fast 4 Millionen Zuschauern pro Sendung. Zudem nimmt Zarrella in diesem Jahr als Coach an der Castingshow „The Voice of Germany“ teil.
Zarrella lässt auf sich warten beim Berlin-Konzert in den Gärten der Welt
Lange musste er auf seinen Erfolg warten. Aber am Freitagabend in den Gärten der Welt ist es nicht Zarrella, der wartet, sondern das Publikum. Die Angaben auf den Konzertkarten werden erneut überprüft: Konzertbeginn 19.30 Uhr. Doch die Bühne bleibt leer. Eine Vorband gibt es nicht. So langsam wird es unruhig in der dünn besiedelten ersten Reihe an der Bühne. Eine Konzertbesucherin zeigt sich entrüstet und sagt: „So was hätte ich nicht von ihm erwartet. Giovanni ist niemand, der sich bitten lässt!“ Es vergehen weitere 30 Minuten. Doch dann ist es endlich so weit und die Band betritt die Bühne, jedoch ohne ihren Frontmann.
Erneut macht sich Verwirrung breit, denn Zarrellas Stimme ist im Off zu hören. Wo ist er nur? Köpfe werden gedreht, Hälse in die Höhe gestreckt. Und da steht er, zwischen all den sitzenden Besuchern! Erst zaghaft und dann immer schneller, bewegen sich die Fans und die, die es nicht offen sein wollen, auf den Künstler zu. Zarrella bahnt sich seinen Weg gen Bühne, geht auf Tuchfühlung mit den Besucherinnen, die sich im Vorbeigehen an ihn schmiegen. Zarrella begrüßt das Publikum mit den Worten: „Buona Sera, Berlino!“
Das Ziel des Giovanni-Zarrella-Abends in Berlin: Tanzen, Lachen, Weinen
Eröffnet wird der Abend mit einer italienischen Version des Songs „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ von Nena. Schon zu diesem Zeitpunkt fällt auf, dass sich der Bereich vor der Bühne in Sekundenschnelle füllt. Sitzplätze werden zu Stehplätzen und auf den Grünflächen, oberhalb des Bühnengeländes, wird das Tanzbein geschwungen. Aber nicht nur das Publikum schwingt die Hüften: Auch Zarrella stellt sein tänzerisches Können unter Beweis.
Geht es nach Zarrella, dann ist das Ziel des heutigen Abends, „gemeinsam zu tanzen, zu lachen und zu weinen.“ Dieses Ziel spiegelt sich deutlich in der Reihenfolge der Songs wider. Auf einen ruhigen Song folgt sogleich ein rhythmisches Stück. Songs von Helene Fischer, Michael Jackson, den Backstreet Boys und Deep Purple erklingen nun auf Italienisch. Zwischendrin sucht Zarrella immer wieder die Nähe zum Publikum, erzählt von seiner Familie, von seinen Eltern, die als Gastarbeiter nach Deutschland kamen – und von seiner Zeit bei der Band Bro’Sis.
Besucherin ist entsetzt: „Das kann doch nicht schon alles gewesen sein?!“
Während die Sonne langsam zwischen den umliegenden Hochhäusern untergeht, beugt sich Zarrella erneut zu seinem Publikum herunter und verkündet nach weniger als 90 Minuten, dass nun der letzte Song gespielt werde. Eine Besucherin blickt entsetzt auf die Bühne und sagt: „Das kann doch nicht schon alles gewesen sein?!“. Eine Antwort auf diese Frage erhält sie erst, nachdem Zarrella seinen Hit „Sempre Sempre“ spielt, denn der große Abschluss wird dann vorerst doch verschoben. Es folgen zwei weitere Songs, unter anderem eine italienische Version des Songs „Angels“ von Robbie Williams („Un Angelo“).






